Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Partheienwuth“ von Ziegler am 14. Januar 1819
Donnerstag, den 14. Januar. Partheienwuth, Schauspiel in 5 Akten, von Ziegler. Die Rolle des ganz in kaltem Feuer geschmiedeten, durchteufelten Oberrichters Jefferies, wozu leider nicht bloß die Republikanerwuth in England in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts, sondern auch die Schreckensscenen im revolutionären Frankreich mehr als ein vollkommenes Urbild geliefert haben, ist eine der durchdachtesten und gelungensten Leistungen unseres einsichtvollen Geyer’s, da es hier mehr auf ein gehaltenes Spiel, als auf ungewöhnlichen Kraftaufwand ankommt. Er befriedigte darin heute mehr, als je vorher. Einigemal siegte sogar seine Kunst über die Sentimentalität. Es verlautbarte Beifall. Der Moment, wie er den alten Diener John streichelnd und liebkosend vom Tischdienst entläßt und wie der ausgebrannt scheinende Aschen- und Tothenknochenhügel doch in Lachen aufschlägt, als ihm der Sherif Sir Eduard den Schreiber in dem Bart wirft, sind unbezahlbar. Wir können am Schluß, nach dem tödtlichen Schuß, sein Herabwälzen von den Stufen des hohen Gerüstes durchaus nicht tadeln. So weit ist es nicht nur in der Grenze der Wahrscheinlichkeit, sondern auch, fern von aller Unanständigkrit‡, zweckdienlich als Sühnung. Wie wirksam hierbei die wohlberechnete Wahl des Costüms sey, selbst bis auf die characteristische blutrothe Farbe des Barets, des Durchsteck-Mäntelchens und der Beinbedeckung, ja selbst bis auf die Wahl des Krückenstocks, zeigte sich hierbei auf neue sehr deutlich. So macht auch die nach ächten Mustern gewählte Kleidung des Sherifs, Sir Eduard (Hrn. Hellwigs), einen würdigen Eindruck. Besonders entwickelte aber Mad. Schirmer, als Lady Jane Gaunt (sprich: Gâhnt), selbst auch in der Wahl ihres dreifachen Anzugs den ihr eigenen Sinn für kleidsame Schicklichkeit. Die Art, wie sie in der Abschiedsscene von ihren Hausgesinde und Dienerinnen die Abnahme des Schleiers geordnet hatte, erreichte jede beabsichtigte Wirkung. Doch ist dieß nur Nebensache. Sie spielte nicht, sie war die heldenmüthige, frommergebene, Liebe mit Frömmigkeit, und jener Kraft, die nur von oben kommt, sinnig verbindende Dulderin, Welchen Beifall würde auf einer andern Bühne, gleich im ersten Akt, der durch Niederkämpfung so vieler Rücksichten gesteigerten Erzählung geworden seyn? – Ihr kurzes Gebet vor der Jury, die sein abgestuften Abschiedsmomente vor der Hinrichtung griffen tief in das Innere der Zuschauer. Dabei so gar nichts von falscher Manier, von Heroismus, den wir wohl auch an gerühmten Künstlerinnen in diesen Situationen bemerkten. Sie erbebt in jedem Toedsschauer so menschlich und weich. Das entspringt nur aus dem reinen, ungetrübten Quell innerer Wahlverwandschaft. Die Kunst breitet nur den Schleier der Anmuth darüber. Die Rolle ist bekanntlich, selbst ihrem auftobenden Vetter gegenüber, aus Nachklängen und Schattenbildern nach Schiller’s Maria Stuart zusammengewebt. Von allen Seiten vernahm man ¦ daher beim Herausgehen Stimmen: wenn wird das hohe Urbild selbst einmal wieder ganz würdig über unsre Bühne schreiten? – Und solche Aeußerungen müßten der bescheidenen Künstlerin, wären sie von ihr vernommen worden, willkommener gewesen seyn, als ein noch so stürmisches Herausrufen. Wie unrein sind bei letzterem oft die Quellen!
Böttiger.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Partheienwuth“ von Ziegler
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 21 (25. Januar 1819), Bl. 2v