Vorschlag zu einer Vereinfachung und Bereicherung der Pauke
Vorschlag zu einer Vereinfachung und Bereicherung der Pauke.
(Original)
Dieses effektreiche Instrument ist zugleich so unbehilflich und unvollkommen, daß man nicht weiß: soll man sich mehr darüber wundern, daß es bei seiner akustischen, musikalischen und mechanischen Unvollkommenheit doch so wirkungsvoll ist, oder darüber, daß man ein so effektvolles Tonwerkzeug so lange ohne reelle Vervollkommnung in dem Zustand läßt, wie schon Vater Adam im Paradies gepaukt haben mag.
Auch die beste und möglichst rein gestimmte Pauke ist nie ganz rein und frei von ungehörigen Beitönen, ihr Ton ist nie deutlich; sie ist dabei gewöhnlich auf nur zwei Töne beschränkt, weßhalb der Componist sie oft grade da entbehren muß, wo er sie am besten brauchen könnte – oder er muß jeden weitern Ton durch einen dritten oder vierten Paukenkessel erkaufen, welche nicht immer leicht beizuschaffen sind, und überall hindern, da schon zwei Kessel Raum genug versperren! Endlich ist das Geschäft des Stimmens selbst höchst langweilig und unsicher.
Wäre es daher nicht wünschenswert diese Unvollkommenheiten beseitigen zu können? Es sey mir erlaubt, eine Idee der Prüfung des akustischen Gelehrtenpublikums zu unterlegen.
Zuerst von der Reinheit des Tons. man kann unser gewöhnliches Paukenfell (eine nach allen Richtungen gleichmäßig gespannte kreisrunde Membrane) als aus unendlich vielen, im Mittelpunkt sich kreuzenden, gespannten Saiten bestehend denken, und die Schwingungen desselben [s]o, als ob eben so viele Saiten schwängen als Durchmesser des Kreises denkbar sind, d. h. unendlich viele; mit andern Worten: man kann sie sich mit Recht so vorstellen, als schwänge wie jeder Durchmesser wie eine gespannte Saite. (Daß eine solche Membrane, nach Chladni §. 64 nicht aller Arten von Partial-Transversal Schwingungen fähig ist, wie eine Saite, nämlich nicht derjenigen wo die Saite sich in | gerade Quoten theilt, – kömmt hier nicht in Anschlag, da die Pauke keine harmonischen Beitöne anzugeben hat, sondern nur immer ihren tiefsten Ton; von Quoten also hier keine Rede zu seyn braucht). – Soll also eine solche Pauke rein klingen, so ist nöthig daß fürs Erste das Fell an jeder Stelle des Durchmessers, also überall ohne Ausnahm[e], gleich dick sey. Ein solches Fell zu erhalten ist aber so gut wie ganz unmöglich, – für’s Andre müßen alle Durchmesser durchaus gleich gespannt seyn, und eine nach allen Richtungen gleichstarke Elastizität haben. Auch diese zweite Bedingung wird jeder für unerreichbar gelten lassen; und doch ist es ohne beide unmöglich, daß alle Durchmesser, oder, mit andern Worten, alle Saiten aus welchen man sich das Paukenfell zusammengesetzt denken muß, einerlei Ton angeben. Daher kömmt denn ohne allen Zweifel das gewisse Unreine, Dumpfe und Unverständliche, was dem Klang der Pauken immer anklebt. – Sollte es aber nicht zu beseitigen und dabei doch das eigenthümliche Timbre, der majestätisch imponirende Charakter des Paukentons beizubehalten seyn?
Das Mittel, weit größere Reinheit des Tones zu erhalten, und dabei das Stimmen unendlich zu erleichtern; scheint ziemlich nahe zu liegen: Man setze an die Stelle der kreisrunden, nach allen Richtungen gespannten Membrane eine rechtwinklig viereckige, wie eine Saite, nur der Länge nach gespannt. Diese wird nicht nur 1) viel eher überall gleichmäßig gespannt werden können, als eine runde, wo die Saiten sich sämmtlich durchkreuzen, und das Anspannen des einen Durchmessers die ihn durchkreuzenden sämmtlichen übrigen Saiten mit aus ihrer Richtung zerrt und wieder verstimmt, und indem diese nachgestimmt werden, selbst wieder verstimmt wird, sondern 2) auch selbst das Geschäft des Stimmens wird dadurch unendlich vereinfacht, da es ¦ mittelst einer einzigen Walze geschehen kann, *) wobei allenfalls durch eine an entgegensetzten Ende angebrachte Schraubenvorrichtung nachgeholfen werden könnte, wenn etwa die Membrane an der einen Seite sich etwas stärker spannen sollte, als an der Andern.
Freilich wird, zugleich mit der Form des Paukenfelles auch wohl der Bau des Paukenkessels zu ändern seyn: allein was wäre dabei verloren? Noch zur Zeit wenigstens ist – (vorausgesetzt daß das Viereck doch möglichst breit gemacht werde) das Eine so wahrscheinlich als das Andre. Gewiß hingegen ist dieses, daß die länglich viereckige Form des Falles möglich machen würde, was bis jetzt unmöglich war: zwei, drei, vier, oder so viele Paukenfelle man will, auf Einen gemeinschaftlichen, oben viereckigen, unten rundgewölbten – allenfalls wohl durch Zwischenwände in so viel Fächer als Felle sind, abgetheilten – gemeinschaftlichen Kessel anzubringen, und so den Reichthum von eben so viel Pauken in einem Raume beisammen zu besitzen, welches jetzt vielleicht kaum für zwei einzelne runde Kessel genügt.
So gewiß dieser Vorschlag nur erst eine hingeworfene Idee ist, deren Brauchbarkeit erst noch durch Versuche ausgemittelt werden muß, so möchte sie einer solchen Prüfung doch immer werth, und zu wünschen seyn, daß Männer von ausgezeichneten Kenntnissen im Fach der Akustik, wie Chladni und Vogler und A. dieselbe einer nähern theoretischen und praktischen Prüfung würdigten.
Gottfried Weber.[Originale Fußnoten]
- *) Auf diese Art wär denn auch der Zweck der neuerlichen Münchner Erfindung, alle Seiten einer Kesselpauke mittels einer kunstreichen Verrichtung auf Einen Zug zu spannen, auf einem weit einfachen Weg erreicht.
Apparat
Zusammenfassung
1813-Gottfried-10: Vorschlag zu einer Vereinfachung und Bereicherung der Pauke.
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Wiener allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 1, Nr. 36 (8. September 1813), Sp. 289–290