Johann Gottfried Wohlbrück an Ernst Schleiermacher in Darmstadt
München, Dienstag, 22. August 1815
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Wohlgeborner Herr.
Höchstzuverehrender Herr Geheimer CabinettsSecretair!
Ein erhaltener Urlaub für die lezten 3 Monate dieses Jahres, den ich zu einer Reise nach Berlin und zum Besuch einiger Theater des nördlichen Deutschlands zu benutzen denke, führt mich gegen die Mitte des Octobers durch Darmstadt. Unausprechlich beglückt würde ich mich fühlen, wenn die Gnade Sr Königlichen Hoheit des Großherzogs mich würdigte, in dem Tempel, den Höchstdieselben den dramatischen Musen geweiht, als Gast erscheinen zu dürfen. Die vielen Beweise unschäzbaren Wohlwollens, welche ich von Ew. Wohlgeboren ausgezeichneter Güte empfangen, machen mich so dreist bey Denenselben anzufragen, ob es zu wagen sey Sr Könglichen Hoheit meinen Wunsch vorzutragen. In diesem glücklichen Falle, wird Ew. Wohlgeboren vielvermögendes Vorwort‡, welches mich der Gnade des Huldreichsten Fürsten empföhle, am sichersten das ersehnte Ziel herbey führen, und im Vertrauen auf die anerkannte Milde Ihres Charakters, und auf den Schutz, den Sie als Kenner der Kunst, so gern ihren Sängern angedeihen lassen, wage ich es dieselben gehorsamst darum zu bitten. – Zugleich bin ich so frey eine kleine praktische Arbeit, die ich so eben vollendet habe, die einigen geistreichen Männern hieselbst gelungen geschienen und die der Tonkünstler C. Maria v. Weber in Musik zu setzen und ins große Publikum zu bringen unternommen hat, Ew: Wohlgeboren competentem Urtheil zu unterwerfen. Mit großer Aengstlichkeit denke ich daran, daß diese Arbeit, die sich an einen so erhabenen Gegenstand gewagt hat, öffentlich bekannt werden soll, und indem ich sie dem feinsinnigsten Kenner des Schönen vor Augen lege, scheine ich mir einem verzweifelnden Spieler zu gleichen, der entweder alles gewinnen oder alles verlieren will. bei einer einstigen Aufführung ist weniger zu wagen, weil da das Gedicht in dem verschönernden Gewand der Musik, wie mit einem Venusgürtel erscheinen wird und Carl Maria ist ein bekannter guter Weber; wie sichs aber ohne seine Drapperien ausnimmt, das wünsche und – fürchte ich fast von Ew. Wohlgeboren zu hören.
Noch bauze‡* ich ein Blättchen mit einem kleinen Verzeichniß von Rollen, aus denen, in dem erfreulichen Falle der gnädigsten Gewährung meines Wunsches, zu wählen ist, hier bey. Dero Schutz und fortdauerndem Wohlwollen mich ehrerbietigst empfehlend, bitte ich die Versicherung der höchsten Achtung zu genehmigen, mich welcher ich mich glücklich schätze zu seyn
Ew. Wohlgeboren
dankbarster und gehorsamster Diener
GWohlbrück.
München den 22t August
1815.
[Beilage 1: Rollenverzeichnis]
Im Abbé de L’Epee | de l’Epée |
Amerikaner | Herb |
Dienstpflicht | Rath Dallner |
Epigramm | Hippeldanz |
Erinnerung | GhRth Seger |
Essighändler | Dominique Vater |
Geitzige | Fegesak |
Glück bessert Thorheit* | Gouverneur |
Hausfrieden | HofR. Stahl |
Jäger | Oberförster |
Klingsberge, die beiden | Klingsberg Vater |
Lästerschule* | Baron |
Laune[,] üble* | GhRth Edelschild. |
Lorenz Stark | Hr. Stark. |
Nathan der Weise | Nathan. |
Pagenstreiche | Stuhlbein |
Poet, der arme | Kindlein |
Polterer der gutherzige | Morhof |
Reue und Ersatz | Fest‡ |
Stanislaus[,] König* | Montroc |
Soldatengefängnis* | Bellaccaille‡ |
Verbrechen aus Ehrsucht | Oberkommissair |
Versöhnung | Wittburg |
Vetter in Lissabon | Wagner |
[Beilage 2: Text zu "Kampf und Sieg" JV 170]
Kampf und Sieg
Cantate
zur Feyer der Vernichtung des Feindes
Im Jahre 1815.
Völker Chor.Reißt wieder sich die Zwietracht losUnd störet Gottes Frieden?Noch nicht genug des Blutes flußVom Norden bis zum Süden?Du hast aus deinen Himmelshöh’nDer Völker Qual und Kampf gesehnO Herr! Ist nicht genug geschehn?Für Fried und Freyheit floß das Blut,Du schenktest Sieg dem frommen Muth,Und wieder droht der Hölle WuthRecitatif.Der Glaube.Völker! Verzaget nichtZweifelt, und klaget nicht:Wasnicht genug geschehnMuß zur Vollendung gehn.Bäumet des Bösen MachtSich aus dem Reich der NachtGegen das LichtGlaubet: Sie bricht.Drey Stimmen.Glaube. Liebe HoffnungBrüderlich, Hand in Hand,Von edlem Zorn entbranntWalten die Herrscher der Erde.Eintracht ist SiegespfandGott ist euch zugewand,Spricht zu den Guten: es werdeKrieger Chor.Wohlauf! Wohlan! das Schwerdt gezücktFest Mann an Mann geschloßen!Die Hyder in den Staub gedrücktVon wannen sie entsproßenHorcht! ... das war Freundes‡ JubelklnagNaht über Berg’ und Thal entlangAus Welschland tönet Siegsgesang.-----es naht der Feind in wilder WuthWähnt uns noch nicht gerüstetHa! Wie es ihn nach unserm BlutNach unrer Freyheit lüstet!Wie fletschet er den Schlangenzahn!Verzweiflung treibt ihn wüthend anMit Gott sey unser Werk gethan.-----Aus der Ferne tönt ein kecker verwegener Marsch des FeindesWährend deßelben singen die Krieger aus Th. Körners Gebet:Wie auch die Hölle braustGott! deine starke FaustStürzet das Gebäude der LügeFühr’ uns Herr ZebaothFühr’ uns dreyeinger GottFühr’ uns zum Kampf und zum Siege.Wüthender Angriff des Feindes. Schlacht. Heißer Kampf.Noth der Krieger. Uebermuth des Feindes. Dazwischen:
Ausruf der Krieger.Des Feindes Spott! Verläßt uns GottO Höllengraun! Die dir vertraun!----Des Feindes Hohn nimmt überhand – Hörnerschall, erst aus der Ferne, dann immer näher.Die Krieger.Ha! Welch ein Klang!Auf Windes FlügelnSprengt’s von den HügelnDie Flur entlangDie Fahnen wallenDie Hörner schallen;O Himmelslust in Todesdrang:Das ist Freundes muthiger Schlachtengesang!
Dumpfes Brausen der Schlacht, bis zu einer Pause erlöschend
dann erneut sich plötzlich der Kampf mit dem
Stille nach dem Siegeskampf. –
Recitatif.Der Glaube.Söhne des Ruhms!Die aus den Wehn der SchlachtBlutend der Sieg gebracht,Nicht auf die Wunden hin,Blickt auf den HochgewinnWie die Gebärerinlächelnd das Weh verschmerztWenn sie ihr Kindlein herztHeilig Vollendete!Die ihr das LebenIn feurigem StrebenDem Glück der Menschheit dahin gegeben,Mitwelt und Nachwelt, Nahe und FerneBlicken auf euch als auf leuchtende SternePreisen euch als der Jahrhunderte GlanzWo ewiger Friede istWo keine Thräne fließtSich jede Wunde schließtdort, in der Unsterblichkeit ewigen Hallen,Wo Herrmann und Alfred‡, die Siegenden, wallen,Winkt euch die Palme, lohnt euch der Kranz.-----Drey Stimmen.Glaube. Liebe. Hoffnung.Des Herren Werk ist Wo auch nur zwey im festen BundVereint sind mir zu dienenDa bin ich unter ihnen. *Die ihr der Unterdrücker MachtZu fällen, ausgezogen,Seht ihr in HimmelsfarbenprachtDes alten Bundes Bogen? **Ihr hab des Herren Hand gesehnIhr mußtet wohl im Kampf bestehn.Es mußten in’s Verderben gehnDie zum Verderben kamen.In Eintracht ward der Sieg vollbracht,Das ist der Tag den Gott gemacht,Das ist des schönen Bundes Schlacht:preißt Völker, Gottes Namen!Völker Chor.Herr Gott! dich loben wirEwiger Urquell des Guten!Nimmer verlöschen im MenschengeschlechtDie gefühle für Wahrheit und Recht:Deines Odems heilige GluthenHerr Gott! wir danken dirDu hast des Unrechts Macht gefälltDaß wir auf den geweihten AltärenEwig die heiligen Gluthen ernähren:Gieb und erhalte den Frieden der Welt.Apparat
Zusammenfassung
ein Urlaub führe ihn Mitte Oktober durch Darmstadt, wo er gerne Gastrollen geben würde; zugleich legt er ihm eine kleine Arbeit bei, die er gerade vollendet habe und die Carl Maria von Weber in Musik setzen werde und unterwirft sie dem Urteil Schleiermachers; zweifelt, ob das Werk ohne die Musik bestehen könne; legt auch ein Rollenverzeichnis bei; / Vermerk Sch's: abgelehnt, 30. August
Incipit
„Ein erhaltener Urlaub für die lezten 3 Monate dieses Jahres“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Textkonstitution
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„Vorwort“unsichere Lesung
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„bauze“unsichere Lesung
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„Fest“unsichere Lesung
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„Freundes“unsichere Lesung
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„Alfred“unsichere Lesung
Einzelstellenerläuterung
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„… Noch bauze“vermutlich durchpausen gemeint.
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„… Glück bessert Thorheit“Lustspiel in 5 Aufzügen von Friedrich Ludwig Schröder (1781).
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„… Lästerschule“Die Lästerschule. Lustspiel in 5 Aufzügen aus dem Engl. des Richard Brinsley Sheridan von Leonardi (1782).
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„… Laune , üble“Ueble Laune, Schauspiel in 4 Akten von August von Kotzebue (1803).
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„… Stanislaus , König“König Stanislaus oder List und Liebe, Lustspiel in 3 Aufzügen, frei nach Alexandre Duval von Johann Wenzel Lembert (1810).
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„… Soldatengefängnis“Das Soldatengefängnis oder die drey Gefangenen, Lustspiel in 5 Aufzügen nach dem Franz. des Emmanuel Dupaty von Friedrich Ludwig Mayer (1806).
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„Bellaccaille“recte „Belaccueil“.