Friedrich Wilhelm Jähns an Rudolf Heinrich Zumsteeg in Stuttgart
Berlin, Dienstag, 31. Oktober 1865
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Ihr sehr geschätztes Schreiben traf mich recht krank an einem rheumatisch-catharrlichen Fieber, so daß ich Ihnen erst heut im ersten Worte das ich überhaupt seitdem schreibe, danken kann für Ihr freundliches Gedenken meiner. Ich hatte von jeher ein günstiges Vorurtheil für Stuttgart und Ihre Bekannt‡schaft hat es mir nur noch werther gemacht.
Zuerst also Dank für gütige Besorgung meiner Bitte in Bezug auf die Ansprache an Stuttgarts Bewohner wegen etwaiger Weber-Autographa!*
Sodann Dank für das schöne Autograph Ihres edlen verewigten Großvaters; es erfüllt alle meine Wünsche und macht mir große Freude! Es ist ein schönes Gegenstück zu dem Briefe, den ich von ihm habe, worin er an Schiller die zartesten Grüße durch dessen Schwager Hofrath Reinwald* sendet, an welchen letzteren der Brief gerichtet ist*. | Wäre Ihr Großvater auch nicht der Componist gewesen, der seiner Zeit nach einer gewissen Richtung hin einen weit fördernden Anstoß gab, so bleibt er für alle Zeiten als Freund eines der edelsten Männer aller Zeiten unvergessen. O wie ist er zu beneiden, solchem Manne enger befreundet gewesen zu sein! –
Ferner Dank, großen Dank für die im wahren Forscher-Sinne gemachten Aufzeichnungen der in Ihrem Lager vorräthigen alten Webers; es ist eine langweilige Arbeit und muß Ihnen eine rechte Mühe gewesen sein. Es sind alles interessante Dinge; die Six pieces. oeuvr. 3 sind eine höchst seltene Piece, die kaum mehr aufzufinden sein möchte; ich | besitze sie jedoch schon. Auch der Momento capriccioso ist in dieser Original-Ausgabe schwer zu haben. Auch ihn besitze ich.‡
Die Six Variations sur l’air de Naga pour Pfte. Violon et Vcello. besitze ich zwar auch; in meinem Exemplar* fehlt aber die eine Instrumental-Stimme, weshalb ich bitte mir die Variationen zu senden*, ebenso wie den Schwermüthigen* und vor allem „Der Grieche und sein Sohn.“* Letzteres Stück kenne ich natürlich nicht; doch möchte ich wetten, daß es das ursprüngliche Lied: „Es stürmt auf der Flur, es brauset im Hain“ No 2 aus op. 30 bei Schlesinger wäre. Ihre gütigen Notizen über Text, Tactart, Tonart geben mir dafür den Anhalt*. Ich b‡itte mir die 3 Sachen etwa durch Trautwein oder Schlesinger oder | mit wem Sie sonst grade in Verbindung stehen gütigst zuzusenden, an welchen Übersender ich dann meine Schuld berichtigen werde.
Könnte ich doch einmal eine Original-Ausgabe der Variationen Weber’s über ein Thema aus Castor und Pollux von Abt Vogler bekommen! Ich habe sonst alle ältesten Compositionen Webers für Clavier in der Original Ausgabe‡, nur diese Variationen fehlen. Sie erschien sehr früh bei Eder in Wien*. Ich habe die Original-Ausgabe auch niemals gesehen! Sollte Sie Ihnen vorkommen, so, bitte, halten Sie sie für mich fest. –
In treuer Ergebenheit und inniger Hochschätzung
Ihr
stets dankbar[er] Freund F.W. Jähns
Berlin Krausenstr. 62.
Verzeihen Sie die sehr saloppe Schrift! Aber das Fieber sitzt darin u. sie ist mir dennoch recht sauer geworden.
Apparat
Zusammenfassung
dankt für Brief u. Autograph seines Großvaters; erbittet aus der Weber-Liste die Samori-Variationen, den Schwermüthigen und der Grieche u. sein Sohn (op. 30/2) und bittet ihn auf den ED der Castor u. Pollux-Variationen für ihn zu achten
Incipit
„Ihr sehr geschätztes Schreiben traf mich recht krank an“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: N. Mus. ep. 2617Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
- auf Bl. 2v oben Verlagsvermerke: Berechnung der bestellten, am 6.11.1865 versandten Musikalien (Bezahlung soll über Trautwein erfolgen), 2.11.1867 Bezahlung angemahnt, 26.09.1868 Bezahlung bar erfolgt
- in Bl. 1 Loch durch Tintenfraß
Textkonstitution
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„kannt“über der Zeile hinzugefügt
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„Auch ihn besitze ich.“am Rand hinzugefügt
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„b“„e“ überschrieben mit „b“
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„in der Original Ausgabe“über der Zeile hinzugefügt
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„… “Nachschrift am Seitenrand:
Einzelstellenerläuterung
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„… durch dessen Schwager Hofrath Reinwald“Wilhelm (Friedrich Hermann) Reinwald (1737–1815), Ehemann von Schillers Schwester (Elisabetha) Christophine (Friederike) Reinwald (1757–1847).
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„… letzteren der Brief gerichtet ist“Bekannt ist bislang lediglich ein Brief von J. R. Zumsteeg an W. Reinwald vom 24. Januar 1791 in der Schiller-Sammlung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach. Dieses 1908 per Auktion aus der Sammlung Donebauer erworbene Schreiben befand sich 1867 höchstwahrscheinlich in der Autographensammlung von Max Wüstemann (1829‒1888) und enthält keine Grüße an Schiller, ist also nicht mit dem von Jähns erwähnten Brief identisch; freundliche Auskunft von Celine Pfitzenmaier und Sabine Borchert.
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„… zwar auch; in meinem Exemplar“In Jähns’ älterem Exemplar fehlt die originale Cello-Stimme, die durch eine Abschrift ersetzt wurde; D-B, Weberiana Cl. IV B [Mappe XII], Nr. 1209.
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„… , ebenso wie den Schwermüthigen“Ausgabe Stuttgart: G. A. Zumsteeg (o. VN); Exemplar: D-B, Weberiana Cl. IV B [Mappe II], Nr. 678.
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„… Grieche und sein Sohn .“Ausgabe Frankfurt/Main: Hedler (o. VN); Exemplar: D-B, Weberiana Cl. IV B [Mappe I B], Nr. 664.
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„… geben mir dafür den Anhalt“Jähns sollte Recht behalten.
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„… früh bei Eder in Wien“Den 1804 herausgegeben Erstdruck bei Eder in Wien (VN: 333.) erwarb Jähns später; Exemplar in D-B, Weberiana Cl. IV A, Bd. 55, Nr. 377.