Aufführungsbesprechungen, Prag: Konzerte und Deklamatorien (darunter Werke von C. M. von Weber) 19. Februar – 9. April 1813
Tonkunst.
Prag. – Das erste Concert des heurigen Jahrs gab Herr Brandt aus München im Convictsaale. Der Saal war mäßig gefüllt, und das Urtheil der Kenner nennt ihn einen Fagottisten vom zweyten Range. Sein Ton ist kräftig, aber ohne Sonorität und Zartheit. Die größte Höhe, die er in seiner Gewalt hat, ist das zwey Mahl gestrichene C, welches jedoch nur selten zum Vorschein kommt. Auf das Contra-B scheint er sich viel zu Gute zu thun, und war sehr freygebig damit. Seine Passagen in der kleinen Octav sind undeutlich, und in seinem Vortrage wenig mannichfaltig. Auch das Concert, von der Composition des Herrn Carl Maria von Weber, war nicht dazu geeignet, sein Spiel in ein günstigeres Licht zu stellen. Es ist so wenig auf Effect berechnet, als die Melodie klar und verständlich genug ist, um auf allgemeinen Beyfall rechnen zu können. Überdieß sind die Blaseinstrumente zu reich angebracht, und entziehen dem Concertisten die Aufmerksamkeit.
Das zweyte Stück seiner Kunstausstellung war ein Ongharese von demselben Meister, welches wenigstens bey den Profanen großen Beyfall fand. Das Thema zu diesem Stück war der bekannte Gassenhauer: Frau Wirthinn komm’ sie her &c. und man hat sich gewundert, wie ein so allgemein geachteter Tonsetzer sich mit einem Thema beflecken konnte, das nur an die niedrigsten Zoten erinnert.
Eine Ouverture von Herrn Gänsbacher ward hier zum ersten Mahle in einem öffentlichen Concert gehört; aber nach der Aufnahme, die sie beym Publicum fand, dürfen wir wohl hoffen, sie in keinem zweyten Concert zu hören. Ein Witzkopf äußerte sich darüber folgendermaßen: „Der Anfang ist für die Schäfer, die Mitte für die Juden und das Ende für die Türken.“ Obschon wir diesen Ausspruch keineswegs unterschreiben mögen, so glauben wir doch Herrn Gänsbacher anrathen zu können, daß er sich in seiner Composition mehr der Einheit befleiße, trocknen und gezwungenen Gesang vermeide, und vor allem darauf sehe, seinen Werken eine feste und bestimmte Form zu geben.
Bald nachher gab der neue Operndirector Herr Carl Maria von Weber ein Concert im Redoutensaale, und gewährte uns in demselben den Genuß von drey Werken seiner Kunst. Den Anfang machte eine Symphonie, von welcher der Menuet und Trio Beyfall fand. Das Piano-Forte-Concert gefiel sehr, und Herr v. W. beurkundete darin seinen Ruhm als ein äußerst fertiger und präciser Clavierspieler, der volle Gewalt über sein Instrument hat. Unter den drey Sätzen hob sich der letzte Allegrosatz in Sechsachtel-Tact am meisten heraus; er hat eine richtige Haltung in Licht und Schatten, nicht gewöhnliche Schwierigkeiten, denen eine fließende Melodie zum Grunde liegt, und eine geschmackvolle, obschon etwas starke Instrumentalbegleitung. Der reichlichste Beyfall ward dem Künstler zu Theil. Minder als das Concert gefiel der Hymnus : ¦ In seiner Ordnung schafft der Herr, von Friedrich Rochlitz, woran aber vielleicht die Poesie Schuld seyn mag, die, aus bloßer Reflexion bestehend, uns nicht für die Tonkunst günstig zu seyn scheint. Der Mittelsatz ohne Begleitung erinnerte sehr stark an den protestantischen Choralgesang, und machte durchaus keine Wirkung.
Den 5. Aprill gab der bekannte Declamator Herr Theodor von Sydow im Redoutensaale eine declamatorische Unterhaltung. Zum großen Nachtheil des Herrn v. S. hat das Interesse des Publicums an Declamatorien sich fast auf nichts reducirt; daher war der Saal sehr schwach besetzt. Die wenigen Anwesenden zollten dem Künstler ihren Beyfall, den er gewiß – nur in der Wahl nicht durchaus – verdiente, und man ist der Meinung, daß dieß Declamatorium das mindest langweilige war, das man noch hier gehört hat. Vorzüglich interessant waren die Monologe des Kunz und der Gertrud aus dem noch ungedruckten Trauerspiel von Werner: Die Wirkungen des Vaterfluches*.
Den 9. Aprill gab Herr Joseph Went, Sänger ständischen Theaters im Redoutensaale eine musikalische Abendunterhaltung, von welcher schon der Anschlagszettel so merkwürdig ist, daß wir denselben dem Publicum nicht vorenthalten wollen. 1) Aus der Oper Aschenbrödel, Ouverture. 2) Aus der Oper: Vestalinn, Duetto ("Mich will der Freund &c.), gesungen von Herrn Grünbaum und Went. 3) Beliebte Polonaise, gespielt von Herrn Kral. 4) Lachende (?) Arie aus der komischen Oper: Der ewige Bräutigam, gesungen – und wahrscheinlich auch componirt – von J. Went. 5) Ouverture als Gegenstück zu Mozarts Gedächtnißfeyer, mit mehreren geflissentlich entlehnten Ideen aus Mozarts Werken eigens hierzu componirt von Jos. Went. 6) Trio fürs Pianoforte, von Hummel, gespielt von einem zwölfjährigen hiesigen Tonkünstler Carl Maria von Boklet – welcher aber nicht erschien, so wie mehrere der vielen Stücke ausblieben. – 7) Der Capellmeister, ein Intermezzo, von Elmenreich*, wobey das Orchester auf komische Art(!) dirigirt wird, vorgetragen von Went. 8) Aus der Oper: Die Zauberflöte, Arie („In diesen heil’gen Hallen“), als Abschiedsscene an das hiesige Publicum mit einem hierzu passenden Text, gesungen von Hrn. Schreinzer. 9) Kinder-Simphonie unter dem Titel: Die Virtuosen von Bertolsgaden, componirt von Joseph Haydn, wobey folgende Instrumente vorkommen[:] Violino primo, Violino secondo, Basso, kleines Kindertrompetel, Wachtel, Kinderleyer, Orgelherne, Guckguck, kleines Vögerl, Cinellen, kleine Trommel, Triangel. 10) Quartett von Herrn Gänsbacher für Flöte, Violin, Viola und Guitarre, gespielt von Herrn Bayer, Janusch, Knische und Kutschera. 11) Der komische Landschulmeister, vorgetragen von Herrn Schmelka, Allram und Went. 12) Aus der Oper: Aschenbrödel, Marsch mit ganzem Orchester und 16 Trompeten. 13) Mozarts Gedächtnisfeyer, mit einigen aus den Werken Mozarts vorkommenden Ideen von C. Cannabich. 14) Finale, musikalischer Spaß von J. Haydn, wobey während der Musik vom Personale des Orchesters einer nach dem andern das Licht auslöscht, und sich mit seinem Instrument bis auf zwey Violinen aus dem Staube macht!!! Diese Ankündigung kann wohl als Muster für jede musikalische Abendunterhaltung gelten, und spricht zugleich den Geist des Concerts und des Concertgebers so rein aus, daß wir glauben, es sey überflüßig, noch etwas darüber zu sagen.
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Überlieferung
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Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 5, Nr. 82 (23. Mai 1813), S. 328
Einzelstellenerläuterung
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„… : Die Wirkungen des Vaterfluches“Der vierundzwanzigste Februar, Tragödie in einem Akt von Friedrich Ludwig Zacharias Werner, zuerst gedruckt in: Urania für 1815, S. 307–384.
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„… ein Intermezzo , von Elmenreich“Der Kapellmeister, Intermezzo in einem Akt, arrangiert von Johann Baptist Ellmenreich.