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Dresden. (Fortsetzung aus der 42sten No.)

Am 21sten hatte auch das Publicum das Vergnügen, Mad. Catalani in einem Concerte im Saale des Hôtel de Pologne zu hören; und, wie vieles über sie schon ausgesprochen worden, so wird es doch auch uns erlaubt seyn, ohne die mindeste Parteylichkeit für oder weder sie selbst, oder ihre Beurtheiler, unsere Meynung, so kurz und so bündig, als wir vermögen, hier niederzulegen. Wenn wir aber doch auf eine hier in Dresden gedruckte Beurtheilung Rücksicht nehmen: so geschiehet das nur, weil sie es uns erleichert, unser eigenes Urtheil bestimmter abzufassen.

Es ist gesagt worden: die Stimme der Mad. C. sey „Castraten ähnlich.“ Eben dies ganz und gar nicht; sowol in der Beschaffenheit (Eigenthümlichkeit) des Tons überhaupt, als in den Verhältnissen der einzelnen Töne gegen einander, was Stärke, Intonation, Gleichförmigkeit, Glanz und Zartheit betrifft. Man hat die Stimme der Mad. C. mit der, des hiesigen, allerdings ausgezeichneten Sopranisten, Hrn. Sassaroli, (und zwar zu seinem Vortheil), verglichen: man untersuche beyde Stimmen nur z.B. nach dieser Sexte, in richtiger Proportion und Temperatur: [Sample Notation: Notenbeispiel: Notenzeile mit Sopranschlüssel, C, Noten von c’ bis c’’]

und man wird den Unterschied in Absicht der einzelnen Töne leicht finden; der, des Tons im Allgemeinen, lässt sich nicht in Worten oder Noten nachweisem, wird aber desto leichter von äussern und innern Sinn empfunden. – Dem Umfange nach, wird Mad. C. den ehemals hier angestellten ausgezeichneten Sängerinnen, Allegranti und Häser, weit nachgesetzt; und, zählt man blos die Töne, mit vollkommenem Grunde: aber die Töne der ersten dieser Sängerinnen waren nur in der hohen Region stark und voll, in der Tiefe schwach, so ¦ wie die liebliche Häser die Schwäche ihrer mittlern Töne durch viele Kunst nicht ganz verdecken konnte: dagegen sind alle, der Mad. C. natürlichen Töne (obschon diese nur eine Decimaquinta oder Decimasexta umfassen) in jeder Hinsicht vollkommen. In dieser Hinsicht dürfte sie nur mit der Mara, Gabrieli und Billington, in den besten Zeiten dieser, zu vergleichen seyn.

Ueber die Ausbildung der Naturgaben der Mad. C. unterzeichnen wir, was in folgenden Sätzen ausgedrückt ist: „man kann nicht leugnen, dass Mad. C. eine schöne, sogenannte grosse Manier, eine zum Bewundern sichere Intonation im Treffen entlegener Intervalle, eine erstaunliche Beweglichkeit und Biegsamkeit in Passagen und Coloraturen hinauf und hinunter besitze. Die höchstwichtigen Erfordernisse der ältern Schule, das Hervorbringen, Halten und Beendigen des Tones, hat sie vollkommen in ihrer Gewalt. Ihr Triller im Register der Kopfstimme ist rund und amgenehm.“ – –

In dem bald darauf Folgenden wird der Mad. C., aus dem Vorhergehenden, zugestanden, dass sie „den Namen einer grossen Sängerin vollkommen verdiene“: dann der, einer Künstlerin, abgesprochen; wobey viel Kränkendes, und nicht für Mad. C. allein, sondern auch für Andere, (namentlich von der „Geistlosigkeit der neuern Italiener“) mitunter läuft – was billigen und rechtfertigen mag, wer es kann. Dem Vorwurf aber, dass Mad. C. sich „harmonisch-unrichtige Cadenzen“ erlaubt habe, muss der Musiker zu widersprechen sich zur Pflicht machen, denn er ist ungegründet; so wie auch Einiges von dem, was auf die oben angeführte Stelle folgt, auf Missverstand zu beruhen scheint. Jene Kritik nun im Uebrigen der Beurtheilung der Leser überlassend, wollen wir in Darlegung unsers Urtheils fortfahren, und gestehen, dass die Stimme der Mad. C., was ihre Wirkung betrifft, durch die oben angeführten Vorzüge, im Grossen und Starken imponirend und mächtig, im Gefälligen und Zierlichen sehr einnehmend, in beydem äusserst wohlgefällig, ja, ist man dazu reizbar genug, hinreissend: aber nirgends rührend, in’s Herz dringend ist. Ihr Triller ist nicht richtig, denn er ist nur ¦ eine besondere Modification Eines Tons, nicht aus zweyen gebildet. Ihre Declamation ist, wo es am Orte, kräftig; ihre Schwingung in den Tönen voller Leben und von Dauer, ihre Manieren überraschen oftmals. Ihr Vocalisiren in den Passagen ist aber falsch, weil sie dieselben mit vielen Vocalen füllt, was den Regeln der Kunst zuwider ist; ihre chromatischen Scalen sind vollkommen deutlich und bestimmt; ja sie vermag (in Uebergängen u. dgl.) selbst die Laute zwischen halben Tönen, wofür keine Tonzeichen existiren, und wie sie z.B. der Virtuos auf einem Saiteninstrumente bey Uebergängen u. dgl. benutzt, sicher und für ein genugsam gebildetes Ohr bestimmt genug anzugeben. Die schon von Andern bemerkte Verziehung ihres Mundes im Anschlagen an die untere Kinnlade in den Passagen macht auf das Auge der Zuschauer keine gute Wirkung, das sonst durch den vortrefflichen Anstand und alles Aeussere der Sängerin auf eine seltene Weise befriediget wird. Ueber den Geist und Sinn ihres Vortrags im Ganzen, oder was man in gewöhnlicher Rede den eigenen Geschmack eines Virtuosen zu nennen pflegt – darüber sind wir der Meynung des Hrn. Prof. Wendt in Leipzig, wie sich derselbe in dieser Zeitung, No. 34, S. 569, v. Jahr 1816*, bey Gelegenheit des damals gegebenen Concerts, der Mad. C. in Leipzig, ausführlich ausgesprochen hat, und wie wir zu wiederholen nicht nöthig haben. – Mad. C. sang die bekannten, von ihr allerwärts vorgetragenen Stücke: Scene u. Arie, della Tromba, von Pucitta; Variationen von Rode: Gebet: Mio ben, per te quest’ anima, von Guglielmi; und Vorrei frenar le lagrime aus der Semiramis von Portogallo. Der Saal war, des hohen Preises ungeachtet, so mit Zuhörern angefüllt, dass mehr als anderthalb hundert Personen wieder fortgehen mussten, weil sie keinen Platz fanden. Mad. C. gewann in diesem Concerte über 2000 Thlr.

(Der Beschluss folgt.)

Editorial

Summary

Aufführungsberichte Dresden

Creation

Responsibilities

Übertragung
Blümer, Simon

Tradition

  • Text Source: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 20, Nr. 44 (4. November 1818), col. 778–780

Text Constitution

  • “weder”sic!

Commentary

  • “… S. 569, v. Jahr 1816”Amadeus Wendt, Ein Wort über Madame Catalani, nebst allgemeinen Bemerkungen über den Gesang, und die Verschiedenheit des italienischen und deutschen, in: AmZ, Jg. 18, Nr. 34 (21. August 1816), Sp. 569–592.

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