Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 20. bis 22. Juli 1817

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Am 20. Juli. Auf dem Linkeschen Bade. Salomons Urtheil. Historisches Melodrama in zwei Aufzügen nach Caignez, Musik von Quaisin.

Ueber die Gattung des Melodrams läßt sich allerdings viel Nachtheiliges sagen, und wir dürfen auch nicht wünschen, daß es so allgemein werden möchte, als es in Paris ist, wo einige der Boulevards=Theater keine andere Gattung der Schauspiele als diese aufführen; sparsam gegeben und besonders von so charakteristischer Musik begleitet als die vorliegende wirklich ist, gewährt es jedoch eine nicht uninteressante Abwechslung und Unterhaltung. Trefflich wurden auch die Musikstücke unter Oberleitung des Hrn. Kapellmeister von Weber ausgeführt.

Man muß es den französischen Schaustückdichtern nachrühmen, daß sie recht oft glückliche Süjets auffinden, und eine gelungene Verwicklung zu erfinden wissen. Leider ist aber auf der andern Seite, bei denen, die solche Arbeit fertigen – denn die ersten Köpfe der Nation arbeiten nun einmal nicht für die Vorstädte – die Ausführung desto schwächlicher, die Diktion erhebt sich selten über das Gemeine, und an eigentliche dichterische Rede ist gar nicht zu denken. Caignez ist immer noch eine der bessern unter ihnen, aber er hat auch in diesem Stücke wieder den Beweis von dem abgelegt, was wir vorher gesagt haben. Es war zu verwundern, daß kein neuerer deutscher Dichter seinen Blick auf diesen Gegenstand warf, der so viele Seiten enthält, wo das Spiel der Leidenschaften in hohem Interesse sich entfalten kann. Hätte er es aber gethan, er hätte die biblische Erzählung zwar kaum zweckmäßiger für die Darstellung einkleiden können, als es in vorliegendem französischen Werke geschehen ist, aber wie ganz anders würde dann die Sprache geworden, wie weit ergreifender jede Scene behandelt, welch ein an und für sich gelungenes Seelengemälde entstanden seyn. Mit Vergnügen haben wir bemerkt, daß eine verständige Hand in den Hauptmomenten nachgeholfen, und den Dialog, namentlich am Schluß des zweiten Akts und bei Sena’s Erzählung im dritten mit den Schmuck der Poesie versehen hat. Freilich stechen diese Stellen gegen den übrigen Prosaismus sehr ab, aber da man ja ohnedem an solche Stücke keine ächtkritischen Forderungen macht, so darf man sich schon ohne Vorwurf dieser Stellen freuen. Beyde wurden auch von Mad. Hartwig als Sena überaus trefflich gesprochen, und jedes Herz fühlte sich mit wonnereicher Empfindung bis in die Tiefe bei den Worten: „Setze mich als Siegel auf Dein liebend Herz“ und denen die ihnen folgen, bewegt. Ueberhaupt giebt diese Künstlerin die Sena mit aller Glut des Muttergefühles, und trägt dadurch zu dem Hauptmoment, wo nach ihrem Schmerzensrufe: Tamira! der Knabe sey Dein! Salomo vom Throne herabsteigend sie als Mutter anerkennt, ungemein viel bei. Dieser Moment, in dem trefflichen Arrangement das wir hier sehr zu loben hatten, und das überhaupt im ganzen Stücke dem Anordner Ehre macht, ist wahr¦haft erschütternd, und wird nie ohne hohe Wirkung bleiben. Herr Hellwig giebt den Salomo mit Würde und Kraft, das Gebet im dritten Akt spricht er meisterhaft. Bei der reizenden Azelia, Mad. Schirmer, bedauert man nur daß sie blos zwei kleine Reden zu sagen hat. Die undankbare Rolle der Tamira ward von Dem. Christ mit Fleiß und Wahrheit gegeben. Recht liebenswürdig war Marie Bösenberg in ihrer Kinderrolle.

Am 22. July. Im Hoftheater. Das Strandrecht, Schauspiel in 1 Akt, von August von Kotzebue. Der geniale Ochsenheimer von dem wir zuerst die Rolle des Hayfischs darstellen sahen, wird uns noch stets unerreichbar darin bleiben, doch müssen wir bekennen, daß auch diesmal Herr Zwick sich viele Mühe gab, und einige gelungene Momente hatte.

Hierauf folgten: Die Standesproben, welche abermals mit großem Beifalle aufgenommen wurden.

Th. Hell

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden Auf dem Linkeschen Bade: „Salomons Urtheil“ von Louis-Charles Caigniez mit Musik von Adrien Quaisin am 20. Juli 1817 / Im Hoftheater: „Das Strandrecht“ von August von Kotzebue am 22. Juli 1817

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 187 (6. August 1817), Bl. 2v

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