Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Maria Stuart“ von Schiller am 10. Juli 1819 (Teil 3 von 3)
Maria Stuart.
(Beschluß.)
Zum erstenmal tritt in dieser Schlußszene die triumphirende Elisabeth lebendiger auf. Sie hat ja nichts mehr zu fürchten. Nun mag ein Cassationsgericht berufen, die falschen Aussagen mögen zurückgenommen werden. Mit Burleigh’s Entlassung, Davison’s Hinrichtung wird alles begraben. Da drückt der, ihre Heuchelbitte verschmähende, edle (von Hrn. Werdy im Ganzen sehr brav, aber hier offenbar zu ehrerbietig gespielte) Shrewsbury durch sein letztes Wort den Pfeil in die Brust und die Nachricht, Leicester habe sich eingeschifft, dringt wie Rabengekrächze ihr in’s Ohr. Wie steht sie, totz aller zusammengerafften Fassung, angedonnert da! Freilich verloren wir durch das unverantwortliche, einem ganzen Publikum schmetzlich‡ empfundene Ausbleiben des (nirgends zu findenden!) Pagen, gerade den Anfang der Szene, wodurch alles motivirt wird, und Hrn. Werdy’s rettendes Eintreten konnte doch der Künstlerin nicht ersetzen, was ihr in diesem alles entscheidenden Momente geraubt worden war. Indeß bestand unsre Elisabeth auch diese harte Prüfung ihrer ächt königlichen Imperturbabilité oder, will man’s in der Sprache der Stoiker, ihrer Ataraxie. Schon darum allein hatte sie verdient im Unisono hervorgerufen zu werden! Doch der großen Künstlerin gnügte ein einziges Ach! aus der gepreßten Brust, ihr vom Halbzirkel zufliegend, vielleicht mehr, als das Geläute mit allen Glocken, wie Iffland dieß wohl im Scherze zu nennen pflegte. Wenn es nur noch eine andere Münze auf diesem Markte gäbe. In Paris und London freilich fliegen auch Kränze und Couplets auf die Bühne. Aber bei uns?? Hier darf wenigstens der bescheidene Wunsch um Aufhellung, um eine bessere Beleuchtung der Szenen einmal laut werden. Wie viel ging auch dem aufmerksamsten Zuschauer, selbst mit dem bewaffneten Auge, in einem Augen- und Mienenspiel verloren, das gerade in der Rolle der Elisabeth, bei ihrer halbzugemauerten Insichgekehrtheit, so bezeichnend war!
Böttiger.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Maria Stuart“ von Schiller (Teil 3 von 3)
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 172 (20. Juli 1819), Bl. 2v