Friedrich Kind an Heinrich Blümner
Dresden, Montag, 11. Dezember 1837
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Ihr Briefchen vom 4. d. M. hat mich auf das Erfreulichste überrascht. Es war, einen Comödienzettel, den mir mein jüngerer Neffe übersandte, nicht gerechnet, die einzige Taube, die dem alten Freischütz-Dichter ein grünes Blatt brachte. Nehmen Sie, mein verehrter Freund und treu gebliebener Gönner! meinen innigsten Dank dafür! Was mir für den Freischützen zu Theil geworden, ist bald zu sagen. Das Honorar für 4 rechtmäßige Auflagen*, das mir mein alter wackerer Göschen nach dem unter uns festgesetzten Maasstabe zahlte, kann ich nicht in Anschlag bringen; das hätte ich auch mit Anderm verdient. Sonst sind mir dafür gezahlt worden: erstlich 20 Dukaten von Weber*, und sodann 100 Thaler, die mir nach der hundertsten Vorstellung* Brühl: für so viel Freibillets, mit dem Preußischen Wahlspruch schickte*: Suum cuique*! Da Weber in Berlin und Wien* grünende und goldne Lorbern in Masse errungen hatte, sandte er mir nach seiner Rückkehr von Wien noch 8 Louisdor*. Gar nichts war mir ehrenvoller vorgekommen. Ich war so frei, es höflich zu remittiren. Handel sei Handel, schrieb ich; folglich könne ich es nicht behalten. Dabei blieb ich, ob er mir gleich Vorstellungen machen wollte. Daß man mir das früher loco honorarii ertheilte Partere-Billet nach Aufführung des Freischützen in ein Cercle-Billet umwandelte und mir dieß, durch einen wahrhaft lächerlichen Zufall, den Tag vor der 140sten Vorstellung* des Freischützen, gänzlich aufkündigte, habe ich Ihnen wohl schon erzält*. Ich hätte es auf dem Wege Rechtens erhalten müssen, war aber zu stolz dazu u. schrieb, wenn die Bühne Dichter entbehren könne, könnten auch Dichter der Bühne entbehren. Ich bin seitdem hier nie wieder im Theater gewesen – facit, war mir für den Freischützen worden, Summa Summarum 160 Thaler. Genug – ich habe nie geglaubt, so alt zu werden, als ich schon bin; hätt’ ich aber nicht aus Liebe zu den Meinigen sehr gewirthschaftet, so träfe mich schon jetzt das Loos alternder deutscher Dichter. Ich war nie der Knopf an Fortuna’s Hute. Mit den Aufführungen, so viel mir davon bekannt worden, bin ich auch nie zufrieden gewesen. Weber, der in Prag die Oper dirigirt hatte*, verdarb dieß schon in Berlin; viel hilft viel, meinen die Theater-Herren und bedenken nicht, daß Ueberladung nicht Schönheit hervorbringt. Sollte ich die Oper einmal in Scene setzen, so würde ich gewiß durch Contraste weit mehr bewirken*. Dann müßte aber auch der abgeschnittene Kopf der Dichtung, ich meine die ersten 2 (im rechtmäßigen Druck beibehaltenen) Auftritte – wieder aufgesetzt werden*. – Transeat auch dieß! Man ists nun einmal so gewohnt! Was kommt auf einen Operntext an! Die Stelle in Eckermann habe ich gelesen*. Wenn mir der ganze Mensch nur nicht gar zu hündisch vorkäme! Bei Goethes und Zelters Briefwechsel* habe ich dagegen immer an den Evangelist Marcus mit seinem Stiere gedacht [...]
[…]
Ihr Friedrich Kind.
Editorial
Summary
über die Honorar-Zahlungen für den “Freischütz”, sein Freibillet in die Dresdner Vorstellungen, das ihm gestrichen wurde; dass ihm die Aufführungen nicht gefallen und wenn er die Oper mal inszenieren sollte, dann würde er die zwei von Weber weggelassenen Eremiten-Szenen wieder aufnehmen u. a.
Incipit
“Ihr Briefchen vom 4. d. M. hat mich auf das Erfreulichste überrascht.”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz
Tradition
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Text Source: Leipzig (D), Sächsisches Staatsarchiv Leipzig
Physical Description
- Abschrift in: Von der Romantik zum Biedermeier. Briefe und Tagebücher aus dem Schloßarchiv Frohburg (Typoskript), S. 237–239
Corresponding sources
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Hermann F. Weiss, “Ich war nie der Kopf an Fortuna’s Hute” Unbekannte Dokumente zur Beziehung zwischen Carl Maria von Weber und Friedrich Kind, in: Weber-Studien. Bd. 3, S. 76f.
Commentary
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“… mir nach der hundertsten Vorstellung”Die 100. Vorstellung des Freischütz in Berlin fand am 6. November 1826 statt; vgl. Faksimile-Ausgabe Schünemann (1942), S. 73.
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“… mit dem Preußischen Wahlspruch schickte”Vgl. Brief von Brühl an Kind vom 6. Januar 1823 und Dankesschreiben vom 7. April 1823. Das nachträgliche Honorar hing mit der 50.[!] Vorstellung des Freischütz in Berlin am 28. Dezember 1822 zusammen.
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“… Wahlspruch schickte : Suum cuique”lat.: Jedem das Seine! vgl. Corpus Iuris Civilis, Digesten 1, 1, 10: Iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi („Die Gerechtigkeit ist der beständige und dauerhafte Wille, jedem sein Recht zukommen zu lassen“.
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“… von Wien noch 8 Louisdor”Vgl. TB 27. November 1821 und die beiden Briefe an Kind vom selben Tag. Nach Wien reiste Weber erst am 11. Februar 1822 (Rückkehr nach Dresden 26. März).
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“… ich Ihnen wohl schon erzält”Vgl. dazu auch Kind (Freischütz-Buch) 1843, S. 132f.
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“… Prag die Oper dirigirt hatte”Vgl. TB 14. Februar 1822.
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“… durch Contraste weit mehr bewirken”Vgl. dazu die früheren Ausführungen Kinds: Betrachtungen über die Szenerie im „Freischütz“.
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“… in Eckermann habe ich gelesen”Vgl. Kom. im Brief von Blümner an Kind vom 4. Dezember 1837.
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“… Bei Goethes und Zelters Briefwechsel”Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1796–1832, hg. von Friedrich Wilhelm Riemer, Berlin 1833/34.