Notizen über Basel. Ein Beitrag zur musikalischen Topographie
Notizen über Basel (als Beispiel) zur musikalischen Topographie.
(Skizze.)
I. a. Die Erlaubniß zum Concert muß beim Stadtpräsidenten nachgesucht werden, wird aber nicht leicht abgeschlagen.
b. Zum Locale dient der öffentliche Concert-Saal, welcher von der Direktion (von welcher unten) jedem Künstler unentgeltlich überlassen wird.
c. Die Bekanntmachung geschieht durch das Avisblatt, wenn es die Zeit erlaubt – Zeitung wird in Basel keine herausgegeben – sonst läßt der Concertgeber einen besonderen Zettel drucken, mit der Anzeige der aufzuführenden Stücke.
d. Die Unkosten sind nicht groß; für das Materielle hat man sich mit Herrn Kachel* abzufinden. Zum Orchester müssen die Liebhaber natürlich gebeten werden – die angestellten Musiker, welche erforderlich sind, erscheinen auch sehr oft, die mehreren wenigstens, unentgeltlich. – Hier hängt freilich alles von den Bekanntschaften ab, welche der Concertgeber hat; doch haben seit einigen Jahren welche Statt gehabt, die füglich in 3 Classen getheilt werden können. 1) Wenn es dem Concertgeber absolut um Geld und einige Thaler mehr zu thun ist, so kann durch Herumsendung der Subscription in den Häusern der Absatz der Billetts befördert oder erbettelt werden. 2) Ein Künstler, welchem die Umstände nicht erlauben, lange im Gasthofe auf’s Ungewisse zu zehren, wählt den Weg der Subscription, um zu erfahren, wie weit allenfalls seine Hoffnung gehen dürfe – und reist dann vielleicht ab, ohne ein Concert zu wagen. – Die 3. Art, welche aber zu den Ausnahmen gehört, ist blos für ehrenvoll bekannte Künstler, deren Besuch zuvor angekündet, oder für welche Musikfreunde gleich nach ihrer Ankunft – ohne Mitwirkung des Künstlers eine Subscription herumgehen lassen | – welche dann zu einer Art öffentlicher Empfehlung wird – daß solche aber nur für alte Bekannte Platz haben kann, versteht sich von selbst.
II. a. Das Concert oder eigentlich das Orchester steht seit 6 Jahren ganz unter der Leitung des Herrn Tollmann, dessen Eifer und uneigennützige Gefälligkeit jedem Künstler werth sein muß. Dermalen sind alle Partien besetzt – theils durch angestellte Musiker, theils durch Liebhaber. – Die Oboe fehlt. – Die Violinen, Violoncell, Horn, Flauto – sind wenigstens zu unserer Zufriedenheit besetzt. – Madame Hofmann war seit 6 Jahren als Sängerin engagiert.
b. Eine vorzügliche Vorliebe für ein Instrument kann man nicht bemerken – außer den Violinspielern von vorzüglicher Stärke, haben die minder bekannten Instrumente, das Violoncell, die Flauto und Horn, die wir seit einigen Jahren in schönem Vortrag zu hören das Glück hatten – sehr gefallen. Gute Sänger oder Sängerinnen – die bei uns rar sind, würden gewiß wohl aufgenommen werden. – Von Clavierspielern haben wir seit langem nichts Vorzügliches gehört. Der Saal ist auch diesem Instrument nicht günstig – und übrigens mangelt es an einem guten und zweckmäßigen Flügel.
c. Der Anfang ist gewöhnlich um sechs, im Winter halb sechs Uhr.
d. Das Arrangement für das Orchester kann am füglichsten Herrn Tollmann überlassen werden; – für das Materielle sorgt Herr Kechel‡, welcher auch in dieser Qualität von der Concert-Direktion angestellt ist.
e. Sechs Musikstücke, mit Inbegriff der Simphonie, sind genug – zu Zeiten sind auch schon oft acht aufgeführt worden – es kommt hier alles auf das Individuelle der Künstler an. |
III. a. Die beste Jahreszeit ist ohnstreitig der Winter, und besonders die letzte Hälfte im Oktober, weil dann noch
b. der Sonntag als der beste Tag gewählt werden kann, an welchem später die gewöhnlichen Concerte gegeben werden; sonst kann man den Mittwoch zu den bessern zählen.
c. Stehendes Theater haben wir keines, und wenn keine Truppe da ist, stehen auch die übrigen Tage frei. Gewöhnlich nimmt das Theater die Montage, Dienstage, Freitage. An den Donnerstagen wird meistens Ball gehalten, und Samstags ist die Concertprobe. Gesellschaften bringen öfter auch noch unvorhergesehene Hindernisse.
d. e. Die Einnahme ist sehr verschieden. . . Die besten mögen, denke ich, auf 200–250 Gulden steigen; es hat aber auch nur solche von 30–40 Gulden gegeben; 100 Gulden mögen so ziemlich in der Mitte stehen. Zu bemerken ist, daß, nach altem Gebrauch, der Preis‡ der Billetts nicht höher als auf einen Gulden gesetzt werden darf.
f. Für eine Bedienung‡ sorgt wie schon gesagt Herr Kechel‡, und auf einem billigen Fuß. Mad. Stockeisen ist die gewöhnliche Cassirerin, außerdem braucht man noch 2 Billetabnehmer.
g.‡ Im Winter könnte ein Concert in 2–3 Tagen zu Stande gebracht werden, besonders wenn ein Künstler schon mehr als genug bekannt, und allenfalls durch Correspondenz in etwas vorgearbeitet hat. Wenn man aber annimmt, daß ein solcher sich doch auch Connexionen in der Stadt verschaffen, sein Vorhaben so viel als möglich bekannt wissen, und ein Urtheil als Empfehlung herumgeboten haben will, so wird derselbe immer eine Woche zu seinem Aufenthalt widmen müssen.
IV. a. Ueber den Zustand der Musik im Allgemeinen, wagt Schreiber dieses kein Urtheil ex professo – um so mehr, da er hierüber manche Klage und manchen Wunsch für das, so geschehen und gethan werden könnte, – auf dem Herzen | hat – mündlich hingegen steht er zu jeder Erläuterung bereit. – Liebhaberei ist Liebe, aber auch nur Liebhaberei, und darum wird auch so wenig geleistet, weil Sinn und Liebe zur Kunst im Allgemeinen fehlt.
b. Im Winter wird jeden Sonntag ein öffentliches Concert gegeben, seit bald 100 Jahren, und so mag es einigermaßen ein stehendes Concert heißen. Dies Concert beruht einzig auf einer jährlich herumgesandten Subscription, und da der Ertrag derselben ungewiß, oft kurz vor der Eröffnung der Concerte bekannt ist, so hindert dieses auch manche gute Einrichtung – und besonders sichere Engagements von guten Musikern. Das ganze steht unter der Leitung einer Gesellschaft von 12 Musikfreunden, welche eine Concert-Direktion ausmachen. Sie besorgt die ganze Oekonomie des Concerts, stellt die bezahlten Musiker an – traktirt mit jenen, welche aus der Ferne verschrieben werden müssen – und ist die einzige Behörde, welche Verfügungen machen kann. – Sie hat aber für das Orchester einen eigenen Musik-Direktor, den sie bezahlt – dermalen Herr Tollmann – der allein das Orchester führt – und der Saal, Instrumente, Musikalien, Mobilien u.s.w. sind das Eigenthum der Direktion, nicht der Direktoren, – indem die Anstalt keine Privat-Spekulation ist. – Die allfallsigen Vorschüsse der Einnahme werden dann in den folgenden Jahren zur Verbesserung angewandt, oder aufgespart, um, was auch schon geschehen, ein Deficit in der Casse zu decken. – Das Abonnement ist für 16 Concerte 5 franz. große Thaler – Frauenzimmer und durchreisende Fremde, welche von Abonnenten eingeführt werden, bezahlen nichts. – Das Abonnement steht ohne Ausnahme jedermann offen. – Seit einigen Jahren hat sich die Concert-Direktion in dem leidigen Fall befunden – zu Erhaltung der nöthigen Anzahl von Subscribenten, Bälle mit dem Concert zu verbinden – und giebt gegen eine | Subscriptions-Erhöhung von zwei Thalern 8 Bälle, die aber nicht an Concert-Tagen, sondern als ganz für sich bestehend gegeben werden, doch kann niemand auf die Bälle ohne Concert, sub 3, wohl aber umgekehrt, und ist traurig, daß man so oft, um auf die Herzen der Menschen zu wirken, ihre Füße mit in Anspruch nehmen muß. Die gesammten Unkosten mögen sich jährlich auf 3–4000 Gulden belaufen.
d. Instrumentenmacher Krämer‡ , Immler, W. Kechel‡. resp. Geiger etc.
Apparat
Zusammenfassung
In dem Bericht werden die musikalischen Verhältnisse von Basel anhand der einzelnen Punkte des von Weber ausgearbeiteten Plans zum Noth- und Hülfsbüchlein systematisch in Prosa aufgeschlüsselt.
Generalvermerk
vgl. überlieferte Dokumente zum Noth- und Hülfsbüchlein (Weber-Schriften)
Entstehung
17. Oktober 1811 (laut TB)
Überlieferung
Themenkommentare
Textkonstitution
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„Kechel“sic!
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„… nach altem Gebrauch, der Preis“Das Wort „Preis.“ steht nochmals am linken Rand.
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„… f. Für eine Bedienung“Das Wort „Bedienung.“ steht nochmals am linken Rand.
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„Kechel“sic!
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„… g.“Am linken Rand steht „Zeit.“
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„Krämer“sic!
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„Kechel“sic!
Einzelstellenerläuterung
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„… man sich mit Herrn Kachel“Es ist unsicher, welcher von den Söhnen des 1795 verstorbenen Jacob Christoph Kachel hier gemeint ist, zumal am Schluss der Instrumentenmacher Kachel als „W. Kachel“ genannt wird. Als Instrumentenmacher wirkte Peter Kachel d. J.