Zweites Testament Carl Maria von Webers
Dresden, Montag, 15. September 1823
Dieses ist mein letzter Wille.
Carl Maria von Weber
Uibergeben an Amtsstelle den fünfzehenden Septbr. im Jahre Ein Tausend Acht hundert und drey und Zwanzig laut besonderen Protocolls de eod. dato
Carl Friedrich Ilgen, Actj.
in Vicibus Dni Praes. Gustav Adolph Lehmann,
Actuar.
Friedrich Samuel Krüger
AmtswScabin: jur.
Carl Gottlieb Heinrich Balla
AmtsScabin: jur.
Im Namen Gottes!
Da in der täglichen Erfahrung die Vorsehung den Menschen deßen Hinfälligkeit erkennen läßt und seine Aufmerksamkeit damit auf die Nothwendigkeit hinlenkt, stets vorbereitet dem Augenblick entgegensehen zu können, wo unser Erlöser, Jesus Christus uns in sein Himmlisches Reich abrufen wird, so hat auch in mir dieser Gedanke den Entschluß hervorgebracht, bey gesunden Geistes- und Körperkräften diesen Wink der erhabenen Vorsehung nicht unbeachtet zu lassen und in Zeiten wegen dessen, was ich an irdischen Gütern hinterlasse, Verfügung zu treffen, damit ich alsdann, wenn der Zeitpunkt erannnaht, wo mein Leib in sein früheres Nichts verwandelt werden und mein Geist zu seinem himmlischen Vater zurückkehren soll, von allen irdischen Sorgen frey, mich allein mit den Gedanken beschäftigen kann, die meiner künftigen Bestimmung angehören. Möge der allbarmherzige Vater mir bei m Scheiden von dieser Welt eine ruhige Stunde und meiner Seele sein ewiges Heil schenken!
Was nun meine irdische Hülle anbetrifft, so verordne ich
§ 1.
daß diese nach meinem Ableben auf eine anständige und ehrbare Weise, jedoch ohne allen Prunk und Kosten-Aufwand zur Erde gebracht werde.
Im Betreff des von mir bey meinem Ableben
dieß ist mein letzter Wille
zu hinterlassenden Vermögens bestimme ich aber Folgendes § 2.
Zu meinem Erben setze ich unter den ehrenvollen Titel der Erbeinsetzung
meine geliebte Gattin Caroline gebohrne Brandt
und meinen Sohn
so wie, wenn mich hinkünftig die göttliche Vorsehung noch mit mehreren Kindern beschenken sollte,
alle diese,
jedoch dergestalt hiermit ein, daß mein Sohn Max so wie überhaupt jedes von meinen, bei meinem Tode am Leben sich besfindenden Kindern nur den Pflichttheil meines ganzen Vermögens erhalten, meiner geliebten Gattin dagegen der ganze übrige Nachlaß erb- und eigenthümlich zufallen soll.
§ 3.
Da ich von der außerordentlichen Liebe und Fürsorge meiner Gattin für ihr Kind / ihre Kinder / und daher davon, daß sie gewiß eher zur Vermerhung als Verminderung des demselben zufallenden Vermögens beitragen wird, vollkommen überzeugt bin, so ist mein ausdrücklicher Wille, daß ihr durch die Ausmittelung des meinem Kinde /: und Kindern :/ bestimmten Pflichttheils so wenig als möglich Beschwerlichkeiten verursacht werden.
Ich deprecire daher ausdrücklich alle obrigkeitliche Versiegelung und überlasse es der Wahl meiner Gattin, ob sie nach meinem Ableben meinen Nachlaß durch einen geschworenen Notar
Dieses ist mein letzter Wille
aufzeichnen laßen oder ob sie selbst eine Verlassenschafts-Specification entwerfen und bey der concurrirenden Behörde einreichen will.
§ 4.
Damit meine Gattin im letzten Falle von der eidlichen Bekräftigung dieses von ihr selbst gefertigten Nachlaßverzeichnißes verschont bleibe, als wohin ausdrücklich mein Wunsch und Wille gehet, so bestimme ich:
a.) daß, wenn bey meinem Ableben mein oder meine Kinder unmündig seyn sollten, deren Vormund, als dessen Bestimmung ich mir nach § 10. noch besonders vorbehalte, bey der Consignation meiner Verlassenschaft gegenwärtig und meiner Wittbe behülflich sey, sich von der Richtigkeit und Genauigkeit, womit diese erfolgt, überzeugt und seinerseits der Behörde solches attestiren könne.
b.) daß, wenn wieder meinen ausdrücklichen Willen die eidliche Erhaltung dennoch desiderirt würde, solche in jedem Fall bis zur Majorennität der Kinder ausgesetzt bleibe, und
c.) daß endlich in jedem Fall, in welchem früher oder später meine Gattin von meinem oder meinen Kindern oder in deren Unmündigkeit von deren AltersVormund oder selbst von der VormundschaftsBehörde zur eidlichen Bekräftigung veranlaßt werden sollte, das im § 5. dieser letztwilligen Verordnung meinem Kinde, und wenn ich deren mehrere hinterlaßen sollte, jedem derselben ausser seinem Pflichtheil bestimmte Vermächtniß sofort weg und meiner Frauen Erbportion anheim fallen soll.
Dieses ist mein letzter Will
§ 5.
Mein Sohn Max, und, wenn ich mehrere Kinder hinterlaßen sollte, jedes derselben soll außer dem ihm zukommenden Pflichttheil ein Legat, deßen Höhe ich in denen im § 10. dieses Testaments mir vorbehaltenen Nachträgen noch genau bestimmen werde, erhalten, es sollen jedoch mein oder meine Kinder die Auszahlung dieses Vermächtnißes nicht eher, als bis sie ihr 25stes Jahr erreicht haben, von ihrer Muter zu verlangen berechtigt seyn und diese bis dahin den Nutzen für sich ziehen können auch zu einer dießfallsigen Cautionsleistung nicht gehalten seyn.
§ 6.
Sollte ich bey meinem Ableben unter meinen Nachlaßstücken ein Immobil hinterlaßen, so bestimme ich, daß zu Vermeidung einer besondern Taxation deßelben meine Gattin zuerst berechtigt seyn sol, dasselbe um den Kaufpreis auf ihre Erportion anzunehmen. Nur, wenn sie oder alsdann meine Decendenten die Annahme des Grundstücks um diesen Preis ausschlagen, soll selbiges zur Veräußerung gebracht werden.
§ 7.
Sollte ein oder das andere der von mir zu hinterlaßenden Kinder meiner Gattin die Regulirung des Nachlasses nur im Mindesten erschweren oder wohl gar Streit erregen, so soll daßelbe in diesem fall des ihm von mir im § 5. ausgesetzten Legats verlustig seyn und zugleich Alles conferiren müssen, was dasselbe von mir bey Lebzeiten geschenkt oder sonst erhalten hat.
Dieses ist mein letzter Wille
§ 8.
Sollte mein oder meine Kinder vor mir mit dem Tode abgehen, so setze ich meine geliebte Gattin
Caroline geb. Brandt
zur alleinigen Universalerbin in mein ganzes Vermögen, es bestehe solches in liegenden Gütern oder in fahrender Habe, hiermit ausdrücklich ein.
§ 9.
Sollte ich bey meinem Ableben Kinder als meine PflichttheilsErben hinterlaßen, meine Gattin aber nach meinem Tode zu einer anderweitigen Verheirathung schreiten, so bestimme ich Folgendes:
a.) Von dem ganzen Mo- und Immobiliar Vermögen, welches meine Gattin nach Abzug der auf das /: oder die :/ Kinder gefallenen Pflichttheils und Legate von mir geerbt hat, treten alsdann Zwey Dritttheile unter obrigkeitliche Verwaltung, und verordne ich zu dem Ende hiermit, daß in diesem eintretenden Falle von Seiten der Nachlaßbehörde ein Curator zu Ausmittelung und Verwaltung dieses unter Administration gesetzten und durch Cautionsleistung gehörig sicherzustellenden Vermögens gesetzt werde.
b.) meine Gattin soll von diesem während ihrer anderweitigen Verehelichung unter Administration gesetzten Vermögens die Zinnsen und Nutzungen zur Erziehung der Kinder wenn dieses major.... seyn sollten,
dieses ist mein letzter Wille
zu ihrer eigenen und freien Disposition erhalten, jedoch ihr künftiger Gatte niemals darauf einen Anspruch zu machen, noch sonst eine Verfügung darüber zu treffen berechtigt seyn.
c.) Sollte meine Gattin während einer anderweiten Verehelichung mit Tode abgehen, so sollen diese zwey Drittheile meines ihr angefallenen Vermögens nur die von mir mit ihr erzeugten Kinder, als welche ich hiermit dießfalls in selbige zu Erben einsetze, erhalten.
d.) Sollten meine Kinder während einer anderweiten Verehelichung meiner Gattin sterben, so soll das unter Verwaltung gesetzte Vermögen unter Administration bis zur Auflösung dieser Ehe durch den Tode des einen oder des andern Gatten verbleiben, meine Frau jedoch auf ihrem Todesfall frey und ohne eine desfallsige Zustimmung ihres Ehemanns darüber letztwillig zu verfügen berechtigt seyn.
e.) Auch soll auf den Fall anderweiter Verehelichung meiner Gattin die derselben wegen Innenbehaltung des einem jeden meiner Kinder im § 5. ausgesetzten Legats, bis selbiges das 25ste Jahr erreicht hat, ebendaselbst erlaßene Cautionsleistung eintreten und die richterliche Behörde dafür zu sorgen haben.
f.) Die Auflösung des anderweiten von meiner Gattin eingegangenen ehelichen Bundes selbst bey Lebzeiten eines oder mehrerer meiner Kinder hebt die Administration des unter obrigkeitl. Autorität gestellten Vermögens von
Dieses ist mein letzter Wille
selbst wieder auf.
g. Bey mehrmaligen Verehelichungen meiner Gattin treten auch jedesmal obige Bestimmungen ein.
§ 10.
Weil ich mir im § 4. die Bestellung und Ernennung eines Vormundes und im § 5. meines gegenwärtigen letzten Willens die Bestimmung der Höhe des jedem meiner kinder in gewißen angegebenen Fällen ausgesetzten Vermächtnißes vorbehalten habe, und weil es geschehen könnte, daß ich aus besonderen Ursachen in Ansehung dieser meiner letzten Willensordnung einige Abänderungen oder Zusätze zu machen für nöthig erachten sollte, sol sollen alle diese Abänderungen oder Zusätze auf dem vom allhiesigen Königl. Sächs. JustizAmte mir bey Niederlegung dieses Testaments ausgehändigten DepositenSchein von mir verzeichnet und unterschrieben seyn, oder besonders bey wohlgedachtem Gerichte übergeben werden. Diese Abänderungen oder Zusätze solen, wenn sie Statt finden, als ein Theil meines vorliegenden Testaments betrachtet werden und ebenfalls als mein letzter Wille gelten, bestehen und mit dem Gegenwärtigen gleiche Kraft und Wirkung haben. Dafern aber endlich
§ 11.
dieser mein letzter Wille als ein feierliches Testament nicht bestände, so will ich und verordne hin...., daß er doch als ein Codizill, Schenkung auf den Todesfall, oder als sonst eine minder feierliche? Ver-
Dieses ist mein letzter Wille
ordnung gelten und bestehen und darüber nach meinem Tode in allen Punkten fest und stzreng gehalten auch dawider in keinem Fall gehandelt werden soll.
Wenn ich nun bey fertigung dieses Testaments mit ruhiger und reiflicher Uiberlegung zu Werke gegangen bin, so habe ich solches auch, nachdem es von einer vertrauten Hand in gegenwärtige Form gebracht worden ist, nach erfolgter genauer Durchlesung und abermaliger Prüfung am Ende eigenhändig unterschrieben und besiegelt.
So geschehen Dresden, am 15ten September 1823.
LS. Carl Maria Fhr. von Weber.
Geschehen im Beisein der Scabinen Herrn Krügers und Balachs.
Registratur.
Justiz Amt Dresden 1te Abtheil. am 20n Juni 1826.
In der Vormundschafts und Erbtheilungs Expedition erschien heutigen Vormittags der hiesige dem Judicio hinreichend bekannte Rechtsconsulent
H. Dr. August Moritz Engelhardt
Unter Einreichung nachstehenden von der hinterlaßenen Wittwe des am 6ten huj. in London mit Tode abgegangenen Herrn Carl Maria Freiherr von Weber und deren unterm gestrigen Tage von Einer Hohen Landesregierung nach dem vom H. Dr. Engelhardt im Original producirten Curatorio zum allgemeinen G‡eschlechtsvormunde ihr bestätigten Beistande, Frauen Caroline von Weber, und Herrn Gottlob Roth vollzogenen Schreibens, so wie des ebenfalls nachgeheffteten Depositionsscheines bat Herr Comparent um Eröffnung des nach letzterm von dem verstorbenen pp. von Weber unterm 15 Sept. 1823. bei hiesigem Amte niedergelegten Testaments.
Da aus diesen Eingaben die Legitimation des Herrn Dr. Engelhardt zur Genüge hervorging, derselbe überdies annoch eine besondere von der verw: Freifrau von Weber cum curatore ausgestellte Vollmacht, so wie Abschrift des Vormundschaftsscheines, welchen er vor der Hand nicht an Amtsstelle laßen zu können angab, in beglaubter Form beizubringen versicherte, so war seinem Gesuch zu deferiren, das v. Webersche Testament ....[usw.]
Gesch. v.
Julius Thirmig
Actuar jurat.
Dr. August Moritz Engelhardt,
Friedrich Samuel Krüger,
Amtsscabin.
Carl Gottlieb Heinrich Ballach
Amtsscabin
Apparat
Zusammenfassung
Testament Webers, in dem er seinen Besitz seiner Gattin vermacht und seinem Sohn Max bzw. auch weiteren Kindern den Pflichtteil vermacht und alle Einzelheiten einschließlich ev. Vormundschaft oder Wiederverheiratung Carolines regelt; (Zusätze von Engelhardt und Amtspersonen)
Incipit
„Da in der täglichen Erfahrung die Vorsehung den Menschen“
Entstehung
15. September 1823
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit