Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Das Vogelschießen“ von Heinrich Clauren am 15. April 1819 (Teil 2 von 2)
Das Vogelschießen.
(Beschluß.)
Die Darstellung selbst geschah mit vieler Liebe und war fast in allen Theilen eine gelungene. Der Blick verweilt freilich am meisten bei den komischen Parthieen. Und hier zeichnete sich vor allen Herr Geyer, als Amtsverweser und Schützenlieutenant, aus. Schon sein Aeußeres erregte unstillbares Lachen. Der militärische, komische Petitmaitre einer petite ville sprach sich so höchst belustigend darin aus, daß diese Figur durch den Grabstichel festgehalten zu werden verdiente. Aus demselben Guß war auch Benehmen und Rede, und machte dadurch einen höchst ergötzlichen Contrast zu dem plumpen Landjunker von Stauden, den Hr. Kanow mit kräftiger Haltung gab. Auch Hr. Geiling ließ, als Trampel, den frühern, freilich nur im Stalle großgezogenen Hofmann mit komischer Karikatur durchblicken, und seine lange, magre Gestalt in dem eng anliegenden Schützenrocke bezeichnete das Stelzenartige seines Benehmens recht gut. In gleichm Geschmack war die ganze Schützencompagnie lustig karikirt. Mild macht Lottchen Wollanck den Uebergang aus dieser Gemeinheit zu dem Edlern der höhern Stände durch reine, unverdorbene Natürlichkeit. Daß diese Rolle in den Händen der Mad. Schirmer war, ist genug gesagt, um für die zarteste und innigste Ausführung derselben Bürge zu seyn. Möchte man auch etwas Lieblich-Naiveres sehen, als die Art, wie sie dem Fürsten, den sie nicht kennt, die Liste der Uebelwollenden an seinem Hofe wieder wegnehmen will, aus Furcht, er möchte selbst darin stehen? Es riß zum lautesten Beifall hin. Ihr zur Seite stand frisch und freudig Hr. Julius, als Selting, mit der freien Unbefangenheit eines geistig hochgebildeten, moralisch unverdorbenen, auf sich selbst kräftig fußenden, jungen Welt¦bürgers. Die Personen des Hofstaats bildeten die dritte Stufe, edel und väterlich in der Rolle des Fürsten durch Hrn. Werdy, mild und freundlich, in der der Prinzessin durch Mlle. Schubert, den abgelebten Wüstling und Schmecker, halbfeigen Intriguant und vornehmen Ueberschauer fein wiedergebend in der Rolle des Rath Zeisig, durch Hrn. Pauly, und das unbesonnene, doch eben nicht böse, nach einem Manne angelnde Kammermädchen recht lieblich als Betty darstellend, durch Mlle. Emilie Zucker.
Die scenische Anordnung, welche besonders bei dem sichtbarwerdenden Vogelschießen, im 5ten Akte, ihre großen Schwierigkeiten hat, war sehr lobenswerth. Der Umtrieb bei einem solchen Volksfeste mit allen seinen kleinen Schattirungen, zeigte sich wahr und lebendig. Nur Schade, daß der enge Raum unsrer Bühne eine größtre Entfaltung und Ausbreitung nicht erlaubte, wodurch die einzelnen Gruppen dann und wann unverständlich wurden und sich zu sehr auf einen Punkt zusammendrängten. Es wäre wohl gut gewesen, wenn das Schießzelt ganz nach hinten verlegt worden wäre, ob man den Vogel selbst gesehen habe oder nicht, dadurch wäre Platz gewonnen, und das zu starke, die Unterredung der Schauspieler im Vordergrunde störende Schießen vermieden worden. Auch wird sich wohl in Zukunft der allerdings bei den meisten Vogelschießen lokale und in dieser Hinsicht recht gut angebrachte Bratwurst-Geruch etwas weniger stark äußern – Bei der gestörten Tanzscene, am Schlusse des dritten Akts, dürfte eine niedrigere und praktikable Decke zu wünschen seyn, damit man sähe, daß wirklich, wie Trampel sich beschwert, Löcher hineingebohrt sind, um den Merkur auf dem Drachen hinaufzuziehn. Außerdem war gewiß auch dieser komische Tanz recht vortheilhaft und effektvoll geordnet.
Th. Hell.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Das Vogelschießen“ von Heinrich Clauren am 15. April 1819 (Teil 2 von 2). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 102 (29. April 1819), Bl. 2v