Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „La testa di Bronzo, osia la Capanna solitaria“ von Carl Soliva am 28. März 1818

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Am 28. März. La testa di Bronzo, osia la Capanna solitatria. Heroisch-komisches Melodram (?) in 2 Aufzügen, mit Musik vom Kapellmeister Carl Soliva. Der Inhalt dieser Oper ist nicht neu, obgleich hier noch unbekannt. Schon vor mehrern Jahren erschien sowohl auf der Bühne, als im Druck, in Wien ein Schauspiel desselben Inhalts, unter dem Titel: Der Kopf von Bronze, oder der ungarische Deserteur; fand aber wenig Beifall und blieb daher unbekannt. Hier erscheint nun dasselbe von Italien aus in musikalischem Gewande, wodurch es nun freilich eine andere Ansicht und ein neues Interesse erweckt.

So wenig sich es aber auch in Erfindung und Ausführung auszeichnet, so bietet es dennoch dem Componisten mehrere treffliche Momente dar, in denen er Talent, Geist und Einsicht auf die wirksamste Art zu entwickeln, hinlängliche Gelegenheit hat. Zu wenig aber hat Herr Soliva diese Momente benutzt. Die sehr verschiednen Charactere der handelnden Personen sind nicht scharf genug gezeichnet, und weder mit Bestimmtheit aufgefaßt noch mit Festigkeit durchgeführt. So ist zum Beispiel das erste Duett zwischen Adolfo und Herrmann im zweiten Auftritt des ersten Akts, von den Worten: Or non sa più resistere etc. im Character wenig oder fast gar nicht von dem Duett der Floresca und des Federico im fünften Auftritt des zweiten Akts, von den Worten an: Lascia, oh Dio, etc. verschieden. So wetteifern selbst im ersten Duett Adolfo und Herrmann in gleichartigen, glänzenden (und dem Character beider gar nicht angemessenen) Passagen und Rouladen, während die innern Gefühle und der ganze Character Herrmanns doch ganz andrer Art sind, als die Gefühle und der Character des Fürsten. Zu wenig hat der Componist den dramat-ästhetischen, und ich möchte selbst sagen psychologischen Ausdruck der Gefühle, Leidenschaften und Situationen berücksichtigt, und zu häufig dies alles dem Streben nach harmonischem Glanze, der Kehlfertigkeit der Sänger und dem Modegeschmack des größern Publikums geopfert. Kleinigkeiten können oft zeigen, ob der Componist mit Einsicht gearbeitet hat. So wird hier z. B. im sechsten Auftritt des ersten Akts, wo Federico aus der verborgnen Fallthüre heraufsteigt (während seine Gattin voll schwankender Erwartung, noch immer nicht weiß was Herrmann will) die Wirkung der Ueberraschung durch ein unzeitiges Ritornell zu dem Ausruf: Floresca! – Federico! – Oh sposa mia etc., durchaus zerstört und einer der feurigsten, lebendigsten Momente frostig und schleppend. Angemessener wäre es unstreitig gewesen, wenn Hermann schon unter den letzten Worten des ¦ vorhergehenden Recitativs: „Silenzio! è questa l’unica ascosa via“ nach der Büste ginge, die Fallthüre nur nach wenig Zügen des Schlüssels sich rasch öffnete, und nun bei dem Heraustreten des Federico, ohne alles Ritornell (höchstens nur nach einem rasch und kräftig einfallenden Accord, beide Liebende mit dem Ausruf: Floresca! – Federico! etc. rasch und feurig einfielen, nicht aber, wie es hier der Fall ist, erst ein Ritornell von acht bis zwölf Tacten gemächlich abwarten, ehe sie sich dem Ausbruch freudiger Ueberraschung überlassen. So ist wohl auch das oben erwähnte passagenreiche, lang und brillant ausgeführte Duett von Floresca und Federico im fünften Auftritte des zweiten Akts, nicht der Situation angemessen. Die Freude der Liebenden über die zu hoffende nahe Vollendung ihrer, bereits halb gelungenen Rettung, ist doch immer noch mit einiger Furcht vor einem noch möglichen Scheitern ihrer Hoffnungen gemischt; sie haben nicht zu zögern, wollen sie die Rettung vollenden, und können erst dann sich so ganz mit Ruhe und ohne Einmischung anderer Gefühle ihrem Entzücken überlassen, wenn sie erst jenseits der Donau in vollkommner Sicherheit, vor den Verfolgungen des Fürsten, sind. Noch viele Belege zur Rechtfertigung obiger Bemerkung könnte Referent anführen; doch würde dies den Raum und Zweck dieser Blätter überschreiten, und sie gehören daher in eine eigentliche technische Recension. Uebrigens wollen wir durch die hier angeführten Bemerkungen keineswegs den Stab über diesen neuen, dem Vernehmen nach noch jungen, und für die Folge wohl Gutes versprechenden Componisten gebrochen haben, sondern bemerken andrerseits mit Vergnügen, daß diese Musik des Herrn Soliva in Hinsicht der harmonischen Bearbeitung, sich sehr vortheilhaft durch harmonische Fülle, Solidität und gute Instrumentirung vor den meisten, blos klingelnden, ephemerischen Werken der neuesten italienischen Operncomponisten auszeichnet. Seine Harmonie ist (wenige Kleinigkeiten abgerechnet) rein und kräftig. Die mitunter sehr fremdartigen Modulationen sind mit Gewandheit und Geschicklichkeit geführt, die Instrumentation ist gut, zum Theil brillant und wirksam, nur mitunter etwas zu reich. Aus allem diesen leuchtet eine solide, (in Italien jetzt seltne) gründliche Kenntniß der Harmonie und Gewandheit in der Handhabung derselben hervor, und Refer. glaubt nicht ohne Grund zu präsumieren, daß Herr Soliva die Werke deutscher Meister (besonders Mozart’s) studirt und zum Vorbilde genommen habe, wodurch er, bei zunehmender Erfahrung, gewiß in den Stand gesetzt werden wird, durch eine glückliche Verbindung der Lieblichkeit italienischer Melodie mit der Kraft deutscher Harmonie, die wahre Bahn zu finden, und so Bedeutendes zu schaffen.

F.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „La testa di Bronzo, osia la Capanna solitaria“ von Carl Soliva

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 91 (17. April 1818), Bl. 2v

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