Bericht über die Klopstock-Säkularfeier in Quedlinburg (Teil 1 von 3)

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Korrespondenz und Notizen.

Aus dem Halberstädtischen, im Juli.

Es gibt manche, an sich unscheinbare Stellen, vielleicht einen Stein, einen Baum, einen Hügel, einen Wohnort, an welchen aber auf eine so geheimnißvolle Weise große Erinnerungen geknüpft sind, daß noch viele Jahre und noch mehrere Menschen vorübergehen, ohne bei dem Anblick des Steines, des Baumes, des Hügels, des Ortes eben etwas besonderes zu denken. Dann aber kommen einzelne Momente, wo, wie durch eine Zauberhand, jene großen, reichen Erinnerungen entfesselt werden, mit Pracht und Schall hervortreten und die Seelen mächtig ergreifen und durchdringen. Eine solche Stelle ist unser stilles, unscheinbares Quedlinburg, auf dem malerischen Vorgrunde der blauen Harzgebirge, zwischen wallenden Kornfeldern, von der Bode durchströmt, gelegen; und solche Momente der Entfesselung und des herrlichen Hervortretens erhabener, die Seele tief und mächtig ergreifender Erinnerungen waren die 2 ersten Tage des Julius 1824, der Feier des nun 100jährigen Geburtstages (1. Juli) unsers verewigten großen Dichters Klopstock, eines Quedlinburgers, geweiht. Durch die erhabensten und durch die süßesten Töne und Klänge rief ein Chor von Sängern und Musikern, wie an Zahl und an Trefflichkeit ihn selten eine Königsstadt in ihren glänzenden Hallen versammelt sehen möchte, der aber, in der kleinen, stillen Landstadt, sich, von frommer Verehrung des heiligen Sängers durchglüht, freiwillig und freudig eingefunden hatte, alle gleichgestimmte Herzen dorthin und feierte ein Erinnerungsfest, welches durch seine Großartigkeit des großen Sängers der Messiade, und durch die Vortrefflichkeit, womit diese musikalische Säkularfeier in allen ihren Theilen ausgeführt wurde, der versammelten Künstler und Künstlerinnen vollkommen würdig war. Auch der Ort der Feier war vortrefflich gewählt. Jener alterthümliche, hehre, auf emporragendem Fels gegründete Münster, wo unter dem hohen Chor, zu welchem man auf vielen Stufen wie zu einem Hügel emporsteigt, im Schatten der stillen, heiligen Krypta die Gebeine des Retters Deutschlands, zugleich des Gründers der Städte und der Friedenskünste, des frommen, freundlichen, tapfern Heinrichs, des Vogelstellers, an der Seite seiner treuen, himmlischgesinnten Mathilde ruhen; jene Felshöhe, zu welcher in der Zeit des höchsten Glanzes des sächsischen, des deutschen Kaiserhauses überhaupt, Heinrich und die 3 Ottonen, Sohn, Enkel und Urenkel, in ihrer Macht und Herrlichkeit oftmals hinaufgeritten sind, sich des anmuthigen Hinausschauens in sächsische Berge und Thäler und Wälder erfreut, die demüthigen Huldigungen der Völker empfangen, sie selbst aber in frommer Dankbarkeit ihre Knie vor Dem, Der ihnen Macht und Sieg verliehen, im heiligen Münster gebeugt haben.

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 24, Nr. 140 (19. Juli 1824), Sp. 1127

Textkonstitution

  • „Juli“sic!

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.