Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 9. bis 13. März 1819 (Teil 2 von 2)

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Der arme Maler.

(Beschluß.)

Wir haben, außer einigen Anekdoten aus Friedrichs II. und Kaiser Josephs Leben, kaum etwas der Art aufzuweisen. Warum sollte nicht Gottscheds Unterredung mit dem König von Preußen, die Anekdote mit dem thüringer Candidaten und dem König im Sanssouci, die vor kurzem in den Berliner Zeitungen mit Vergnügen gelesen worden ist, einige Scenen aus unsers Rabener’s Leben, einige Epigramme unsers witzfertigen Kästner’s u. s. w. einen dankbaren Stoff darbieten, als andere Boden- und Zeit lose Scherzspiele. Alles tritt in festere Formen, plastischer hervor, wo sich’s bei solchen Bluettes an etwas Geschichtliches anklamme[r]n kann. Diese Maler spielen im Jahr 1773 in der Leipziger Messe. Der Maler Selnau (Hr. Geyer) hat an den damaligen Theaterdirektor Koch (Hrn. Burmeister) eine schläfrige Mißgeburt von Luftspiel anonym eingeschickt, und baut auf den Erfolg desselben goldene Schlösser. Sein Töchterchen (Dem. Tilly) hat wenig Glauben daran, aber um so mehr Liebe zu einem reichen Leipziger Kaufmannssohn, Julius Wendt (Hrn. Kanow). Ein zweiter Maler Krüger (Hr. Hellwig) spekuliert weit klüger auf eine Gemälde-Auktion, welcher beide Maler ihre unverkauften Gemälde einzuverleiben beschließen. Nun tritt der Schauspieldirektor Koch selbst auf, und treibt, den Verfasser nur als Maler schätzend, als Dichter nicht kennend, durch ein Todesurtheil über seinen Liebling den entzauberten Vater in Verzweiflung. Am Ende hilft die Auktion aus aller Verlegenheit. Das Stück hängt lose und leicht zusammen und läßt uns zuletzt in argen Zweifelsketten hängen. Wir wissen es daher einem denkenden, selbstdichtenden Künstler, wie Hrn. Geyer, Dank, daß er gleich zum Anfange manches wahrscheinlicher motivirte. Ueber den Grundton, in welchem beide Maler gespielt werden müssen, wird dann kein Zweifel seyn, wenn man darüber einig ist, daß beide in ihrer Art, Selnau ein tüchtiger ¦ Figuren-, Krüger ein wackerer Landschaftmaler ist. Da aber kann sich doch die Freude über die ungeheuern Auktionspreise, womit ihre Bilder erstanden worden sind, bei Krüger kaum so unbändig gebehrden, als es hier durch Aufpauken auf den Tisch, durch das Emprowerfen des Hutes, vor allem aber durch das alle Flurbreter überschäumende Forte der Deklamation wirklich geschah. Die Freude muß ausbrausen, muß ein Contrast gegen Selnau’s Entmuthigung bilden. Das versteht sich. Auch ist Krüger durchaus als ein lustiger Geselle und etwas Fanfaron gehalten. Aber, nur ein Charletan der Malerkunst würde sich bei einem solchen Glücksfalle so gebehrden! Zwischen auflodernder Extase und Aufbrausen oder Aufsprudeln ist eine scharfe Grenzlinie. In dem Vorhergehenden hatte der Künstler sehr fröhliche und ergötzliche Momente. Hr. Geyer, als Selnau, hatte seine Rolle wohl durchdacht und zeigte ihre Hauptmomente vollkommen. Wie süß und selig blickte er in der vollsten Ueberzeugung, seine Stelle müsse ihm Ruhm und Ehre bringen, um sich, und wie richtig waren die ächt-komischen Uebergänge vom Erstaunen zur Verzweiflung, von dieser zum Zorn und zu den bittersten Vorwürfen an den brav zuspielenden Direktor Koch, Hrn. Burmeister. Hier haben Dichter und Schauspieler gleich vielen Beifall verdient. Auch zweifeln wir nicht, daß bei wiederholter Aufführung sich manches noch mehr runden, einiges in Selnau’s Rolle noch mehr gehoben werden wird. Die Rolle der Malerstochter, der Metha, ist, so klein sie ist, doch dankbar und voll kleiner Schalkheiten. Dem. Tilly, die sie mit Wohlgefallen spielte, und einige Witzspitzen, wie z. B. „Der Käufer nahm vielleicht ihn als Familienstück“ gut hervorhob, wird noch manches daraus entwickeln, oder auch – was immer die Künstlerin ehrt – hineinlegen können. – Das Costüm war, zur großen Ergötzlichkeit des Publikums, getreu in die Zeit von 1773 gebracht, und verdient allen Beifall. Nur wünschten wir der weiblichen Tracht eine kleidsamere Farbe, als dies Weiß war.

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die armen Maler“ von Karl Jents am 13. März 1819 (Teil 2 von 2). Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 72 (25. März 1819), Bl. 2v

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