Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Samstag, 8. bis Dienstag, 11. April 1826 (Nr. 18)
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Etwas ermüdet kome ich vom Eßen mit Fürstenau und Schleßinger nach Hause, denn ich hatte von 12[–]½ 4 Probe vom Oberon, und dann bis 5 Uhr von der Akademie Concert, — sezze mich in Smarts Stube ein bischen auszuruhen und, — nach einem Weilchen bringt man mir deinen lieben lieben No: 9 vom 27t das nenne ich eine Ueberraschung, und die Mukkin soll gar sehr belobt und bedankt sein für die Freude die mir dadurch wurde. Ehe ich den Brief hatte wollte ich eigentlich ein bißel mit dir zanken. Du sagst mir‡ nehmlich du seyst so brav. und Fürstenaus Frau schreibt wieder du seyst so ängstlich, und habest dich bei ihr so nach meiner Gesundheit erkundigt, daß sie mich bitte ich möge dir doch ja nichts schreiben was dich ängstigen könnte. Du lieber Gott, das hat mich wieder recht betrübt. ich plaudere mit dir meine Alte, wie zu Hause auf dem guten grünen Sopha, und klage dir wenn ich melan‡cholisch bin, einen bösen Tag habe, oder einmal tüchtig Huste. aber im Ganzen bin ich doch wahrlich gesund, und was soll ich denn schreiben, wenn ich meinem Herzen nicht ein bißel Luft machen darf ohne in Todes Angst zu seyn, daß du schlaflose Nächte und kummervolle Tage deßhalb hast. — Doch was hilft das alles. ich weiß wohl es ist umsonst geredet, deßhalb bedenke daß es mit Gottes hilfe die lezte Trennung ist. und wir immer beisammen bleiben wollen, bis der O‡ben es anderst befiehlt. Nun habe ich mich ausgeleert, und nun — Puntum! — und nun zu deinem No: 9. ob ich glaube daß der Oberon gut geht? allerdings. ich habe heute eine tüchtige Probe gehabt; und glaube daß die Musik wirkt. richtig soll die Oper Mittwoch d: 12 sein. Dienstag wird das Theater geschloßen, und eine vollständige AbendProbe mit Dekorationen und allem gehalten*. unglüklicher Weise geht nun dieser Brief also den Tag vor der Vorstellung ab, und du wirst 3–4 böse Tage haben, bis der Freytag Brief die hoffentliche Beruhigung bringt. ich bin ruhig. Oberon selbst ist nicht so bedeutend, und der Mann auch nicht, obwohl eine recht hübsche helle Tenorstimme, im Gegensazze zu Brahams Kraft und Donnerton. — ach, die lieben Hünerfüße, wie gern gebe ich die engl: Schillinge dafür hin*. aber höre höre! deine Unpäßlichkeit war doch nichts anders als der Husten? bitte bitte, sei so wahr als ich. — Große Gesellschaft. das ist recht. Hummel? — ja, ja,. — beßer Neider als Mitleider sagt das Sprichwort. habe noch keine Engländer gesehen die mir Grüße von dir und Carry brachten. — Also Lexel abgewöhnen? in Gottes Namen‡, einmal muß es doch geschehen. ich beklage dich dabei, und daß es nicht in Hosterwitz geschehen kann bei gleicher Milch. Doch der Kerl ist kräftig, ißt vortrefflich, und kann was zusetzen. Gott sei gepriesen, für deine Gegenwart des Geistes bei Max Bohnen Geschichte. es schauderte mich beim Lesen. dann aber laß Dich küßen‡ für die Prügel, die Mosje Max bekommen hat. Der Schlingel ist groß und verständig genug, zu folgen, und nicht solche | Streiche zu machen. Nochmals Gott und dir Dank und Preiß. gute Mukkin nimms nicht ungnädig, aber das ist doch gar zu dumm, an einem Abend wo die Oper nicht ist. aber vielleicht hätte sein können, Angst und Fieber zu haben. — wahrlich das Talent sich zu ängstigen besizzest du in einer solchen Virtuosität, daß gar nichts dagegen zu sagen als es anzustaunen ist. und gelegentlich die Ruthe dafür — Haue und in Bett. — —
Nein, wieder verrechnet, wenn der Brief zu mir komt ist das Loos noch nicht gefallen. immer Voraus mit der Angst. Gewiß liebes Herz, schone ich mich. und es geht mir auch recht gut. ich habe die Leute eine Menge Proben allein machen laßen, was ich sonst nicht hätte übers Herz bringen können; aber ich dachte, sie lernen doch etwas, und wie wärs denn wenn ich nicht da wäre? Nun heute habe ich allerdings einen harten Tag gehabt. weil die 2 Proben zusammen kamen, aber, — siehst du so seltsam ist dieser Husten. nicht einmal bis jezt habe ich gehustet. überhaupt werfe ich jezt viel aus, und recht ausgebrachten Schleim. — Nun gehe ich aber in Bett, bin recht herzlich müde, aber nicht abge‡spannt. Gute gute Nacht, Gott vergelte dir die Freude die mir dein lieber Brief gemacht. gute, gute Nacht! — —
d: 11t Guten Morgen herzliebe Lina! kaum komme ich dazu den Brief zu vollenden. habe viel zu thun, es geht nun aber zum Ende, und hoffentlich zum glüklichen. Morgen ist also wirklich — wenn nicht jemand krank wird, Oberon*. und dieser Brief muß nun gerade heute fort. Nun, mit der Freytags Post bekomst du vollständigen Bericht. und somit kann deine Unruhe Gottlob nicht lange dauern; auch glaube ich dich versichern zu können daß der Erfolg wohl günstig sein wird, und du vollkommen ruhig sein kannst. Doch zur Ordnung. Daß nun der Oberon fertig ist, kannst du denken. eine große Last ist mir vom Herzen. d: 9t Sonntag. schrieb ich die lezte Note von der Ouverture, und darauf pakte mich Smart gleich in einen Wagen, um von dem schönen Wetter zu profitiren*, und mich zu erholen vor Tische. und 5 Uhr aßen wir friedlich zusammen. dann machte ich Toilette, und wurde um ½ 9 Uhr zur Herzogin von Kent abgeholt. da waren viele Prinzen vom Hause*, und ich brachte einen äußerst angenehmen Abend zu. Die Herzogin sang viele von meinen Liedern, und auch ihre Tochter. ich spielte 4 mal*. und um 12 Uhr war es schon vorbey. Gestern d: 10t war ein bißele ein harter Tag. Braham hatte noch um eine Preghiera /: Gebet :/ gebettelt. /: da wo er bei der ohnmächtigen Reiza kniet im 2t Akt :/ und ich machte sie Morgens*. fuhr um 11 Uhr in die GeneralProbe die bis ½ 5 Uhr dauerte. die Dekorationen sind unvergleichlich. das Ganze geht sehr gut. Fürstenau war ganz elektrisirt, und fand Orchester und Chöre sehr gut. — dann nach Hause. umgezogen. Mittag 6 Uhr. bei General Murray. vortreffliches Dinér, wo ich mir es sehr gut schmekken ließ. von da ins Academie Concert. Wo ich zu Anfang des 2t Theils die Ouverture zu dem Beherrscher der Geister dirigirte. und die Arie aus Athalia die die Paton sang*. Beifall außerordentlich. die Overture mußte wiederholt werden. |
um 12 Uhr lag der Mensch im Bett. schlief gut. um 7 Uhr saß ich schon wieder heute Morgen am Tische und instrumentirte Brahams Gebet. Jezt pabse ich mit der Mukkin. um 12 Uhr habe ich Probe von der Ouverture pp.* und um 7 Uhr ist Generalißimus ProbeT mit Kostümen und Beleuchtung pp. Zu all diesem schenkt mir nun wirklich unser Herr Gott wunderbare Kraft und Ausdauer, und der Husten hat mich alle diese Zeit‡ gar nicht gequält, was doch wahrlich wunderbar ist. Vor ein paar Tagen hat mein Türkischer Waizen ein Ende genommen. und ich frühstükke nun das Arowrooth* was mir Gräve* in Berlin so empfohlen hatte. eben so habe ich mein leztes Dresdener Wäsche Hemd angezogen. kannst Du denken daß diese beiden Kleinigkeiten mir ordentlich nahe giengen? Doch bin ich bei weitem heiterer als vor einiger Zeit. eine große Last ist vom Halse geschafft, eine ähnliche soll mir so bald nicht wieder aufgebürdet werden, und was ich nun hier arbeite, kann ich nach Bequemlichkeit thun, und — ist für Geld. Geld, Geld, das ist jezt hier mein einziger Gedanke. ich bin ein wahrer Harpagon —. Ich bitte dich mir auch zu rathen was ich wohl unseren Freunden pp mitbringen kann. es werden doch fast alle, mehr oder minder was erwarten. ich habe schon an Rasir Meßer, Scheren und dergl. gedacht. bitte, sinne ein bißel nach, oder sondire die Leute.
Nun muß ich aber wahrlich schließen. Gratulire herzlichst meinem lieben Max zum Geburtstage. Küße ihn 100[0 mal]‡‡ und seegne ihn aus vollem Herzen + + +.
G[ott l]‡aße einen guten Menschen aus ihm werden. —
Meines guten Rothes Gesundheit freut mich unendlich.
grüße ihn bestens. Fürstenau wird nach der Oper schreiben.
ich umarme dich in Gedanken innigst. sei brav, und ängstige dich nicht unnöthig.
Ewig Dein
treuester Hammel.
Carl.
Apparat
Zusammenfassung
Privates und Gesundheitliches; Tagebuch 9. und 10. April: Ouvertüre beendet; Besuche, Preghiera komponiert; Probenarbeit; Akademiekonzert; Terminplanung für Generalprobe und Oberon-Uraufführung; Heimweh; Hoffnung auf guten Verdienst; Anfrage wegen Geschenken für deutsche Freunde
Incipit
„Etwas ermüdet komme ich vom Eßen mit Fürstenau“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 225Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelspur und -loch
- PSt: a) Rundst.: F 26 | 1 5 b) rechteckiger Stempel unleserlich
- Rötel- und Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenienz
- Weber-Familiennachlass
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MMW II, S. 681 (Auszug); Reise-Briefe, S. 150–154
Textkonstitution
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„mir“„dir“ überschrieben mit „mir“
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„an“„ch“ überschrieben mit „an“
-
„O“„o“ überschrieben mit „O“
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„… Lexel abgewöhnen? in Gottes Namen“Geminationsstrich zur Verdopplung des m durchgestrichen
-
„… dann aber laß Dich küßen“dreifach unterstrichen
-
„e“„s“ überschrieben mit „e“
-
„Zeit“über der Zeile hinzugefügt
-
„0 mal“ergänzt von den Hg.
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„… Küße ihn 100 0 mal“Textverlust durch Siegelloch
-
„ott l“ergänzt von den Hg.
Einzelstellenerläuterung
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„… mit Dekorationen und allem gehalten“Im Theatrical Observer, Nr. 1356 vom 11. April 1826 heißt es übereinstimmend zum Covent Garden Theatre: „This Theatre is to be closed this evening, in consequence of the great preparations making for the new Opera of Oberon, which is to be produced to-morrow night.“
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„… die engl: Schillinge dafür hin“Gemeint sind die Portoausgaben für die Briefe Caroline von Webers.
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„… nicht jemand krank wird, Oberon“Zur Besetzung der Hauptpartien vgl. u. a. die Uraufführungs-Rezensionen in The London Literary Gazette, and Journal of Belles Lettres, Arts, Sciences, Jg. 10, Nr. 482 (15. April 1826), S. 237; The Times, Nr. 12940 (13. April 1826), S. 2, Sp. F, auch The Examiner: a weekly paper on politics, literature, music and the fine arts, London, Nr. 950, 16. April 1826, S. 243.
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„… . ich spielte 4 mal“Im Tagebuch vermerkte Weber eine von ihm gespielte Polonaise (die Grande Polonaise oder die Polacca brillante) sowie zwei freie Phantasien (Thema: God save the King).
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„… und ich machte sie Morgens“Als Nr. 12 ½ in die Londoner Dirigierpartitur nachträglich eingefügt; vgl. Tagebuch 10./ 11. April 1826 .
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„… Athalia die die Paton sang“Zum Royal Academic Concert (Nr. 2 der Saison) in den Hanover Square Rooms vgl. auch die Programmübersicht im Quarterly Musical Magazine and Review von 1826 sowie den Konzertbericht in The Harmonicon, vol. IV, pt. 1, Nr. 41 (Mai 1826), S. 106f.
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„… ich frühstükke nun das Arowrooth“Arrow Root (Maranta arundinacea = Pfeilwurz); das daraus gewonnene Stärkemehl ist bekömmlicher als Weizenmehl.
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„… das Arowrooth was mir Gräve“Eduard Adolph oder Karl Gräve?