Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Mittwoch, 5. bis Freitag, 7. Februar 1817 (Nr. 24)
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Ich muß ein bischen mit Muks pabsen. Es ist so hübsch warm und still in meinem Stübchen, daß ich meine Sehnsucht nach dir liebe Lina wenigstens auf dem Papier aussprechen muß, und mich zu dir träume, da du noch nicht neben mir hotten kannst. Was machst du wohl jezt? sizest du auch so still in deinem Zimmerl und nähst, oder bist du bei Doktors und ihr papelt von dem Dresdner Musje? Wenn dir gestern die Ohren nicht geklungen haben, so weis ich nicht wann sie klingen sollen. Gestern war nehmlich das große Diner das‡ ich im Engel gab. denen Herren Morlachi, /: KapellMeister :/ Poledro, KonzertMeister, Schubert, Kirchencompositeur, Winkler TheaterSekretär, Bassi und Hellwig, Regißeurs, Tietz mein Orchester Direktor, Mieksch und Schmidl, und ich in allem 10 Personen. Ich habe meinen Zwek vollkommen erreicht eine recht freundlich heitre Annäherung unter‡ allen KunstDirigenten zu bewirken, das Eßen war gut. Austern und Gefrorenes fehlten nicht, Burgunder Rheinwein, Madera und Champagner floß, und löste alle Zungen und Herzen, ich brachte zuerst die Gesundheit Unsers Königs, dann des Grafen Vizthum pp aus, dann Morlachi die Meinige, dann alle Einzeln, und die deutsche Kunst und die italienische[.] das dauerte von 2-6 Uhr, und endlich schied alles seelenvergnügt, die meisten mit einem tüchtigen Haarbeutel versehen, ausgenommen einen gewißen Muks – dann giengen wir ins Theater*, wo es viel komische Szenen gab, dann beschloß Schmidl den Tag mit einem guten Punsch. Mittag und Abends wurde deine Gesundheit gehörig und aus vollem Herzen getrunken, und deiner sehr oft gedacht. Wie ich um 11 Uhr nach Hause kam fand ich diesen lieben Brief von Lichtenstein den ich dir hier beilege und den du mir wieder zurük schikken must. Es ist doch eine herrliche Seele, Geist und Herz, und du wirst dich daran erquikken. Gestern erhielt ich auch meine erste Gage pro Januar mit 125 rh: und eine sehr honette ReiseVergütung mit 50 Ducaten. Sizze also wieder ganz flott im Gelde. Etwas hat mir der gestrige Aderlas schon wieder von meinem Ueberfluß geholfen, aber das schadet nichts es macht Ehre und gutes Blut, und ich werde jezt schon wieder sparen. Morgen fange ich die Proben vom Waisenhaus an, und künftige Woche ist Ostade. Sobald ich aber von Prag die vornehmen Wirthe bekomme, laße ich das Waisenhaus vor der Hand liegen. Die Stimmung ist wirklich durchaus sehr gut für mich. beiliegender Aufsaz hat viele Sensation, Freude, Achtung und Furcht erwekt. alles dreyes nothwendig in der Welt. der mittelste Aufsaz ist mit geringen local Veränderungen der, den ich schon in Prag verfaßt habe, die andern 2 aber neu.
Sobald einmal dieser ewige Strudel von Besuche machen und Empfangen, und die ersten Einrichtungen vorüber sind, so wird mein GeschäftsGang doch viel viel ruhiger sein als in Prag. Vor der Hand geben wir nur alle Wochen eine deutsche Oper, also ist man gar nicht abgehezt, und ob eine Oper 8 oder 14 Tage früher oder später in Scene geht ist ziemlich gleichgültig, und mich wird Niemand treiben und jagen als die eigene Thätigkeit. das ist denn doch viel wohlthuender, als wenn die ewigen Klagen ums tägliche Brodt einen in Angst Trapp versezzen. Hätte ich nur erst gute Subjecte. Pianoforte habe ich auch noch keines, will mir aber welche von Wien kommen laßen, und einen kleinen Handel damit etabliren, alle Vortheile gelten. Morgen hoffe ich auf einen Brief von dir, und das Resultat der Silvana, bin doch Neugierig darauf. Heute Abend bin ich beim Fräulein vom Winkel, im DichterKreiseT. dann auf einen Ball, wo ich es aber nicht lange machen werde*. Man überhäuft mich mit Ehren und Einladungen, da hingegen meine Collegen nirgends hinkommen.
Kurz, hätte ich meinen Muks, und ein halbes duzendt meiner Berliner Freunde hier, so könnte ich recht angenehm, glüklich und zufrieden leben. Nun, mit Gottes Hülfe Muks ist schon engagiert, und Freunde werd ich ja vielleicht auch Einen herausfinden. | Nun muß ich im Augenblik in die Italienische Oper, wegen der Proben, und dann in Gesellschaft, also Puntum für heute. Laß dich Millionenmal bußen du lieber häßlicher Pumpernikkel. Höre! wenn Morgen dein Brief nicht braver ist als die lezten, – – – Haue – Haue, Haue. ) ) ) )
Gute Nacht! gute Nacht! + + +
von deinem Carl.
Tausend Tausend Dank von allen Seiten. das war Gestern ein glüklicher Tag, und kam des Guten so viel zusammen daß es wieder auf Monate lang ausreicht. Früh hatte ich Probe vom Waisenhaus, Mittag im Engel mit Herrn Keller einem fremden Flötisten und sehr artigen Mann. da kam ein Brief von Rochlitz der mich nach Leipzig einladet in der Ostermeße in einem ihrer Konzerte zu spielen und dafür 100 rh: zu bekomen, in 3 Tagen ist die Sache verdient. Ob es aber geht ist noch die große Frage, doch freute mich die Aufmerksamkeit. Dann bekam ich einen gar herzlich und komischen Brief von Hoffmann. Endlich gegen Abend deinen lieben fröhligen Brief No: 26, und mit ihm gleiche PosaunenEngel* jeder nach seiner Art von Grünbaums Gned und Bayer /: bei Clams der Flötist :/ ich habe mich wirklich recht von Herzen gefreut, indem diese Aufnahme meine kühnsten Erwartungen übertroffen hat, und ich darin eine schöne Belohnung für das sehe, was ich von jeher für andere Arbeiten gethan habe. Am Erfreulichsten und rührendsten aber ist mir die Liebe mit der alle arbeiteten, wie du mir sie beschreibst, und die wohlthuend ist. Deine Freude mein guter geliebter Hammel kann ich mir denken, und die der guten Junghs, ihr mögt euch schön abgehezt und geängstiget haben, während ich denselben Abend ziemlich ruhig daran dachte, und immer an dich du armer Schneefuß dachte wie du dich abzappeln und tanzen und hopsen mustest. Nun bist du aber gewiß dafür belohnt durch den so schönen Erfolg denn du hast ja doch eigentlich auch die Oper componirt, und die Choristen hatten gar nicht Unrecht dir dafür die Hand zu küßen. Hätte wohl dabei sein mögen und die Sache mit ansehen. So gut soll es mir nun aber nicht werden. Wenn ich ein Vöglein wär, flög‡ ich zu dir pp Gelte jezt kann er um Verzeihung bitten er trauriger Hanswurst!‡ nun stehe nur auf mein lieber Delinquent, weil du dich in der Silvanen Schlacht so ausgezeichnet hast, sollst du Gnade finden, und noch obendrein mit dem HausOrden Unseres Staates belohnt werden, mit der scharfen Bedeutung aber, nicht wieder so zu komen sondern immer so brav und fröhlich zu bleiben wie in diesem lezten Briefe zu lesen und zu finden ist, zur Erquikung und Freude des Dresdner Muks.
Ich lief gestern gleich ins Theater und erzählte den Meisten die gute Aufnahme der Silvana, dann gieng [ich] zum Thee bei dem Mahler H: v: Kügelchen, der auch großen Antheil nahm*, auch schrieb ich es Gestern noch brühsiedendheiß nach Berlin an Lichtenstein und Hoffmann, die werden auch eine rechte Freude haben.
Nun nochmals 1000 Dank, und daß du allen recht herzlich in meinem Namen dankst, und ihnen sagst wie unendlich mich dieser Beweiß ihrer Liebe und Anhänglichkeit gerührt habe.
Deinen Zahn laß nur stehn, vor dem Beißen fürcht ich mich nicht, und es ist doch nur Rheumatisch dein Schmerz.
Im Waisenhaus singt Mad: Mieksch und die kleine Zukker den Gustav. künftige Woche ist auch Ostade und zu Faßnacht das Hausgesinde.
Daß du Zeichnen lernst ist sehr brav und schön, wie sieht es aber mit dem französischen aus? vernachläßige es ja nicht, denn es ist so unumgänglich nothwendig besonders hier, wenn man nicht italienisch spricht. lezteres muß ich jezt fleißig üben, spreche viel, und werde auch wieder Lection nehmen*.
Heute kann ich nicht sehr viel mit dir pabsen mein geliebter Muks, denn ich will gleich auch den andern Leuten antworten und in 2 Stunden geht die Post, also Gott segne dich für die viele Freude die du mir gemacht hast, sei brav und gesund, heiter und froh. Grüße an Alle, Orchester und Chöre. Für dich Millionen Billionen Bußen, und gute + + + von deinem dich ewig innigst liebenden treuen Carl.
Apparat
Zusammenfassung
berichtet aus seinem Tagebuch vom 4.-6. Februar: Diner für einige Kollegen der italienischen und deutschen Oper, erste Gage und Reisegeld; betr. Opernprogramm für Dresden; teilt mit, dass Rochlitz ihn eingeladen habe, ein Konzert in Leipzig zu geben; betr. Aufführung der „Silvana“ in Prag
Incipit
„Ich muß ein bischen mit Muks pabsen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 79Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- ursprünglich beiliegend: 1817-WeS-04, KS 64 und Brief von Lichtenstein an Weber
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Muks, S. 337–342 (Nr. 62)
Themenkommentare
Textkonstitution
-
„s“„ß“ überschrieben mit „s“
-
„unter“„und“ überschrieben mit „unter“
-
„… ich ein Vöglein wär, flög“Korrektur auf unleserlichem Wort
-
„!“„?“ überschrieben mit „!“
Einzelstellenerläuterung
-
„… werde auch wieder Lection nehmen“Weber frischte seine Italienisch-Kenntnisse laut Tagebuch zwischen 17. Februar und 5. September 1817 durch 6 Serien zu je 12 Lektionen auf.