Aufführungsbesprechung: “Feodora” von Peter Ritter am 11. Oktober 1811 in Mannheim

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Mannheim, den 12. Okt. 1811.

Theaterbericht. Freitags, den 11. Okt. (zum erstenmal): Feodora, Singspiel von Kotzebue, componirt vom Kapellmeister Ritter. – Je mehr der Componist dieses Operettchens das Publikum mit Kindern seines gefälligen Talentes beschenkt, desto mehr Dank verdient er. Die Zwanglosigkeit und Laune, mit welcher er sich in der lyrisch-romantischen Sphäre bewegt, ist auch in der Feodora nicht zu verkennen, und wenn gleich Ref. wiederum gestehen muß, daß Feodora ihn weniger ansprach, als der Zitherschläger* gethan hat, so bewies doch der laute Beifall des Publikums das Interesse, welches die Composition dem Zuhörer abgewann.

Unter den einzelnen Musikstücken läßt sich nicht wohl eines vor andern herausheben, eher ist die genaue Haltung aller gegeneinander zu rühmen. In der fugenmäßig gearbeiteten Ouvertüre möchte zu viel Leben und zu wenig Romantik vorherrschen; indessen ist die Wiederkehr des Thema am Ende des Stücks von erfreulicher Wirkung. Die Hauptszene Feodora’s* ist Ausdrucksvoll gehalten, das Duett aus B*, wenn gleich die darin durchgeführte Figur an ein bekanntes Adagio in einem Mozart’schen Violin-Quartett (Nro. VI.)* erinnert, ist schön angelegt, und wird durch das rallentando beim Schlusse sehr glücklich abgerundet. Am wenigsten befriedigte die Musik beim Auftritte des Kaisers*, wo Herr Ritter, bey der Beschränktheit seiner Mittel (nur vier singende Personen) lieber die Musik ganz hätte sollen schweigen lassen. Auch die Couplets am Ende des Stückes*, wo die Entwickelung schon geschehen und das Interesse schon gelöset ist, bringen dem Ganzen mehr Schaden als Vortheil, und halten den befriedigten Zuhörer zu lange auf.

Die Ausführung von Seiten der Sänger war sehr mittelmäßig, Mlle. Frank* ausgenommen, welche uns gestern wirklich ein Meisterstück lieferte. Ein geheimnißvolles in sich selbst zurückgezogenes Wesen verbreitete sich über ihr ganzes Benehmen während der ersten Hälfte des Stückes, und bereitete den Contrast trefflich vor. Als endlich alles sie verläßt und zurückstößt, und gerade jetzt der Augenblick erscheinen soll, von welchem sie Heil und Rettung erwartet – wie lebendig und wahr entwickelte sie da plötzlich ihr Spiel, wie überraschend trat sie aus ihrer bisher blos leidenden Haltung heraus zu leidenschaftlicher Thätigkeit, und wie feurig und hinreissend gab sie den Moment der Erhörung! – So muß sie in Berlin und Breßlau gespielt haben,* um den erstaunlichen Beyfall zu verdienen, mit dem sie dort überhäuft wurde.

G. Giusto.

Editorial

General Remark

Zuschreibung nach Sigle

Kommentar: G. Weber integrierte den Text später in überarbeiteter Form in seinen Bericht über das Winterhalbjahr 1811/12 für die AMZ (1812-V-21 Teil 1).

Creation

Tradition

  • Text Source: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 191 (13. Oktober 1811), pp. 763–764

Text Constitution

  • “So”gegenüber den folgenden Worten stärker gesperrt und in größerer Type gesetzt.

Commentary

  • “weniger ansprach, als der Zitherschläger”Vgl. dazu 1810-V-19 (Teil 1 und 2) und das Lob über Peter Ritters Zitherschläger in 1811-V-57.
  • “Hauptszene Feodora’s”Szene 4 oder 7.
  • “Duett aus B”Duett Feodora und Major (Nr. 2) „Rein wie der Äther“.
  • “Mozart’schen Violin-Quartett (Nro. VI .)”Wolfgang Amadeus Mozart, Streichquartett C-Dur (KV 465), Nr. 6 der Joseph Haydn gewidmeten Quartette; die Figur, die auch bei Ritter vorkommt, war nicht zu ermitteln, da die Partitur der Feodora in Deutschland nicht mehr vorhanden ist.
  • “Musik beim Auftritte des Kaisers”Terzett Iwan, Major und Marie (Nr. 10).
  • “Couplets am Ende des Stückes”Schlußchor (Nr. 11).
  • “Mlle. Frank”Auf Luise Frank in der Titelpartie wurde ein mit K. e. i. gezeichnetes Huldigungsgedicht (An Louise Frank, als Feodore, am 11. October 1811) verfaßt, es erschien in: Badisches Magazin, Jg. 2, Nr. 66 (19. März 1812), S. 261.
  • “in Berlin und Breßlau gespielt haben,”Luise Frank gastierte mit großem Erfolg vom 7. April bis 3. Mai 1811 in Berlin und vom 24. Mai bis 4. Juni 1811 in Breslau; vgl. Kom. 1811-V-26.

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