Carl Maria von Weber an Gottfried Weber in Mannheim
Darmstadt, Montag, 8. Oktober 1810

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S: Wohlgebohren

dem Herrn Licentiat Weber

zu

Mannheim

Lieber Bruder!

Deinen Brief vom 2t habe d: 4t richtig erhalten. ich lebe hundemäßig fleißig, und arbeite mich an denen 6 kleinen Sonaten halb todt. 3 sind fertig* und die anderen 3 hoffe ich auch noch binnen 8 Tagen fertig zu machen. mein KlavierConcert* ist fix und fertig, ja sogar abgeschrieben habe ich es selbst*, denn hier nimmt ein Schlingel von Copist 20 xr per Bogen. sobald die Sonaten vollends fertig gehts hinter den Abu Haßan her.      an Beer habe ich deinen Brief abgegeben, so ihm viele Freude machte. er wird dir selbst und allein antworten*. die Statuten sind angefangen aber noch nicht vollendet.      ich möchte gar zu gern mein Concert im Museum zum erstenmale spielen*, wenn ich nur wüßte wie ich es anfangen sollte.      das Voglersche Fugensystem* ist nicht gedrukt sondern Manusc: ich habe es aber in den Klauen, nur habe ich die Geduld nicht es abzuschreiben, so wichtig es euch ist.

hiebey folgt der Katalog* der käuflichen Musik; schreibe mir was du davon haben willst, und ich werde es dir dann nebst einigen andern Kleinigkeiten /: extra :/ schikken. Berger hat mir auch noch nicht geschrieben, ich erwarte aber von Hiemer einen ausführlichen Brief über ihn*.      der Frau von Gustel meinen Respekt, und ich hoffe zu Gott, daß sich diese verminderte Sept die doch eigentlich vermehrt ist, bald zu gänzlicher Zufriedenheit in einen Dreyklang als einen gesunden Jungen, oder 6/4 als in ein artiges Mädchen auflösen wird*. den Dusch puz einmal recht mit seiner verfluchten immaginären Imagination. und sag ihm daß er mir schreiben soll. da bist du doch ein anderer Kerl, hast zu thun und schreibst doch, aber der Jörgel hat gar nichts zu thun und ist faul. ad vocem Jörgel, fällt mir ein, daß ich auch noch nichts von unserm lieben Gänsbacher gehört habe. ich habe ihm vor ohngefähr 14 Tagen geschrieben*, und warte nun sehnlichst auf Antwort.      eigentlich lebe ich recht mißvergnügt und traurig, du glaubst gar nicht was mir das Leben hier verleidet ist, und doch ist es gut für mich daß ich einmal die nothwendigsten Dinge wegarbeite.      wenn Hout zurükkömt so grüß mir ihn herzlich, seine liebe Frau aber kannst du vorher recht ordentlich von mir grüßen, — empfehlen wollt ich sagen. —      Ich habe den ganzen Tag gearbeitet und möchte dir nun eigentlich so gern was vernünftiges Schreiben, es geht aber gar nicht, ich bin wie vernagelt; und sizze ich noch lange so, so schrumpf ich wie ein alter Mantelsak ein. du glaubst nicht was ich für eine Sehnsucht nach dir habe. bey jeder Note die ich componire, stehst du vor mir, und ich denke, was wird da der Weber dazu sagen. vielleicht schikke ich dir bey den Voglerschen Sachen die umgearbeitete Schlußfuge mit, fürs Museum*. es ist doch quasi meine Schuldigkeit daß sie es ordentlich haben.

     adieu, alles Schöne an Solomés, Hertlings: pppppp ewig dein treuster
Melos.

Erste Musikalische PreisAustheilung mit 40 Kupfert: 3 ƒ. Nachricht von einer Mus: Herausfoderung in Paris. 12 xr: Ueber die Umschaffung der St: Marien Orgel in Berlin 8 xr. Data zur Akustik. 8 xr. das Choral System 4 ƒ. Kurpfälzische Tonschule 4 ƒ. Musikalien. Improviso di Metastasio. 12 xr. Miserere. mit gedrukter Erklärung 3 ƒ. Vogl: beleh: Mus: Herausgaben. die deutsche Meße mit Zergliederung. 5 ƒ. die große Oper Samori. 6 ƒ. im KlavierAuszug*

Editorial

Summary

teilt mit, dass das Klavierkonzert sowie drei der Six Sonates fertig seien; möchte das Klavierkonzert im Museum uraufführen; listet Voglers im Druck vorliegende Werke auf

Incipit

Deinen Brief vom 2t habe den 4t richtig erhalten. ich lebe hundemäßig

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub)
    Shelf mark: Frederick R. Koch Foundation

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: R DARMSTADT
    • Siegelrest und Siegeleinriss
    • am oberen rechten Rand der Briefseite Wiederholung des Briefdatums von Gottfried Weber[?]: “10 8br 8ten
    • Markierungen bzw. Durchstreichungen von fremder Hand in Vorbereitung der Caecilia-Edition

    Provenance

    Corresponding sources

    • Caecilia Bd. 15 (1833), S. 47–49
    • Bollert/Lemke 1972, S. 16–17
    • tV: MMW I, S. 219–220

Text Constitution

  • “… . 6 ƒ. im KlavierAuszug”Die letzten beiden Worte sind kaum lesbar, Blatt ist am unteren Rand durch Siegelabriß beschädigt

Commentary

  • “… halb todt. 3 sind fertig”Zu den bis zu diesem Zeitpunkt fertiggestellten Sonaten Nr. 1–3 vgl. die Tagebuchnotizen zwischen 30. September und 6. Oktober 1810.
  • “Klavier Concert”Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur, laut Eintrag am Ende des 1. Satzes der autographen Partitur am 4. Oktober 1810 ganz vollendet.
  • “… geschrieben habe ich es selbst”Hier bleibt fraglich, ob Weber seine Partitur-Reinschrift (heute in GB-Lbl) meinte, die ein älteres Kompositionsmanuskript vom Frühjahr 1810 (mit den Sätzen II und III) ersetzte (vgl. WeGA, Bd. V/4a, S. 147f.), oder ob er zusätzlich für den Verlag André eine autographe Stichvorlage anfertigte (Versand laut Tagebuch am 18. Oktober 1810; keine Kopierkosten in dieser Zeit nachgewiesen). Über den Schreiber der verschollenen Stichvorlage liegen keine Informationen vor.
  • “allein antworten” Ein Brief von Meyerbeer an Gottfried Weber ist nicht belegt, laut Becker ist das nächste Zeugnis ein Postskriptum Meyerbeers im Brief Webers bzw. Meyerbeers an Gottfried Weber vom 15. Januar 1811.
  • “Concert im Museum zum erstenmale spielen” Weber spielte sein Klavierkonzert C-Dur am 19. November 1810 im Mannheimer Museum erstmals in der vollständigen Fassung (zur Aufführung der beiden ersten Sätze am 26. Mai 1810 vgl. Brief Webers an Gänsbacher vom 20. Mai 1810); vgl. die Besprechung dieses Konzertes im Morgenblatt für gebildete Stände 1810 (Sp. 1199f.).
  • “Voglersche Fugensystem” Weber hatte Gottfried Weber im Brief Webers an Gottfried Weber vom 23. September 1810 von Voglers Fugen-System berichtet.
  • “Katalog”Vgl. Nachschrift zum Brief.
  • “von Hiemer einen … Brief über ihn”Einen Brief von Hiemer erhielt Weber laut Tagebuch am 11. Oktober 1810.
  • “auflösen wird” Schon zwei Tage später wurde Friedrich Weber geboren.
  • “ihm vor ohngefähr 14 Tagen geschrieben”Vgl. Brief Webers an Gänsbacher vom 24. September 1810.
  • “umgearbeitete Schlußfuge mit, fürs Museum”Zum Ersten Ton, vgl. Brief Webers an Simrock vom 21. August 1810 und Brief Webers an Simrock vom 22. August 1810. Die nächste Aufführung im Mannheimer Museum fand spätestens 1813 statt.
  • Kupfert:abbreviation of “Kupfertafeln”.
  • “… . 6 ƒ. im KlavierAuszug”Bei den genannten Werken Voglers handelt es sich um: Erste musikalische Preisausteilung für das Jahr 1791 nebst 40 Kupfertafeln, Frankfurt 1791 (Grove sagt 1794) Nachricht von einer musikalischen Herausforderung in Paris Ueber die Umschaffung der St. Marien-Orgel in Berlin, nach dem Voglerschen Simplifications-System. Berlin Data zur Akustik. Eine Abhandlung, vorgelesen bey der Sitzung der Gesellschaft der naturforschenden Freunde in Berlin, vom Abt Vogler, den 15ten Dezember 1800, in: AmZ, Jg. 3, Nr. 31–34 (29. April, 6., 13. u. 20. Mai 1801), Sp. 517–525, 533–540, 549–554 u. 565–571; auch als Separatdruck Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1801 Abt Vogler’s Choral-System, Kopenhagen: Niels Christensen 1800 Kuhrpfälzische Tonschule, Teil 1 und 2, Mannheim: F. C. Schwan und M. Götz, 1778 Improviso di Metastasio F-Dur (Schafhäutl Nr. 233, erst 1814 ) Psalmum Miserere decantandum a quatuor vocibus cum Organo & Bassis, Speyer: Bossler, o. J. [1780] [RISM V 2380]. Diese Ausgabe des Psalmus Miserere wurde auch in den Betrachtungen der Mannheimer Tonschule, Lieferung 2/3 (Juli/August 1780), Reprint Hildesheim 1974, Bd. 3, S. 121–144 (Zergliederung) u. Bd. 4, S. 353–368 (Noten) abgedruckt. Deutsche Kirchenmusik, welche für sämtliche Sr. Kuhrfürstl. Durchl. zu Pfalz Baiern untergeordnete Lande vom kuhrpfälz. geistlichen Rath, Hofkapellmeister und öffentlichen Tonlehrer in Mannheim, Herrn Vogler zu 4 Singstimmen und Orgel dann einer willkührlichen Begleitung von Bogen- und Blasinstrumenten gesezt und im geistlichen Concerte zu Heidelberg bei vermischter Gegenwart der Kirchenvorstehern den 18ten Christmonat 1778 zum erstenmale aufgeführt worden, abgedruckt in: Betrachtungen der Mannheimer Tonschule, Jg. 2, Lieferung 7/8 (Dezember 1779/Januar 1780), Reprint Hildesheim 1974, Bd. 2, S. 191–244 (Zergliederung) u. Bd. 4, S.  (Noten; fehlen in Olms-Reprint!!). Carl Maria von Weber, Klavierauszug zu Voglers Samori: Samori / eine grosse heroische Oper / in zwey Akten / für das Forte-Piano eingerichtet / und / Sr. Hochfürstl. Durchlaucht dem regierenden Herrn / Fürsten Lobkowitz / Herzogen zu Raudnitz etc. / gewiedmet vom Verfasser [Abt Vogler]. / Wien, bey Comp.

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