Weber-Denkschrift (Entwurf)
nach 14. November 1826

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Anfrage und Mahnung

In der allgemeinen Zeitung stand neulich ein Wort, dem, unter gewissen Bedingungen alle, denen die deutsche Ehre am Herzen liegt, freudig zustimmen werden*.

Die sämmtlichen deutschen Theater wurden aufgefordert eine Pflicht der Dankbarkeit gegen C. M. v. Weber abzutragen, u sich alle zu Benefizvorstellungen zum Besten seiner Frau u Kindern zu vereinigen.

Wenn nun schon die Huld des Monarchen dem C. M. v. Weber sich viele Jahre geweiht jeden, auch den glänzendsten Antrag von sich weisend, in zarter Fürsorge für die trauernde Familie jede andre Fürsorge überflüßig macht, wenn schon des Verblichnen Vermögen auch noch durch Englands Dankbarkeit so sehr angewachsen ist, daß diese Fürsorge für die Hinterbliebenen ihnen nur als Zeichen der Gesinnung für den Verklärten u sie wichtig sein kann, so ist gleichwol die Verpflichtung da, sie ist Nationalschuld, u muß, als solche abgetragen werden, außerdem würde in diesem Verein, in welchem ganz Deutschland sich bestrebte, einen Künstler durch edle Sorge für das Wol der Seinen sein Andenken zu ehren, ein herzerhebender Trost liegen, den wir Webers Familie nicht allein von ganzer Seele wünschen, sondern auch allen, in Armut u Kummer Hinterbliebenen Familien großer Dichter u Künstler, denen er nicht zu Theil geworden ist.

In dieser Hinsicht sey uns hier eine Anfrage vergönnt.

Ist eine heilige Pflicht der allgemeinen Volksdankbarkeit erfüllt worden als Mozart starb, als Schiller starb? Ist sie erfüllt worden als so manche Andre, deren Namen sich jenen Namen würdig anreiht, dahinschieden in ihrer Blüte, u in den Thränen der Ihrigen um sie Sorge u Kummer sich mischten? (Der Rubrik der bildenden Künstler gedenken wir gar nicht, sonst müßten wir Kügelchens Wittwe nennen; wenn aber von deutscher Dankbarkeit die Rede ist, so hat jeder, der auf den Höhen seiner Kunst steht, Ansprüche auf sie, […]. |

Ist es geschehen? O, so eile man doch auch diese Pflicht gegen Webers Asche abzutragen, ganz Deutschland ströme, so weit die deutsche Zunge reicht, zu seiner Todtenfeier, u von nun an, so wie wir aus unsrer Mitte einen herrlichen Künstler, einen gefeierten Dichter verlieren, sey der Impuls gegeben, u jeder Deutsche, der rein u edel fühlt, sey der traurigen Mühe enthoben in einem anonymen Artikel in den Zeitungen sein ganzes Volk von seinen Pflichten gegen die Familie großer Todten erinnern zu müßen.

Ist es aber nicht geschehen? Hat Deutschland Mozarts Hinterlassene, Schillers Familie u. m. K.– vergeßen – – o, so denke man jetzt an sie, u trage die alte Verpflichtung ab, denn eine moralische Schuld kann nie verjähren!! Der Dichter, der in Sorgendrang schmachtet, der Künstler von hohem Verdienst, den das Glück nicht begünstigt, alle mögen sie, durch ein solches Ereigniß beruhigt, wenn ihr frühes Ende naht das müde Haupt dem Grabe ruhig zuneigen, u ein so kurzes Leben nicht bejammern, da ihr Verdienst, wenn auch im Leben nicht belohnt, doch nach ihrem Tode den Ihrigen das Leben fristet.

Die Anregung in der Allgemeinen Zeitung, u diese Worte, durch sie aufgeregt, seyen denen die Schnee|stäubchen gewesen, die, rollend u wachsend zur Lawine, ein donnernder Fall der Welt verkünde, daß der Deutsche dankbar sey!

Und, so wie die früheren Verpflichtungen mit den Zinsen eines Verzugs von einem Vierteljahrhundert getilgt sind, schreite man zu der Tilgung der Schuld gegen Carl Maria von Webers Asche, nicht minder heilig, als jene!

Apparat

Entstehung

nach 14. November 1826

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (D-Bbbaw)
    Signatur: NL H. von Chézy 103

    Quellenbeschreibung

    • 2 Bl. (3. b. S.)

Textkonstitution

  • viele Jahre„Jahrelang“ durchgestrichen und ersetzt mit „viele Jahre
  • „jeden, auch den … von sich weisend,“über der Zeile hinzugefügt
  • auch noch durchgelöschter Text nicht lesbar
  • „einen Künstler“über der Zeile hinzugefügt
  • sein Andenkenüber der Zeile hinzugefügt
  • „sein Andenken“durchgestrichen
  • eine„diese“ durchgestrichen und ersetzt mit „eine
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „wenn ihr frühes Ende naht“über der Zeile hinzugefügt
  • „ruhig“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… Herzen liegt, freudig zustimmen werden“Vermutlich meint H. v. Chézy den Artikel von Böttiger in der Beilage der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 14. November 1826, wodurch sich der vorliegende Entwurf als Reaktion darauf näher datieren lässt, eine Veröffentlichung konnte nicht ermittelt werden. Böttiger berichtete kurze Zeit später in seinen Erinnerungen an Weber von der Freischütz-Benefizvorstellung (= 100. Vorstellung des Werkes) unter Spontinis Leitung in Berlin am 6. November 1826, deren Einnahme 2000 Taler betrug; vgl. auch Brief von Spontini an Caroline von Weber.

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