Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Sonntag, 1. Juni bis Montag, 2. Juni 1817 (Nr. 53)
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- 1817-05-31: an Kind
- 1817-05-31: from Grünbaum
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- 1817-06-03: to Weber
- 1817-06-02: from Waldmüller
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- 1817-05-30: to Weber
- 1817-05-29: from Weber
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- 1817-06-03: to Weber
- 1817-06-02: from Weber
Ah, Gottlob, der May ist wett! und also wiederum ein Monat weniger. Es ist wahrlich hohe Zeit daß immer die Hoffnung näher rükt meine geliebte Lina bald die Meine zu nennen. ich werde ganz melancholisch, und muß mir rechte Gewalt anthun mich nicht einer sehr verdrießlichen finstern Stimmung hinzugeben. Habe so gar keinen Menschen hier der mir eigentlich lieb wäre, oder zu dem mich das Bedürfniß des Umgangs zöge. Bekannte genug, und brave wakre Leute, dich‡ ich meißt sehr achte, aber wenn ich so manchmal nach der Arbeit ein Stündchen verplaudern möchte, so besinn ich mich vergebens zu wem ich gehen soll, und bei jedem der mir einfällt, habe ich eine Einwendung oder Vorwand in Gedanken zu machen, so daß ich still zu Hause bleibe. Allein spazieren gehen ist auch meine Sache nicht, weil ich das für verlohrne Zeit ansehe, und somit hotte ich denn im Nest und werde brummig. Wie ganz anderst wird das sein wenn Muks da ist. da werd ich mich nach Hause freuen, da plaudern mit einem theilnehmenden Wesen, mit dem spazieren gehn, und so gerne die schöne Natur genießen im Gefühle der Mittheilung. Ja ja Muks es wird schön sein, und die Hoffnung darauf erhält mich auch allein. Mein Quartier kann ich zu Johanni noch nicht beziehen, also jezt vor dem 1t August auf keinen Fall. die Profeßorin ist sehr krank, und Er kann sie nicht in ein Haus thun wo noch gebaut und also gelermt pp wirdT. Es ist mir recht fatal, hätte gerne so nach und nach alles geordnet, und so täglich eine Freude gehabt, nun muß ich mich vielleicht am Ende recht abhezzen, um nur alles in Stand zu bringen. auch sollen jezt die Sachen immer so eingepakt stehen, und ich noch 2 Monate warten ehe ich sie zu sehen bekomme, es ist hart. Die Vorhänge sind heute sehr schön aus der Wäsche gekommen, soll ich denn deine Kleider auch waschen laßen? Befiehl über deinen Knecht!
Nachdem ich d: 30t Lection genommen* und meine No: 52 abgeschikt hatte; machte ich Probe von 10–1 vom Waisenh: Mittag im Engel, um 4 Uhr wieder Probe, und dann zum Hofr: Böttiger in eine etwas langweilige Gesellschaft. dann noch zu Ebers die Gestern abreisten. Gestern d: 31t um 9 Uhr Pr: vom Waisenh: und um 11 Uhr GeneralP: vom HausGesinde. Mittag im Engel. da bekam Franz seine übrige Livreè*, und ich hatte das besondere Vergnügen eine Schneider Rechnung von 49 rh: zu bezahlen. erhielt auch Brief von Apitz und Grünb: Ersterer schrieb mir viel Notizen über seine neue Anstellung, aber gar nichts was ich nach deinen Äußerungen hätte erwarten können. vielleicht hat er sich anderst besonnen, oder es kömt nach. Grünb: hat als Sophie in Sargin, und im Aschenbrödel außerordentlich gefallen*. ist ganz von Beers gefangen, und spielt rasch hintereinander weg, so daß sie vielleicht hier noch einmal auftreten kann.
Baßi hat mich auch seit 3 Tagen verlaßen und ist aufs Land, ich war also ordentlich froh wie Gestern Abend um 9 Uhr nachdem [ich] den Aufsaz übers Waisenhaus geschrieben hatte, Schmidl von Pillnitz zu mir kam. und wir ein paar Stunden verplauderten. Er grüßt schönstens. Heute früh habe ich denn abermals Probe vom Waisenh: gehabt. und bin dann aufs Baad gegangen habe da gegeßen, und dann die Orchester Arrangements getroffen, dann | das verehrte Hausgesinde draußen dirigirt, das seine Wirkung machte und heute mehr gefiel als das erstemal*. dann bin ich herein gefahren, und mußte mit meiner vielgeliebten Mukkin sprechen, und ihr wenigstens gute Nacht sagen, und wie lieb ich sie habe. das leztere ist nun freilich eigentlich unmöglich, aber item so gut sichs aussprechen läßt, meine Lina fühlt ja was ihr Carl sagen will. Morgen werde ich so nicht viel zum Schreiben kommen, was mir recht fatal ist, denn ich hätte dem Dr: gar zu gerne geschrieben, Er könnte sonst glauben ich sey böse, oder verkenne ihn und seinen treuen Freundes Willen, aber wirklich es geht Morgen nicht, sag ihm daß mit den herzlichsten Grüßen an ihn und das ganze Haus.
Morgen habe ich nehmlich, Lection um 7 Uhr. dann Correctur und SezProbe vom Waisenhauß. dann gleich nach Tische Conferenz. die Italiener wollen aus der Haut fahren, daß sie auch auf dem Bade spielen müßen d: 7t Nun ist aber an dem Tage gerade ein Fest auf dem Baade als dem Tag der Rückkehr unsers Königs, und da soll in die italienische Oper eine deutsche Anspielung pp hinein*, und da muß Winkler, Baßi und ich heran, und ausspekuliren wie und was zu machen ist. Zudem ist heute der Graf Vizthum nach Pillnitz gefahren wo er 14 Tage den Dienst als Hof Marschall hat, und da wird einem das hin und her Geschreibe gar arg. Wir haben immer mehr Hoffnung daß unser Opernhauß hergestellt wird. Nun! da wollen wir eine Oper loßlaßen mit dem ganzen Manchester, die soll Ihr! heißen. – ich freu miß. –
Einen lieben Trost hat der morgende Tag, das heißt er bringt einen Brief von dir. der wird so gleich nach Tische komen, und durch seine Heiterkeit gut dem Magerl verdauen helfen. Jezt gehe ich aber in Bett, nachdem ich dich in Gedanken recht innig an mein Herz gedrükt habe, bitte daß Gott dich segne + + + , dich heiter froh und zufrieden und gesund leben laße.
Gute Nacht, gute Nacht! Billionen Bußen! gute, gute Nacht! ! ! ! Dein Carl.
Tausend Dank mein guter Muks, für deinen gar lieben, fröhlichen und schönen Brief No: 57. der mir unendlich viele Freude gemacht hat. deinem Versprechen gemäß kam auch einer von Waldmüllers. die Leute sind aber etwas toll, begehrt 2500 rh: freye Quartier, Garderobe pp die glauben wohl, die Thaler seyen so wie die lumpichten Papier Gulden. da kann man nicht dienen. übrigens bin ich durch einen andern Zufall genöthigt hernach nach Pillnitz zu fahren, und werde da dem Director den Brief vorlegen. Ich habe eben rechte Noth gehabt das Lachen zu unterdrükken. nehmlich es komt mir nichts komischer vor, als wenn jemand glaubt mich überlisten zu wollen, und glaubt eine Falle gestellt zu haben der gar nicht mehr auszuweichen ist. Die Sache ist die. die Italiener sind ganz außer sich daß sie auch auf dem Baade spielen müßen. Nun ist Polledro bei mir gewesen, und hat die Idee zum Sonnabend ein allgemeines Concert draußen zu geben, wo Alle helfen müßen zur Feyer des Tages. das ist nun offenbar daß sie nicht allein hinauswollen, – Nun, wir wollen sehen wer’s ge | winnt. ich halte die Sache für unnüz. der König und die Direction können sich nicht selbst in ihrem Theater preisen laßen. geschieht etwas Bezug habendes in der Oper, so kann die Direct: sagen ich habs nicht gewußt. aber ein Concert, kann sie nicht ignoriren*. – Freylich haben nun Polledro pp die Hinterhalte, daß sie schreyen können, wir haben etwas thun wollen, und die anderen wollten nicht helfen. – – Also um 5 Uhr muß ich mit Polledro hinausfahren um die Sache zu unterstüzzen, mir ists Recht. – – Doch nun geschwind zu deinem lieben Brief, das ist gescheider als die Plakereyen.
Darfst dich nicht ängstigen liebe Lina über meine Anstrengung, ist einmal meine Pflicht, mein Element, und ich befinde mich Gott sei Dank Gesund. Pflege du dich nur recht, damit du bei mir was zuzusezzen hast. Alles sollst du machen. Thee, Kaffee pp will gar nichts mehr versehen was zur Wirthschaft gehört so bald du da bist. aber dann darf er sich auch zusammen nehmen, denn meine Leute sind an Ordnung und Akurateße gewöhnt.
Nun so erzähle mir nur die Schwächen die du abgelauert hast, es drükt dir sonst das Herz ab, und du willst doch nur haben daß ich um die Erzählung bitten soll. Die Wilhelm pp werden schon wieder bleiben. Kennst du das Sprichwort? Pak schlägt sich, Pak verträgt sich. An der Krikeberg hätten sie eine traurige Hoffnung. Sie soll sich auch hier nicht hübsch gegen die Hartwig benehmen, die doch wirklich ihr viel Gutes gethan hat. sie soll eine kleine Klatschliese sein. –
Der Gedanke, daß man beim Schauspieler leicht alles für Komödie hält, kommt gar nicht vom Dr: sondern ist eine reine Wahrheit und Erfahrung, hat auch viel Wahres im Gan‡ im Ganzen. wenigstens werden die meisten Schauspieler Karakterlose Menschen, die gut und böse sind, wie Laune und Zufall es mitbringen; selbst nicht wißen was sie wollen, und nicht genug Kraft zum Einen noch zum Andern haben. Du hast aber das, was bloß eine allgemeine Bemerkung war, viel zu scharf auf dich bezogen. ich sagte es blos um etwas noch zur Entschuldigung des Schwarz sehens des Dr:’s zu zeigen.
Ich muß schließen denn da kommen die Leute zur Conferenz.
Gott behüte dich 1000mal mein
geliebter Muks ich küße
dich innigst. Ewig dein dich innigst
liebender treuer Muks Carl.
Millionen Bußen.
Editorial
Summary
Privates; sein neues Quartier betr.; über Proben, Vorstellungen, Theaterneuigkeiten u. Gesellschaften; erwähnt Briefe; über das Fest auf dem Bade; NS: über Waldmüllers, die Auseinandersetzung mit den Italienern wegen des Fests, gemeinsame Bekannte
Incipit
“Ach Gottlob, der May ist wett! und also wieder”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 10Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- am unteren Rand der Adressenseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”
- Randanstreichung auf Bl. 1r, evtl. von Max Maria von Weber
Provenance
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“im Gan”overwritten
Commentary
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“dich”recte “die”.
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“… bekam Franz seine übrige Livreè”Vgl. dazu auch die Tagebuchnotiz.
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“… eine deutsche Anspielung pp hinein”Diese Idee einer deutschen Einlage in die italienische Oper Le cantatrice villane wurde dann aufgegeben; vgl. weiter unten. Einen musikalischen Beitrag anlässlich der Feier der Rückkehr des sächsischen Königs aus der preußischen Gefangenschaft (7. Juni 1815) lieferte Weber erst 1818; vgl. Tagebuch.
-
“… , kann sie nicht ignoriren”Den Jahrestag der Rückkehr des Königs aus der Gefangenschaft beging man „nach dem ausgesprochenen Wunsche des Königs, in aller Stille“; vgl. David August Taggesell, Tagebuch eines Dresdner Bürgers; oder Niederschreibung der Ereignisse eines jeden Tages … vom Jahre 1806 bis 1851 …, Dresden, o. J., S. 338. Somit war die Veranstaltung eines Konzerts nicht möglich. Gegeben wurde statt dessen am 7. Juni im Theater auf dem Linckeschen Bad nach der Oper F. A. Schuberts Cantate zur Feier des Jahrestages der Rückkehr Sr. Majestät des Königs aus der Gefangenschaft; vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 24. Juni 1817.