Korrespondenz-Nachrichten aus Dresden vom 12. Februar bis 8. März 1817

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Dresden. Griselda von Pär folgte auf die Fratelli Rivali von Winter, worin der neue Tenorist, Hr. Ricci, der aus Rom gekommen und bey unserm Theater in der italien. Oper auf ein Jahr engagirt worden ist, debütirte. Er trat in der Rolle des Marchese Gualtieri auf, die ehedem Hr. Benelli spielte. Nach unsrer Kenntnis von Theater und Musik, so wie nach der Offenherzigkeit und Unparteylichkeit, womit wir über solche Gegenstände zu sprechen pflegen, muss unser Urtheil von dem, einiger hiesigen Beurtheiler, etwas verschieden seyn. Diese, wie viel Talente und Einsichten ihnen auch sonst zuzugestehen seyn mögen, scheinen doch von Musik nicht eben gründliche Kenntnisse zu besitzen, und wir trauen ihnen zu, dass sie dieses allenfalls selbst gestehen würden. Gleichwol, wenn nun einmal ein Journal, und mit erklärter besonderer Beziehung auf Oertliches, geschrieben wird, so will doch auch etwas über Gegenstände dieser Kunst am Orte geschrieben seyn! Nun, ein jeder nach seiner Weise; und indem wir Andern die ihrige lassen, nehmen wir nur gleiches Recht für die unsrige in Anspruch. Hrn. Ricci also halten wir vorerst für keinen guten Schauspieler, und da er, was Bewegungen anlangt, fast unbeweglich dasteht, da er überhaupt im Mimischen so weit zurück ist, dass selbst einige der besten und interessantesten Theile der Oper aufgeopfert wurden: ¦ so können wir ja nicht anders. Als Sänger betrachtet, zeigt er eine nicht jugendliche, nicht sonore, wol aber schwache Stimme, die nicht selten zittert und detonirt: doch verkennen wir auch nicht die dargelegten Erweise von guter Schule. Zu diesen gehört aber keineswegs, dass er unaufhörlich Verzierungen anbringt, und wirklich keine Periode, nicht nur in der Arie, sondern selbst im Recitativ, ganz ohne dieselben lässt. So viel von seiner ersten Rolle: wir wünschen von den folgenden mehr Günstiges berichten zu können. – Mad. Sandrini spielte die Griselda in beyden Vorstellungen mit Gefühl, schönem Ausdruck, und ganz, wie es der Charakter verlangt. In Rücksicht ihrer Stimme wiederholen wir: sie ist schwach, und das erwies sich auch dadurch in dieser Oper, dass sie mehre Stellen in der tiefen Octave singen und andere weglassen musste, vorzüglich im Terzett des ersten Aufzugs, mit den Worten: quel che piace a mio marito, in der Arie des 1sten Aufzugs: quello sguardo, im Duett des 2ten Aufzugs mit Giannucolo etc. Am besten führte sie die Arie des 2ten Aufzugs: Sù Griselda, coraggio, aus; vielleicht hatte sie sich, wie man sich auszudrücken pflegt, bis dahin hinaufgesungen. Hier bemerkte man auch jenen Mangel nicht so, wie sonst, dass sie die Töne nicht gut binden kann; nämlich: Vielleicht erholt sie sich, wenn sie nicht zu oft singt und einige Zeit ausruht: denn für uns wäre es sehr zu bedauern, wenn diese so brave Künstlerin die Stimme verlöre. Wir können nicht unterlassen, anzuführen, dass unser berühmter Künstler und Concertmeister, Hr. Polledro, durch sein Violin-Solo, womit er dieses Stück begleitete, es sehr verschönerte. Er spielte mit so viel Präcision, Haltung, Grazie und Ausdruck, und verband mit der Melodie so schöne, von ihm erfundene Verzierungen mit vollkommenem kunstmässigem Gesange, dass er die Zuhörer entzückte und allgemeinen Beyfall erhielt, welchen sich auch Mad. Sandrini erwarb. Mad. Schüler-Biedenfeld spielte die Rolle der Herzogin gut; doch fanden wir, dass die im 1sten Aufzuge von ihr eingelegte Arie ihrer Stimme nicht ganz günstig war, weil diese in einigen Tönen in der Intonation nicht ganz richtig war. Dennoch erheilt sie Beyfall. Hr. ¦ Benincasa, als Giannucolo, that sein Möglichstes, um gut zu spielen: aber da wir die Rolle sonst von unserm braven Buffo, Bonaveri, hatten spielen gesehen, so machte er nicht den grössten Eindruck. Hr. G. Sassaroli hatte die Rolle des Grafen.

Auf Griselda folgte Spontini’s Meisterstück, Cortez. Sollten wir von dieser originellen Musik sprechen, wo besonders die beyden Charaktere, des Spaniers und des Amerikaners, so geistreich gesondert und durchgeführt, auch immer mit dem rechten Ausdrucke der Melodie dargestellt sind: so könnten wir nur wiederholen, was wir über diesen berühmten Meister sowol im Jahre 1814, Num. 48, Seite 800, als im Jahre 1815, Num. 52, Seite 873, gesagt haben. Wir wollen also blos hinzusetzen, dass wir dem Hrn. Kapellm. Morlacchi für den Eifer und die Thätigkeit sehr verbunden sind, womit er diese Oper dirigirte, und mit Genauigkeit und Liebe ausführen liess; was auch das Publicum, zu unsrer Freude, anerkannte. Alle drey Vorstellungen waren sehr zahlreich besucht. Wir könnten nicht umhin zu wiederholen, dass Mad. Sandrini die Amazili mit grosser Kunst spielte, mit Gefühl und gehörigem Ausdruck sang und declamirte, und, um die gewünschte Wirkung hervorzubringen, im Gesange ihre Stimme so anstrengte, dass man sie durch das starke Instrumentale gut durchhörte. Sie erreichte ihren Zweck und grossen Beyfall. Hr. Benelli, als Cortez, zeigte sich, als Sänger und Schauspieler, diesmal ganz besonders vortheilhaft und fand den verdienten, allgemeinen Beyfall. Besonders zeichnen wir aus, dass er den Charakter so sicher und wahrhaft nationell fasst; im Gesange aber, seine schöne Declamation in der Arie des 1sten Acts mit dem Chore und den Worten: Voi tradir un destin etc. Hr. Tibaldi spielte als Telasco sehr gut; vorzüglich zeichnete er sich in der Haupt-Arie des 3ten Acts und im Duett mit Amazili aus. Hr. Benincasa, als Moralez, gab den würdevollen Spanier, wie es seyn soll, und intonirte im Recitativ besser, als anderemal in dieser Oper. Die gefangenen Spanier, Hr. Miecksch, Hr. Decavanti und Hr. Löbel, sangen das schöne Terzett des 3ten Acts mit mehr Ordnung und Einheit, als sonst. Die Choristen trugen jedes Chor mit vieler Präcision vor, und das Orchester zeigte durch die schöne Einheit sein Bestreben, diese schwierige Musik ganz nach Verlangen aus¦zuführen. Es schien dem Publicum auch wirklich nichts mehr zu wünschen übrig.

Nach Cortez wurde Il Portator d’acqua von S. Mayr wiederholt. Wir beziehen uns in Ansehung dieser Musik und ihrer Ausführung auf das, was wir im vorigen Jahre in No. 45, Seite 763 gesagt haben.

Am 24sten Februar gab die deutsche Gesellschaft Fanchon, oder das Leyermädchen, ein Vaudeville in 3 Acten von Kotzebue, comp. von Himmel. In diesem, schon lange in Deutschland mit Recht beliebten Stücke debütirte Dem. Lindner aus Cassel als Fanchon. Im Gesange können wir sie keineswegs rühmen, denn sie zeichnet sich weder durch Stimme, noch Methode aus; was freylich jetzt noch auch bey den meisten andern Mitgliedern dieses Instituts der Fall ist. Als Schauspielerin hingegen schätzen und ehren wir sie. Selbst die seconda’sche Operngesellschaft führte Fanchon im Gesang weit besser auf; Dem. Lindner erreicht Mad. Cramer nicht, eben so wenig Hr. Wilhelmi, Hrn. Gerstäcker, und das Nämliche gilt auch von den übrigen.

Mit Theilnahme erfahren die wahren und sachverständigen Freunde der Tonkunst so eben, dass Hr. Klengel, der wackere Componist und vortreffliche Klavierspieler – wie Sie wissen, des verdienten Veterans unsrer Landschaftmaler, des Prof.s Klengel, Sohn, und Clementi’s Schüler – als Hoforganist hier angestellt worden sey. So sammlet sich auch bey uns, wenn, dem natürlichen Lauf der Dinge nach, Manches vergeht oder veraltet, ein neuer, allgemach immer erweiterter Kreis jüngerer, vollkräftiger Talente, durch eine einsichtvolle und wohlwollende Verwendung der hier vorhandenen Mittel.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden it./dt. Oper zwischen 12. Febr. und 8. März 1817

Entstehung

vor 26. März 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 19, Nr. 13 (26. März 1817), Sp. 222–225

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