Carl Maria von Weber an Friedrich Rochlitz in Leipzig
Dresden, Freitag, 16. Oktober 1818

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S. Wohlgebohren

Herrn Hofrath Fried: Rochlitz

zu

Leipzig

Mein theurer lieber Freund!

Mit welchem Antheil, Freude und Nuzzen habe ich Ihre treffliche Beurtheilung meiner beyden lezten Sonaten gelesen, wenn immer so der Beurtheilende mit dem Schaffenden Hand in Hand gienge, gerne und liebevoll dem gewählten Wege folgend, freudig jeden guten AussichtsPunkt belobend, liebend vorsichtig auf die schadhaften oder gefährlich werden könnenden Stellen hindeutend, was könnte da nicht alles Gutes in der Kunst gedeihen.      Sie haben wahrlich den wahren Freund zum Richter erwählt gehabt, und ich war auf ein viel schärferes und hin und wieder mißbilligenderes Urtheil gefaßt daß ich mir selbst wohl schärfer gebe als irgend Jemand. So wie Sie es nun gestellt haben, haben Sie aber doch vollkommen Ihren Zwek erreicht, denn eine Andeutung ist schon hinlänglich bey dem was ohnedieß schon in mir fragt, so wie es bey der Richtung der Säule nur wenig bedarf um den Ausschlag zum geraden Stehen zu geben, ist sie einmal im Aufrichten begriffen, diesen Ausschlag nun aber so schonend zu geben und auf das Fehlende oder Zuviel so hinzudeutend, daß zugleich deutlich nun die Sorgfalt und Liebe für das Ganze hervorleuchtet kann auch nur ein Mann, der so fühlt wie Sie, und so Herr über das ist was er aussprechen will.      das Wenige was Sie ausstellten, unterschreibe ich vollkommen, obwohl ich wohl auch meine Gründe oder Entschuldigungen dafür beibringen könnte, die aber gegen die Wahrheit des Tadels gehalten, gar nicht erst der Mühe werth sind /: wenigstens schriftlich nicht, mündlich vielleicht einmal darüber :/ ausgesprochen zu werden.       Ich hoffe daß Sie in meiner Jubel Cantate und Overture einen bedeutenden Schritt vorwärts zu jener Klarheit, und mit wenigen Mitteln wirkendem finden werden*, die allein endlich die wahre Rundung und gediegene Ausprägung der Sache giebt ohne dem innern Reichthum und Mannigfaltigkeit zu nahe zu treten.      So helfe denn Gott, und treue Freunde wie Sie, immer fort und vorwärts auf der einmal betretenen Bahn bis das große alles endende Halt! zugerufen wird. Ich fange an wieder an einer neuen Meße zu arbeiten, die ich Ihrer Majestät der Königin, der Jubelhochzeit zu Ehren, schreiben will.      Habe ich [mich] in der ersten ganz meiner Ueberzeugung und dem tiefen Gefühl der Größe des Gegenstandes hingegeben, so will ich jezt mir eine froh und fröhlich kindlich bittend und jubelnd zum Herrn betende Schaar denken.      Außerdem drükken mich noch manche angefangene kleinere Arbeiten* die bey meiner noch etwas anhaltenden Verstimmung nicht recht ge|lingen wollen. diese Kleinigkeiten sind nur die Kinder glüklicher Augenblike, das Größere reift unter Leiden und Freuden. Es fällt mir so eben ein, daß ich Ihnen doch auch die Partitur der Ouverture schikken will wenn sich eine Gelegenheit findet, und zugleich das erste Heft eine[s] musik: Journals das H: Strauß in Prag herausgiebt*, zu dem ich auch einiges liefern werde* und welches ich Sie bitte Gelegentlich mit ein paar Worten anzuzeigen*.      Ich habe zufällig gehört daß H: Hofmeister sich untersteht eine Liedersammlung von mir herauszugeben*, die er einzeln aus Almanachen pp zusammensucht, wißen Sie nicht ob das gegründet ist? und giebt es denn gar keine Mittel solchen schurkischen Verfahren Einhalt zu thun?

Gestern habe ich zum 1t mal Joconde gut und mit Beyfall gegeben*. in 10 Tagen erscheint die Zauberflöte, vor dem Xbr wohl auch noch meine Silvana*.      Meine neue Oper steht noch immer dem TagsGeschäfte nach und ruht. es ist recht traurig aber ich kann nicht anders.

Die lieben guten Gutschmidts haben wir kurz hintereinander einigemale zu unserer Freude gesehen, und zwar in herrlicher Gesundheit blühend, besonders das kleine Wesen. auch in meinem Hause ist Gesundheit und frohe Hoffnung für die Zukunft*. Gott erhalte das uns allen. Meine Frau grüßt herzlichst mit mir Ihre hochverehrte liebe Gattin, und Sie, geben Sie uns die schöne Aussicht Sie bald wieder einmal hier zu sehen.

Noch einmal mein theuerer Freund strekke ich Ihnen dankbar meine Hand entgegen, Ihnen, der Sie mich erheben, stärken und erfreuen, Gott erhalte Sie und mir Ihre Liebe, so wie ich ewig bin und bleibe
Ihr treuer Weber.

Apparat

Zusammenfassung

bedankt sich für Besprechung der Sonaten; über fortschreitende Klarheit in seiner Kompositionsweise; über seine neu begonnene Messe; er will die Partitur der Ouvertüre übersenden und legt ein Journal von Strauß bei, das R. anzeigen solle; erkundigt sich nach Hofmeisters geplanter Ausgabe seiner Lieder; Arbeit an seiner Oper ruhe noch immer; über Prager Repertoire

Incipit

Mit welchem Antheil, Freude und Nuzzen

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A c, 16

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • Siegelrest
    • PSt: DRESDEN | 17. Oct.

    Provenienz

Textkonstitution

  • „d“durchgestrichen
  • daß„am“ überschrieben mit „daß
  • zugleichgelöschter Text nicht lesbar

Einzelstellenerläuterung

  • „… wenigen Mitteln wirkendem finden werden“Die Kantate wurde am 19. Oktober 1818 in Leipzig aufgeführt; vgl. die Presseberichte.
  • „… noch manche angefangene kleinere Arbeiten“Weber arbeitete u. a. an seinem Zyklus vierhändiger Klavierstücke op. 60; im Oktober 1818 ist im Tagebuch das Moderato erwähnt. Fertiggestellt wurde die Sammlung allerdings erst im August 1819. Weber könnte hier aber auch jene Musiknummern meinen, die er laut Tagebuch am 24. Oktober 1818 an Joseph Strauß sandte.
  • „… H: Strauß in Prag herausgiebt“Strauß gab beim Verlag Marco Berra in Prag ab Herbst 1818 das kurzlebige Periodikum Musikalischer Fruchtgarten: Monatsschrift für Clavier Gesang und Guitarre heraus; vgl. dazu die Prager Korrespondenznachricht in der Wiener AmZ, Jg. 3, Nr. 19 (6. März 1819), Sp. 149: „Der schon durch verschiedene Opern und sonstige Clavier-Compositionen vortheihaft bekannte, dermahl an dem hiesigen Theater angestellte, Herr Capellmeister Strauss, gibt seit dem 1. October 1818 eine Monathschrift für Clavier, Gesang und Guitarre heraus, die, den drey hereits erschienenen Heften zu Folge, als ein überaus angenehmes Geschenk zu betrachten ist, und die allgemeinste Theilnahme verdient. Der etwas sonderbar klingende Titel: ‚… musikalischer Fruchtgarten‘ wird, in der That, vollkommen gerechtfertigt, wenn gleich, nach der witzigen Bemerkung eines ausländischen Blattes, keine singende Mohrrüben und blasende Petersilienwurzeln darin angetroffen werden. Die hier dargebothenen Früchte sind für den musikalischen Geist das, was in dem bereits unserer Gegenwart entschwundenen gehaltreichen, ‚poetischen Fruchtgarten‘ für den poetischen, ohne desshalb einen ausgehungerten Notizenschreiber zu nähren. Möge daher der fleissige und geschickte Gärtner für die Erhaltung seines so herrlichen Fruchtgartens zu sorgen, aufgemuntert werden!“ Weber hatte das erste Heft laut Tagebuch am 8. Oktober 1818 vom Herausgeber erhalten und gab es am 17. November 1818 dem nach Leipzig reisenden F. Hellwig mit.
  • vortheihaftrecte „vortheilhaft“.
  • „… ich auch einiges liefern werde“Vgl. Tagebuch vom 24. Oktober 1818.
  • „… mit ein paar Worten anzuzeigen“In der Leipziger AmZ erschien nachfolgend keine Anzeige des Periodikums.
  • „… eine Liedersammlung von mir herauszugeben“Bei Hofmeister erschien vor der Ostermesse 1819 die Sammlung „Fünf ausgewählte kleine Lieder mit Begleitung des Pianoforte oder Guitarre in Musik gesetzt von Carl Maria v. Weber“ (VN: 588), enthaltend die Lieder Das Röschen, „Was zieht zu deinem Zauberkreise“, Der kleine Fritz an seine jungen Freunde (alle drei aus den zuerst 1811/12 bei Simrock erschienenen Liedern op. 15), das Wiegenlied (aus den bei Gombart erschienenen Gesängen op. 13) und das um 1813 erstmals bei Gröbenschütz und Seiler in Berlin publizierte Schwäbische Tanzlied. Bereits 1814 war beim selben Verlag eine ähnliche „Raub“-Sammlung erschienen, für die Weber allerdings eine nachträgliche Honorarzahlung durchsetzen konnte; vgl. seinen Brief an H. Lichtenstein vom 17. September 1814.
  • „… gut und mit Beyfall gegeben“Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 6. November 1818.
  • „… wohl auch noch meine Silvana“Zur geplanten Aufführung vgl. die Anmerkung im Brief vom 26. November 1818 an J. P. S. Schmidt.
  • „… frohe Hoffnung für die Zukunft“Webers Tochter Auguste wurde am 22. Dezember 1818 geboren.

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