Prag, vom 12. Jan. 1817
Gestern beging das hiesige Königl. Ständische Theater die Todtenfeier des am 20. December verstorbenen Direktors desselben, Karl Liebich. Sein Tod in der Blüthe des Mannes=Alters hatte allgemeine Theilnahme erweckt, denn er war ein wahrhaft edler und trefflicher Mann,ein ausgezeichneter Künstler, und der Vater seiner Gesellschaft, die an ihm einen unersetzlichen Verlust erlitt, und die er mit Weisheitund Liebe durch so manchen Zeitensturm geleitet hatte. Die Bühnestellte zu dieser traurigen aber tiefergreifenden Feier einen Saal vor,in dessen Mitte sich Liebichs Bild nebst einem davorstehenden einfachenOpferaltar befand. Eine Trauersymphonie leitete ein, dann erhob sichder Vorhang, und sämmtliche Schauspieler und Schauspielerinnenwaren schwarz gekleidet auf der Bühne versammelt. Ein Trauerchorfiel nun ein. Nach dessen Ende trat der Regisseur vor und sprach folgendes:
Mit düsterm Bangen nenn ich euch willkommen,Verehrte! die der Musen KlagerufenMit sinnigem Gemüthe heut vernommen,Und Euch versammelt an des Altars Stufen;Zu einem Todtenfest seyd Ihr gekommen,Es nahmen Götter, was sie herrlich schufen –Mit Trauer füllen sich die hohen Hallen,Der Meister in der Kunst – er ist gefallen!Verwaiset ist der Mimen weiter Reigen;Den Vater haben alle wir verloren,Und, wenn zum Himmel unsre Klagen steigen,Wenn Zähren unsre Blicke trüb umfloren:Sie sind des tiefsten Schmerzens laute Zeugen,Daß sich das Schicksal wider uns verschworen;Die Thränen mögen unaufhaltsam fließen,Denn Liebich – ist auf ewig uns entrissen.Sein strahlend Haupt, mit Lorbern reich gezieret,Dem finstern Todesengel ist’s verfallen – Wer bleibt bei solchem Schlage ungerühret,Wo unsre Töne trauervoll erschallen,Thaliens Kunst den höchsten Glanz verlieret? –Nicht uns allein ist Er gestorben – Allen! Drum wollen all die Edlen sich vereinen Mit uns in unsern tiefen Gram zu weinen.Die Erde war geschmücket durch sein Walten,Der, Proteus gleich, in wechselnder BewegungVor dem Gemüthe wußte zu entfaltenDes innern Herzens tiefgeheimste Regung –Vorüber glitten jegliche GestaltenDurch seine Kunst und weise Ueberlegung;Darum, mit regen Dankes EhrenkränzenGeschmückt, soll uns sein Trauerdenkmal glänzen.
Hierauf legte die Schauspielerin, Demoiselle Brand einen Eichenkranzauf den Altar, sprechend:
Von reinem Sinn und herzlichem GemütheWarst Du dem Freunde stets ein Freund gewogen, – ¦ Geziert mit jeder schönen HerzensblütheHast nie dem Leidenden die Hand entzogen,Und in des Lebens weitem Machtgebiete,In wilder Stürme wutherfüllten Wogen,Bist Du dir gleich und immer gut geblieben,Drum fasset wilder Schmerz, die, so Dich lieben.Und wo das Allgemeine Dich gerufen,Da kamst Du schnell mit hochgesinntem Streben,Ein frommer Bürger an des Thrones Stufen,Der treulich sorgt für seiner Brüder Leben;Und da Dich nun der Herr zu sich berufenWird ew’ge Freude glanzvoll Dich umschweben;Es schallet von des Weltenrichters Throne:Dem Biedern reicht die schönste Bürgerkrone.
Die Schauspielerin, Dem. Böhler einen Lorbeerkranz auf den Altar legend, fuhr dann fort:
Wer kann, wie Du in farbereichen BildernDie Thorheit mahlen, und der Alten fromme Sitte,Vom Tugendglanz bis zum Gemüths=Verwildern,Vom Thron uns leiten bis zur Bettlerhütte,Und, um des Herzens Aufruhr dann zu mildern,Auch wieder in des Lebens stille Mitte? – Und schwebet auch Dein Geist noch bei den Sternen,So wird er doch sich nie von uns entfernen.Des Menschen Herz zur Tugend zu erhebenHast Du so reich das Leben ausgezieret,Und wer sich wilder Leidenschaft ergeben,Er ward gewiß durch Deine Kunst gerühret – Drum wirst auch Du für die Welt und Nachwelt leben,Der manchen auf der Tugend Pfad geführet.Wer seine Kunst umgab mit solchem Glanze,Der pranget dort im reichsten Siegeskranze.
Dann endet der Regisseur Bayer:
Mein zagend Herz ergreifts mit bangem SehnenUnd schmerzvoll mich beweget der Gedanke:„Wie so vergänglich ist das Loos des Schönen!“Doch wenn ich trostlos nun zum Altar wanke,Da eilen Himmlische, Dein Haupt zu krönen,Und reichen Dir vom ew’gen Göttertranke.Die irrd’sche Hülle durch den Tod bezwungen,Hast Du nunmehr den schönsten Lohn errungen.Was uns geblieben, wollen wir bewahren,Bewahren in der Seelen tiefstem Grunde;Es wird sich herrlich neu stets offenbaren,Und heilen jede wilde Herzenswunde;Und sinnig opfern wir dann Liebichs LarenIm ernsten, treugesinnten Künstlerbunde. –
(Ein Genius schwebte von der Decke herab und dann mit dem Bilde wieder aufwärts.)
Du schwangst Dich auf zum lichten Himmelsbogen,Dort sind Unsterbliche Dir hoch gewogen.
Der Vorhang sank hierauf, und tiefe Rührung war überallverbreitet. Die Worte sind von W. A. Gerle, Professor am hiesigen Conservatorio gedichtet.