Zur Übersetzung von Weber/Planchés „Oberon“ von K. G. Th. Winkler
Literarischer und Kunst-Wegweiser.
Oberon, König der Elfen, romantische Feen-Oper in 3 Aufzügen, nach dem engl. Original von Planché für die deutsche Bühne übersetzt von Th. Hell. Dresden und Leipzig, Arnoldische Buchhandlung. 1826. Ausser den Vorreden 108 S. in 8.
Wir glauben uns nicht zu täuschen, wenn wir annehmen, daß diese, in der letzten Ostermesse bereits ausgegebene, dem Original in möglichster Treue untergelegte Dichtung zu K. Maria v. Webers musikalischem Schwanengesange, zu seinem vielbesprochenen, vielerwarteten Oberon, a romantic and fairy Opera, as performed at the Theater Royal Coventgarden, (London, Hunt und Clocke,) bereits in so vielen Händen sey, daß wir mit einer Ankündigung gewiß zu spät kämen. Indeß mag es doch auch in diesem Wegweiser nicht ganz mit Stillschweigen übergangen werden, daß es gewiß ein sehr glückliches Zusammentreffen von Umständen war, welches den vaterländischen Bühnen eine so trefflich zubereitete Unterlegung nach dem Original-Texte, den K. M. v. Weber seiner Composition unterzulegen verpflichtet wurde, für die deutsche Bühnengestaltung darbieten konnte. Es bedurfte gerade eines so sprachkundigen, dichterisch aufregbaren, vielgewandten Uebersetzers um eine so schwierige Aufgabe so zu lösen. Theodor Hell hat ja seit einer langen Reihe von Jahren seine Meisterschaft in eigenen Lyratönen und Verpflanzung ausländischer Dramen auf unsere Bühnen, wo sein gefeierter Name so oft auf dem Comödienzettel steht, über alle Zweifel dargelegt. Jeder Kenner der englischen Sprache und Metrik weiß, wie ihre Dichtung für musikalische Compositionen, ihre Liederweisen und Gesänge nach andern Grundsätzen gebildet sind als die deutschen, wie dort Längen und Kürzen im Allgemeinen nur durch Sinn und Stellung jedes Wortes bestimmt werden und wie die unendliche Menge von Monosyllaben wie Sand aus der Sanduhr abfließt. Man muß dem Dichter des englischen Textes, den auch durch seine Ausgabe der ächten Costüme zu Shakespeare’s Dramen sehr bekannten Planché die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß er seine Gesänge und Chöre für’s englische Ohr sehr verständig abzumessen wußte und Weber selbst hatte Freude daran. Aber man begreift nun auch, daß der unterzulegende Text bei uns als Unterlage der Gesangstücke gar nicht singbar gewesen wäre, wenn sich der Uebersetzer hierbei nicht eine eigene Metrik da geschaffen, wo nach unserer Sprache Betonung statt finden mußte, dem Gesange Kürzen geboten da, wo bei der Musik Ruhepunkte eintreten, auf Fortschreitungen, wo sie unsere Sprache verlangt, nicht Rücksicht genommen hätte. Etwas dem deutschen Ohr nicht weniger Wohlklingendes, aber minder Uebliches, kurz etwas ¦ Fremdartiges mußte also in dieser Uebersetzung immer anklingen. Aber es ward dem Uebersetzer dabei der seltene Vortheil, alles mit dem großen Tonsetzer selbst besprechen und mit seiner völligen Zustimmung arbeiten zu können. Denn Weber vergönnte ihm stets den Auszug der Noten für den Gesang, sobald ein oder das andere Musikstück nach dem Englischen von ihm vollendet war; Hell ordnete nun die Unterlegung des Textes nach dem Tonsatze, legte dieß dem Meister vor und änderte nach seinen Bemerkungen, bis die deutschen Worte ihm nun selbst den Ausdrücken seiner Töne ganz angemessen schienen. Einige Arien und Parthieen des englischen Stückes, meist erst in London eingelegt, wollte Weber, der darüber noch von London aus mit Th. Hell in beständigem Briefwechsel stand, für Deutschland gar nicht aufgenommen haben*. Doch man muß hören, wie der Uebersetzer im Vorwort über dieß alles sich selbst erklärt, und erst dann sein Urtheil fällen. Uns bleibt hier nichts übrig, als eine Probe der Uebersetzung zu geben mit Anführung des Originals. Sie ist aus der sogenannten Pracht-Scene genommen, wo Rezia, den Fluthen entronnen, ausruft und den Ocean begrüßt, (den der britische Dreizack so mächtig zu zügeln versteht):
Wir wählten diese Probe bloß deswegen, weil dieß Recitativ, ein besonderer Günstling des John Bull’s im Munde der gepriesenen Miß Paton stets wiederholt werden mußte. Wie ungern enthalten wir uns noch einiger andern Singstücke, als des Schlußgesanges der Sirenen und Elfen am Ende des zweiten Aktes, und des schon jetzt in London überall wiedertönenden herzlichen Liedchens der Fatime:
Mögen nun unsere deutschen Bühnen, welchen auf diese Weise aller Vorwand genommen ist, als sey dieß nur auf die englische Sangweise und Darstellung berechnete Stück bei uns weniger aufführbar, | bald Hand anlegen, durch angemessene und schnelle Aufführung dieses schönen Vermächtnisses unsers Webers den Manen des Unersetzlichen eine wohlgefälligere Todtenspende zu bereiten, als ihnen die Britten, denen er die letzte Kraft geopfert hatte, zu bringen vermochten. Partitur und alles ist in den treuen Händen unsers Hofraths Winkler, der nicht bloß den Uebersetzer dieses verwaiseten Oberons, sondern auch seinen väterlichen Pfleger zu machen in seinem Herzen und im vollsten Zutrauen der theuern Hinterlassenen eine zweifach heilige Veranlassung fand. Böttiger.
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Schreiter, Solveig
Überlieferung
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Textzeuge: Wegweiser im Gebiete der Künste und Wissenschaften (Beilage zur Abend-Zeitung), Jg. 10, Nr. 53 (5. Juli 1826), S. 209f.
Einzelstellenerläuterung
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„… Deutschland gar nicht aufgenommen haben“Es handelt sich nur um eine Nummer, die ausgetauscht wurde. Anstelle der von Weber ursprünglich komponierten ersten Fassung der Arie des Huon (Nr. 5) verlangte der Sänger John Braham eine Neukomposition auf einen weiteren Text (Nr. 5A), die bei der UA erklang. Für die deutsche Version der Oper (und den deutschen Klavierauszug) machte Weber diesen Schritt rückgängig.
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„Crusting“recte „Crushing“.