Aufführungsbesprechung: “Das Tal von Barcelonetta” von Peter Ritter am 4. August 1811 in Mannheim
Auf dieses Lustspiel* folgte: (zum erstenmal) Das Thal von Barcelonetta, oder die beiden Eremiten, Singspiel in 1 Aufzug, componirt vom Kapellmeister Ritter.
Hrn. Ritters Talent, insbesondere für das naiv-romantische Genre, haben wir bereits in frühern Blättern* anerkannt. Hier ist sein Styl eben so entfernt von Wenzel Müllerscher Plattheit als von französischer Ziererey, und dabey öfters ganz originell. Können wir auch von dem heutigen Stückchen nicht ganz so viel Auszeichnendes sagen, als wir vom Zitherschläger in Nro. 12 der Mannheimer Schreibtafel gesagt haben, so erkannten wir doch auch heute, besonders an der Ouvertüre und den meisten Numern der ersten Hälfte des Stückchens mehreres für sehr gelungen. Am vorzüglichsten ist die Szene, wo die Savoyarden-Jungen in der Heimath ankommen*. Erst der muntre Tanz mit kindlich leichtem Chorgesang, und bey dessen Schlusse der plötzliche Uebergang zur feurigen Umarmung der Eltern – an welche sich dann wieder die allgemeine Rührung anschließt bey Einhändigung des erworbenen Geldes, und gleich darauf wieder die lebhafte Apostrophe an die Liebe (wo die neue Tonart C dur dem Gehör und Gefühl so wohl thut –) und das alles so recht Schlag auf Schlag ineinander greifend! –
Die Darstellung dieser Szene, so wie des ganzen Stückes, war rasch und fleißig; und namentlich freute sich Ref., die Chöre und Tänze so zahlreich besetzt zu sehen, was denn freilich nur dadurch thunlich war, daß das Süjet gestattete, Chöre und Tänze sehr leicht zu behandeln. Chöre und sämmtliche Solo-Parthien wurden gut vorgetragen; besondere Aufmunterung verdient Mlle. Müller*, welche heute, vielleicht zum erstenmale, in einer ihrer Individualität recht angemessenen Role, lebendiges und feuriges Spiel mit vieler Leichtigkeit verknüpfte, und dadurch die Bemerkung bestätigte, welche wir ihr als Julie in der beschämten Eifersucht jüngst gemacht haben*, daß sie mehr für lebhafte als für seriöse Rolen geschaffen ist. Beim Solotanze hätten wir ihren Bewegungen mehr Leichtigkeit und Grazie gewünscht, wenn gleich die männliche Kleidung den Mangel weniger fühlbar macht, welchen die weibliche doppelt hervorhebt. – Dahingegen gelang ihr die oben erwähnte Apostrophe an die Liede‡ in Spiel und Gesang ganz vorzüglich, und überhaupt gab sie uns neue unverkennbare Beweise glücklicher Anlagen und anhaltenden Fleißes; und gewiß darf sie sich von der Zukunft viel versprechen, wenn sie so glücklich ist, in den ersten paar Jahren noch nicht aufzuhören, sich als Anfängerin zu betrachten.
Editorial
General Remark
Zuschreibung nach Sigle.
Vgl. Kom. 1811-V-56; G. Weber bezieht sich in seinem Teil auf einen früheren Text von Dusch (1811-V-50) und spricht dabei von einer Bemerkung […], welche wir […] jüngst gemacht haben. Zu der vorausgegangenen Kritik an den Besprechungen von G. Weber und Dusch vgl. ebenfalls Kom. 1811-V-56.
Creation
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Tradition
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Text Source: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 133 (6. August 1811), pp. 531
Commentary
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“dieses Lustspiel”Wer sucht, der findet auch, was er nicht sucht von Ernst August von Steigentesch; vgl. 1811-V-56.
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“in frühern Blättern”G. Weber hatte bereits über Peter Ritters Zitherschläger (1810-V-19 Teil 1 und 2) und über Salomons Urteil geschrieben (1810-V-22 und 1811-V-53).
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“Szene, wo die … der Heimath ankommen”Szene I/4, Chor (Nr. 4).
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“Mlle. Müller”Nanette Müller trat als Karl auf.
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“die Bemerkung bestätigte, … jüngst gemacht haben”Gemeint ist die von Dusch verfaßte Kritik über Die beschämte Eifersucht von Johanna von Weissenthurn; vgl. 1811-V-50.
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“Liede”recte “Liebe”.