Friedrich Heinse: Bericht über die Dresdner Neueinstudierung von Meyerbeers Emma di Resburgo am 3. Januar 1824
Korrespondenz und Notizen.
Aus Dresden, im Januar.
Das italienische Operntheater unserer Residenz wurde mit der älteren Oper: Emma di Resburgo, von Mayer-Beer, eröffnet, welche in den drei Rollen, des Edemondo, des Norcesto und des Olfredo, neu besetzt war. Referent, welcher diese Oper damals, als sie vor nun fast vier Jahren hier einstudirt und öfterer wiederholt wurde*, fleißig gehört hat, muß zwar dem genialen v. Weber beipflichten, wenn dieser im warmen Nationalenthusiasmus dem anerkannten Genius des Komponisten den gegründeten Vorwurf macht, sich bei seiner Arbeit zu sehr dem Modegeschmack der Nation, für deren momentane Befriedigung er – in Venedig im Jahre 1818 oder 1819 – diese Oper schrieb*, accomodirt zu haben; denn es fehlt dem Ganzen an der Würde und der Haltung eines in sich vollendeten Kunstwerkes; aber Einzelnes ist doch wieder mit genialer Kraft höchst gelungen ausgeführt. Dem Schreiber dieser Zeilen fielen bei manchen Stellen die Worte der Bertha an Rudenz in Schiller’s Tell ein:
Eine Stelle des ersten Finales ist besonders bemerkenswerth, wenn man sich dabei ungefähr denkt, wie ein anderer Tonsetzer, in bloßer Manier, wohl ganz anders deklamirt haben würde; es ist der wichtige Moment des Gedichtes, wo Emma sich dem Norcest und den versammelten Schotten zu erkennen gibt. Der Anfang ist gehalten und in einfach erhabener Bewegung – eine kurze Pause, und die Gräfin geht zu dem heroischen Ausrufe über, daß nur der Tod sie von ihrem Kinde, dessen Sicherheit gefährdet ist, trennen solle. Hier deklamirt der Komponist allerdings mit einem kleinen Sprunge plötzlich in schnelleren Noten, die einen etwas leichteren Charakter haben, als der Anfang erwarten ließ, aber es ist doch ein wahrer Ausdruck der leidenschaftlichen Bewegung darin, während man ähnliche Sätze anderer Meister oft fast trivial ausklingen hören muß.
Die Darstellung war in den beiden Hauptpartien sehr gelungen, besonders die zweite. Signora Funk leistet in der Rolle der Emma, welche in Rücksicht der Gesang- wie der Spiel-Partie ihrer liebenswürdigen Individualität wohl angemessen ist, Vorzügliches, ja Ref. ist in manchen Momenten, wo ihre schöne volle Stimme durch einen warmen Vortrag belebt, sehr angenehm wirkt, flüchtig an das Phantasiebild der Sängerin erinnert worden, welche unser Tiek in seiner letzten Novelle so reizend schildert.
Sigra. Tibaldi zeichnet sich als Edemondo äußerst vortheilhaft aus. Durch ihren schönen, genauen und geschmackvollen Vortrag, dem es auch an wahrem und warmen Ausdrucke nirgend fehlt, ist diese Rolle – besonders in den schönen nur etwas langen Arien – unter uns erst zu gebührenden Ehren gekommen.
Das Terzett dieser beiden Damen mit Sgra.‡ Zezi (Olfredo) war von ergreifendem Effekt.
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
- Korrektur
- Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 24, Nr. 16 (22. Januar 1824), col. 135
Text Constitution
-
“Sgra.”sic!
Commentary
-
“… einstudirt und öfterer wiederholt wurde”Dresdner Erstaufführung am 26. Januar 1820; bis 8. September 1821 13 Aufführungen; in der Premierenbesetzung sangen Camilla Miksch den Edemondo, Giovanni Cantù den Norcesto und Gioacchino Benincasa den Olfredo. 1824 übernahm Serafino Gentili den Norcesto.
-
“… 1819 – diese Oper schrieb”Uraufführung in Venedig am 26. Juni 1819.