“Veni Sancte Spiritus”, Motette von Johann Gottfried Schicht
Motetto: Veni Sancte Spiritus, für 4 Singstimmen; komponirt von J. G. Schicht*. Leipzig, bei Kühnel. Preis 14 Gr.
Auch von geistlichen Dingen darf in einem Blatte, wie die Zeit. f. d. eleg. W., ein Mal die Rede seyn: findet man doch auch in der eleganten Welt, zu ihrer Ehre sey’s gesagt, noch Gefühl für schönen Kirchenstil, (zumal wenn er dabei so lieblich ist, wie der vorliegende,) und auch noch so manche Quartettgesellschaft, der es um die Kunst ernst ist, welche in ihrem engern Zirkel gern vierstimmige Gesänge aufführt, und an neuern Werken dieser Gattung (womit unsre heutigen Verleger sich so selten befassen mögen) Mangel leidet. Ref. selbst wünschte, er wäre, zum Besten seines Privatzirkels und seiner öffentlichen Musikaufführungen*, schon früher auf diese in beiden Hinsichten so angemeßne Komposition aufmerksam gemacht worden. Das vor-liegende Werk besteht aus drei nicht langen Sätzen, blos für Singstimmen ohne alle Begleitung; dem Originaltexte ist eine passende deutsche Uebersetzung beigefügt, und in beiden Sprachen ist die Motette, wie auch das Titelblatt anmerkt, „nicht nur zum Pfingstfeste zu gebrauchen, sondern man kann sie auch bei feierlichen Gelegenheiten und beim Anfange des Gottesdienstes jeden Sonntag aufführen, so wie man es mit dem Liede: Komm heilger Geist, zu thun pflegt.“
Gleich der erste Satz, „Veni“, ist eine so anziehende Einladung, der, sollte man sagen, der heil. Geist schwerlich widerstehen möchte, der auch wenigstens von Ferne schon über dem Componisten geschwebt haben mag, als er die Motette schrieb.
Dem zweiten Satze gibt das kecke Aufwärtssteigen der Modulation, immer um eine kleine Tonstufe im Basse einen ganz eignen mysteriösen und feierlichen Charakter, worauf eine wohl abgerundete und klare Fuge: „Halleluja,“ das ganze sehr befriedigend schließt, und in dem Gemüthe des Zuhörers eine heitre Erhebung zurückläßt. Manheim im Januar 1812.
Editorial
General Remark
Zuschreibung: namentlich gezeichnet
Kommentar: G. Weber hatte Schicht wohl vor allem durch dessen Grundregeln der Harmonie, die er zur selben Zeit studierte und rezensierte (vgl. 1812-V-46), schätzen gelernt. In seinem Bericht über eine Aufführung der Motette 1814 in Mannheim, in: AmZ, Jg. 16, Nr. 21 (25. Mai 1814), Sp. 359–360, verweist G. Weber auf die vorliegende Rezension und zitiert einige Passagen. Auch in seinem Brief vom 6. April 1813 an Ambrosius Kühnel, in dem er diesem sein Te Deum laudamus op. 18 zum Verlag anbietet, versäumt G. Weber nicht, auf diese Rezension hinzuweisen mit der Bemerkung, Kühnel werde sie in der Zeitung f. d. Eleg:[ante] Welt […] gelesen haben. Das Gefühl für schönen Kirchenstil in der eleganten Welt, an das G. Weber hier appelliert, war offenbar nicht mehr weit verbreitet, denn kurz darauf hatte er allen Grund, für die Kirchenmusik in Konzerten öffentlich einzutreten; vgl. 1812-V-22.
Creation
–
Tradition
-
Text Source: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 12, Nr. 45 (3. März 1812), col. 358–359
Commentary
-
“Motetto: Veni Sancte … J. G. Schicht”MOTETTO | Veni sancte spiritus – | Heiliger Quell der ewigen Seligkeit – | für | vier Singstimmen | komponirt | von | J. G. Schicht. | Diese Motette ist nicht nur zum Pfingstfest zu gebrauchen, sondern man | kann sie auch bei feyerlichen Gelegenheiten und beim Anfang des Gottesdien- | stes jeden Sonntag aufführen; so, wie man es mit dem Liede: Komm heiliger Geist | in manchen Ländern zu thun pflegt. | Bei A. Kühnel, Bureau de Musique in Leipzig. Pr: 14 Gr. [PN 739] [RISM S 1543].