Nachrichten Neujahr bis Ostern 1813 aus Mannheim
Nachrichten.
Mannheim. Neujahr bis Ostern. Die abonnirten Winterconcerte, dies schöne Institut, welches noch treulich mitwirkt, den Tonkunstsinn beym grössern Publicum zu erhalten, haben auch dieses Mal sich bestrebt, so viel als möglich, durch gute Auswahl vollstimmiger Werke ihrem eigenthümlichen Endzwecke zu entsprechen. In 6 Concerten wurden von grössern, vollstimmigen Gesangstücken gehört: ein Theil von Haydns Schöpfung; der Sturm von Haydn, und zuletzt das Halleluja der Schöpfung vom kopenhagner Kunzen, Friedrich Ludwig Emil – nicht eben gross und tief empfunden, aber schlicht und recht fortlaufend, auch an manchen Stellen wirklich von vieler Wirkung. Zu letztern gehören vorzüglich der Chor: Wir preisen dich, wir danken dir, – wo die griechischen, choralmässigen Tonfolgen im Anfang erhabne Andacht ausdrücken; dann das Duett von zwey Sopranen mit Chor: Und Leben, Licht und Freud’ ist ewig – wo der Passagen-Jubel der Solostimmen trefflich an seiner Stelle ist; endlich die auf den Effect gearbeitete Schlussfuge. Eine eigne Idee war es, dass diese, doch ziemlich mit Trompeten und Pauken beladene Fuge hier bis zum letzten Unisono (wo das Stück aufhört, Fuge zu seyn,) nur mit vier Solostimmen besetzt wurde. Ausgelassen wurden die Sätze: Heilig – bis zur Schlussfuge.
Auch Carl Maria von Weber’s Declamations-Stück, der erste Ton, von Friedrich Rochlitz gedichtet, dieses treffliche Concertstück, (jetzt bey Simrock in Bonn im Stich erschienen) wurde aufgeführt, und, zumal von Seiten der Instrumental-Partie, so trefflich, als mehrere Symphonien und Ouverturen von Haydn, Beethoven, Méhul, Eberl, Krommer, u. a. Als Concertisten wetteiferten unsere rühmlichst bekannten Künstler, Ahl, Arnold, Eichhorn, Frey, Jansen, dann die jungen Nicola und Ripfel; als Solosänger, Dem’s Beck, Breier; Hr. und Dem. Müller, u. Hr. und Mad. Werner.
Das Hoftheater hat für die Oper in diesem Jahre noch äusserst wenig gethan. Mozarts Figaro wurde, nach ziemlich langer Ruhe, wieder auf die Bühne gebracht, und einigemal trefflich und mit vielem Beyfall gegeben. Wenzel Müllers Teufelsstein hat sich in 3 oder gar 4 Vorstellungen als ausgezeichnetes Kassenstück bewährt. Gastrollen sind seit einiger Zeit selten bey uns gegeben worden.
|Mad. Gervais von hier, jetzt am Carlsruher Hoftheater angestellt, gab hier Anfangs April Gastrollen, und erhielt Beyfall, als Sophia in Sargines – weniger als Rosa in den Sängerinnen vom Lande, den lautesten und verdientesten aber als Sena in Salomons Urtheil, von P. Ritter, und das, weil sie in ersterer Rolle sehr, in der zweyten aber gar arg brodirte und trainirte, und erst als Sena wieder in die Schranken zurücktrat, welche Virtuosen, wenn sie ihren Vortheil recht beachten wollen, doch nie überschreiten sollten. Lauter und ungetheilter Beyfall bewies ihr hier, dass wahre Kunst, schöner, einfacher, aber verständiger und warmer Vortrag, verbunden mir sehr gutem Spiel, am Ende doch am sichersten und tiefsten auf ein gebildetes Publicum wirken. Möchte übrigens diese Künstlerin, welche so vielfältige Schwierigkeiten schon überwunden hat, doch auch noch das nicht seltne Sinken in der Intonation abzulegen sich bemühen!
Auch neue Acquisitionen an Sängern und Sängerinnen hat unsere Bühne in der letzten Periode nicht gemacht: dagegen arbeiten mehrere unsrer schon vorhandenen Subjecte mit sehr viel Erfolg an ihrer Vervollkommnung, vorzüglich Mad. Werner, die Hrn. Lieber und Müller. Eine neue Sopranistin und ein neuer Tenor werden erwartet.
Unter den Musiken im Museum verdient nur die Aufführung der, seit mehrern Jahren hier nicht mehr gehörten erhabnen Messe von Vogler aus D moll, und in der Kirche, die Wiederholung derselben am Ostersonntage, so wie das Charfreytags-Oratorium, Graun’s Tod Jesu, besondre Erwähnung.
Editorial
Summary
1813-Gottfried-03: Nachrichten Neujahr bis Ostern 1813 aus Mannheim
Creation
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Tradition
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Text Source: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 15, Nr. 26 (30. Juni 1813), col. 430–431