Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 2. bis 8. Dezember 1817

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Am 2. Decemb. Shakespear als Liebhaber. Lustspiel in 1 Akt nach Duvall, von Kurländer. Mit wiederholtem Beifalle.

Hierauf zum Erstenmale: Der Schatzgräber. Singspiel in 1 Akt nach dem Franz., Musik von Mehul. Nur die recht liebliche Musik des trefflichen Tonsetzers konnte dieser ärmlichen Intrigue und dieser ungelenken Sprache einigen Reiz verleihen, der aber doch nicht stark genug wirkte, um ein Wohlgefallen an dieser Oper hervor zu zaubern. Herr Geiling gab sich in der Hauptrolle des Geronte viel Mühe, sie hat aber zu wenig ächtkomische Situationen, als daß auch der beste Komiker viel Wirkung damit hervorbringen könnte. Das Duett zwischen Lucille und Lisette, den beiden Demoiselles Zucker, gefiel am meisten und mit Recht. Schade war es, daß Herr Bergmann keine Arie in der Oper hatte, wir hätten ihn so gerne gehört. Herr Wilhelmi, als Crispin, war sehr lebendig.

Am 3. Decemb. Le nozze die Figaro.

Am 4. Decemb.. Das Waisenhaus. Oper in 2 Akten, mit Musik von Weigl. Herr Hellwig gab heute, nach Herrn Genast’s Abgange, den Wellmann mit vieler Innigkeit.

Am 6. Decemb. Griselda, von Paer! Die innige Seelensprache dieser Musik ergreift und rührt stets auf’s neue, und bei jedem Hören wird man immer mehr treffende und sinnige Charakterzüge in dieser Oper finden. Wie richtig und fein gefühlt ist es z. B. nicht, daß vom Anfang an Griselda’s Gesang immer vorherrschend von der Violine begleitet wird, deren Ton doch der weichste, seelenvollste, anschmiegendste ist, besonders wie Polledro sie spielt, bis zuletzt in der herrlichen Scene und Arie mit dem schönen Violinsolo, der aus innigstem Gefühl hinströmende Gesang und der süße Schmerz der Saitenklänge sich gegenseitig verklären und heben; ja selbst wo die tieferschütterte holde Dulderin nur aus gepreßtem Herzen, im ersten Finale sowohl als im letzten, die rührenden, halbgebrochnen Worte ausspricht, selbst da, wo alle andern Instrumente verstummen, begleiten die treuen Saitenklänge sie noch im bebend leisen pizzicato. So ist es herrlich, wie da, wo sie zuerst die Tochter erblickt, nach diesem: „Sogno, o son desta?“ die himmlischen Töne des Waldhorns wie ein Echo einer schönern, längstentflohnen Zeit verhallen. Den Marchese scheint die Oboe am meisten zu begleiten, und gewiß am passendsten. Sgra. Sandrini spielte mit so innigem Gefühl, wie stets, doch schien sie etwas angegriffen; das Chor unterstützte sie bei der großen Scene im ersten Akt nicht gehörig, und es gehörte ihre und des Orchesters Festigkeit dazu, um das Ganze vor Verwirrung zu schützen. Alle übrigen gaben sich auch Mühe, besonders ist das lebhafte Spiel der Sgra. Miksch, als Lisetta, und der Gesang des Hrn. Miksch, als Lesbino, zu loben. Sgnr. Ricci bleibt seelenlos und unbeholfen im Spiel, doch muß man ihm Fertigkeit im Gesang zuerkennen. Si¦gnor Benincasa hätte zuletzt wohl mehr großväterliche Freude über das gefundene Enkelchen äußern können.

Am 7. Decemb. Auf vielseitiges Begehren, Der Weinberg an der Elbe. Ländliches Lust- und Festspiel in einem Akt, erfunden und gedichtet von Fr. Kind. Vorher ging folgender , von Th. Hell gedichteter und von Mad. Hartwig mit Gefühl und Wahrheit vorgetragener, Prolog:

Giebts wohl ein höheres Gefühl in unsrer Brust,Wenn sich Empfindungen der reinsten ErdenlustMit sel’gem Flügelschlag begeistert drinnen regen,Als heißer Vaterlandesliebe reichen Segen?Es trägt das Vaterland in seinem theuern SchoosJa jedes hohe Glück und jedes schöne Loos,Das aus der Urne des Geschicks uns ward gezogen,Uns aufrecht haltend in der Lebensstürme Wogen.Da tritt entgegen uns der Kindheit frohes Spiel,Der Jugendjahre Gluth, des Alters still Asyl,Und alles was mit Lieb’ und Freundschaft wir umfingen,Und alle Theuern, die einst Hand in Hand uns gingen.Und über alles glüht im reinsten, vollsten Glanz,Der schönste Blumenschmuck im reichgewundnen Kranz,Der lebensvollste Strahl der heimathlichen Sonne,Ein seliger Verein, des Vaterlandes Wonne,Das theure Königshaus! – Ja, um des Königs Thron,Wo Milde wohnt bei Recht, und bei Verdienst der Lohn,Schlingt sich mit Liebestreu der Sachsenraute Ranke,Daß ihm sie jedes Glück und jeden Segen danke.Und in der tiefsten Brust ruht jeder hohe ZweigIn Lieb’ und Herzlichkeit dem Vaterstamme gleich,Und schön’re Feste weiß kein Sachse zu begehen,Als wenn sie glücklich sind, zu ihnen aufzusehen. –So weide dann der Blick sich noch einmal auch heutAn jenem Kunstgebild, dem Kind’ der Feierzeit,Wo Hymenäen an der Elbe Ufer schalltenUnd an der Arno Strom entzückend wiederhallten.Das Herz, das sich in Lieb’ zum Vaterland berauscht,Hat mit den Tagen nicht auch das Gefühl getauscht,Ihm tönt durch’s Leben hin, in seligen Akkorden,Was da ein hohes Fest auf ew’ge Zeit geworden.Was braucht’s der Worte noch? In jedem Auge glänztDie Freude schon, die sich mit der Erinnrung kränzt,In jedem Herzen klopft die alte Lieb’ und Treue,Daß so sich immerdar Vergangenes erneue.Daß so kein Augenblick, wo das Vertrauen nichtUm unser Königshaus der Liebe Kränze flicht;Und jeder Pulsschlag soll die Bürgschaft uns erwerben:Für König, Vaterland, zu leben und zu sterben!

Zum Schlusse der heutigen Vorstellung: Der Shawl.

Am 8. Decb. Der verbannte Amor. Lustspiel in 4 Akten von Kotzebue. Ward mit Leben und Geist aufgeführt und gefiel sehr.

Editorial

Summary

Aufführungsberichte Dresden: 2. bis 8. 12. 1817 (darunter “Der Schatzgräber” von Méhul am 2.12. u. “Der Weinberg an der Elbe” am 7.12.)

Creation

vor 23. Dezember 1817

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 306 (23. Dezember 1817), f 2v

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