Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 6. bis 14. Januar 1818
Am 6. Januar. Albrecht, Landgraf von Thüringen. Schauspiel in 4 Akten, von M. Stegmayer.
Am 7. Januar. L’Inganno felice, von Rossini, und l’Adelina, von Gererali. Es machte ungleich bessere Wirkung, daß heute diese Opern so auf einander folgten; die ernstere, characteristischere Musik der Adelina ist passender zum Schluß, so wie der raschere Gang der ersten zum Anfang. Beide wurden heute noch mit weit mehr Wärme und Sicherheit ausgeführt, als wie das erstemal. Die Musik von: l’Inganno felice, ist sehr angenehm; die Ouverture ist originell und schön. Auf ächt südliche Weise sind in der ganzen Oper die Saiteninstrumente oft „pizzicato“ behandelt, so daß Guitarrenklänge durch das Ganze zu wehen scheinen, während die schwellend sanften Töne der Blasinstrumente die Singstimmen treu begleiten. Das große Terzett: „Cieli, che miro!“ ist ein ächtes Theaterstück. Vortrefflich ist das komische Duett zwischen Tarabotto und Batone; diese scheinbar herzliche Vertraulichkeit, wodurch jeder nur den andern aushorchen will, dies Lachen, womit jeder etwas anderes meint, als er sagt, geben eine sehr belustigende Situation, welche nur in Tönen so ächt komisch ausgesprochen werden kann. Voll edeln Ausdrucks ist Isabella’s große Arie, und wahrhaft malerisch ist die Instrumentalbegleitung des Finale’s, dessen Einleitung schon, mit den sanftverhallenden Waldhornklängen, so ahnungsvoll zu uns spricht. Rossini’s liebliches Talent ist unstreitig zu dieser Gattung von Opern weit geeigneter, als zur tiefeingreifenden Tonsprache einer Opera seria.
Am 8. Januar. Helene, Oper in 3 Akten, nach Bouilly von Treitschke. Musik von Mehul. Schon früher beurtheilt bei den Darstellungen von Herrn und Madame Weixelbaum. Diesmal hatte die Rolle der Helene Demoiselle C. Benelli. Die Opernbühne darf sich freuen, sie als Mitglied zu sehen, möchte auch eben die tieffühlende, heftig bewegte Helene, als Mutter und Gattin, nicht eben die Rolle seyn, welche dieser jungen Künstlerin vorzüglich zusagte. Heitre, unbefangene, naive Charactere möchten für jetzt noch mehr das Fach der jugendlichen Darstellerin seyn. Aengstlichkeit – da sie zum erstenmale in einer deutschen Oper auftrat – schien auch auf ihre wohltönende Stimme einzuwirken, die im dritten Akt sich hörbar freier bewegte. Herr Wilhelmi gab den Constantin mit Gefühl. Trefflich war das Spiel Herrn Hellwigs als Moritz, welches auch durch Herausrufen anerkannt ward.
Am 10. Januar. L’Inganno felice; und: Le donne cambiate.
Am 11. Januar. Zriny. (S. No. 9 dieser Blätter am Schluß.) Der auf dem Zettel ungenannte Darsteller, welcher den Bauer gab, sprach, da er unstreitig ein Anfänger ist, nicht ohne Verdienst, muß aber über seine Sprache wachen, daß er manche Worte durch Hastigkeit nicht undeutlich ausspreche. Peter Vilaky hatte dadurch, daß Herr Julius jetzt die Rolle gab, sein volles Recht erhalten. Auch sa¦hen wir Herrn Werdy zuerst als Mitglied der hiesigen Bühne als Uli Portuk.
Am 12. Januar. Rudolph von Habsburg*. Wegen Krankheit von Dem. Christ, hatte Mad. Vohs, ebenfalls zum erstenmale als neues Mitglied auftretend, die Rolle der Kunigunde übernommen, und gab sie mit vielem Anstande.
Am 13. Januar. Helene. Offenbar gelungener war nach besiegter Aengstlichkeit heut Spiel und Gesang der Dem. Benelli
Am 14. Januar. La Vestale, von Spontini. Diese Oper bleibt so einzig in ihrer Art, wie jedes klassische Kunstwerk im hohen Styl; nur die genialste Begeisterung konnte diese tieferschütternde Seelensprache dichten! Keine Einzelnheit darf hier herausgehoben werden, denn das ist eben das Zeichen des vollendeten Kunstwerkes, daß alle reichen, kühnen Mittel so gediegen zu einem großen Ganzen verschmolzen sind, welches in einem ununterbrochenen Strom der Begeisterung geschaffen scheint. Alles ist hier ächt grandios und in voller Harmonie einen ungestörten Totaleindruck gewährend. Mit regem Eifer und ächter Künstlerglut dirigirte heute zum erstenmale in der italienischen Oper, der Herr Capellmeister C. M. von Weber; seinen rastlosen Bemühungen haben wir das neugebildete Chor der Vestalinnen zu danken, welches die Wirkung des Ganzen ungemein verschönerte, da die jungen Sängerinnen die schweren Chöre nicht allein sehr wacker ausführten, sondern auch mit viel Anstand und Ausdruck in die Handlung eingriffen. Hätte man nur dasselbe von den Männerchor sagen können! bei diesem vermißte man schmerzlich die sonstige Pünktlichkeit und Sicherheit, und der ganze Schluß des ersten Aktes wurde durch die Verwirrung dieses Chores widrig gestört. So machte es gleichfalls bei so einer vollen Musik für einen großen Theil der Zuhörer eine sehr unangenehme Wirkung, daß die sonst so gutberechnete Stellung der Instrumente des Orchesters heute ganz verändert war. Dadurch, daß die Contrabässe, Violoncell’s und Posaunen, alle vereint, zwischen den Zuhörern und den sanfteren Instrumenten standen, übertäubten sie die letztern, die Wirkung der Flöten und Violinen litt dadurch sehr merklich, so daß alle sanftern Stellen im Verhältniß weit schwächer als gewöhnlich klangen. Doch der feinsinnige, allgemein verehrte Künstler ersetzte diese kleinen Mängel (die er selbst gewiß zuerst bemerkte) durch den glühenden Enthusiasmus, womit er alles leitete, und er wird gewiß selbst der erste seyn, jenen abzuhelfen. Herrlich war der Moment, wo die Vestalinnen den schwarzen Grabesschleier hoch über Giulia’s Haupt hielten und ihn langsam herabsinken ließen; die Gruppe sowohl als Giulia’s wie vernichtetes Niederstürzen, war höchst malerisch. Bei dem Gebet der Vestalinnen im dritten Akt hätten alle einmüthig niederknieen sollen. Ihre Bewegungen während des Kampfes waren sehr gut.
Mit warmer Theilnahme wurde diese herrliche Oper von dem Publikum aufgenommen; wäre das Herausrufen nicht in diesen Tagen so verrufen geworden, so wäre es heute gewiß der holden Sandrini geschehen, denn der Wunsch ihr zu danken war allgemein, wenn auch das Aussprechen desselben es nicht wurde.
C.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 6. bis 14. Januar 1818, dabei besonders über „La Vestale“ von Spontini.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 19 (23. Januar 1818), Bl. 2v