Friedrich Wilhelm Jähns an Georg Goltermann in Frankfurt am Main
Berlin, Samstag, 28. September 1878
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Absolute Chronology
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- 1878-09-21: to Musiol
- 1878-09-27: from Staegemann
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- 1878-09-29: to Musiol
- 1878-09-29: from Herzogliches Hoftheater Braunschweig
Direct Context
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- 1876-01-27: to Goltermann
- 1876-02-02: from Goltermann
Following
- 1878-10-21: from Goltermann
Es ist recht lange her, dass wir nichts von einander gehört*. Ich bedaure es sehr, und noch mehr, dass meine Reisen in den letzten Jahren mich nicht mehr nach Frankfurt geführt haben. Ein Fußleiden gichtigen Charakters hat mich‡ mehrere Jahre nach Teplitz geführt u. so geschah es, daß die Verbindung zwischen uns, die mir so sympathisch war und es noch unverändert ist, äußerlich so wenig gepflegt wurde. In letzter Zeit kam ich immer nur als Bittender zu Ihnen u. auch heute wieder. Das beiliegende Frageblatt* giebt davon Zeugniß. Ich bedarf dessen dessen‡ Beantwortung für den „Ausführlichen Nachtrag“ zu meinem Weber-Werk, der hoffentlich im nächsten Jahr erscheinen soll. Ich bitte also sich meines Frageblattes gütigst anzunehmen, so viel dies möglich. ‒ Sein Sie mir nicht bös, daß ich wieder Ihre Güte beanspruche! — | Wie aber habe ich mich des Theater-Brandes bei Ihnen entsetzt. Dem Himmel Dank, daß es nicht schlimmer wurde und Sie wohl nächstens wieder beginnen werden*. ‒ Könnte ich Ihnen doch mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehen und auch Ihren lieben häuslichen Kreis wieder sehen! Lebt Ihr Herr Schwiegervater noch? Hat er sich nicht mit unserem Kaiser ausgesöhnt? Wie alt sind Ihre Kinder?* Haben Sie schon verheirathete? Verzeihen Sie meine plumpen Fragen! Man stirbt sich aber sonst ganz ab ‒ wenn man nicht etwa, wenn auch nur die großen Umrisse vom Leben des Andern erfährt. ‒ Meine beiden Söhne sind beide verheirathet*. Der ältere ist seit Januar d. J. hier Major im Großen Generalstabe, direct unter Moltke, u. ein hochbe|gabter Mann, der als Militär-Schriftsteller bereits einen sehr anerkannten Namen hat. Der 2te Sohn ist Königl: Sächs: Regierungs-Ingenieur u. lebt in Chemnitz. Nur der ältere hat Kinder*, der 2te nicht. Ich u. meine Frau werden sächtchen älter u. älter und befinden uns im Ganzen leidlich. Ich bin unverändert vor wie nach thätig nach vielen Richtungen, und jetzt beschäftigt mich vorwiegend die Vollendung meines Nachtrages zum Weber, wozu Ihre Güte, Ihre bewährte Freundschaft wieder angerufen wird. Hoffentlich sind Ihre Archive in vortrefflichster Ordnung, denn Ihr Theater hat den wahrhaft respectabelsten Ruf rücksichtl. seiner Verwaltung. ‒ Was macht denn Ihr alter College Kapellmeister Ignaz Lachner? Wenn Sie ihn sehen, | so bitte, grüßen Sie ihn bestens von mir. Ich bin immer noch sehr dankbar, daß er mir damals die Partitur des Schmoll abließ, eben so wie Ihnen, mein verehrter Freund, der Sie so gütig waren, es zu vermitteln wie die Bekanntschaft mit André’s in Offenbach, diesen liebenswürdigen Menschen. Auch diesen empfehlen Sie mich auf das Herzlichste, wenn Sie Ihnen begegnen. ‒ Vor allem aber, rufen Sie mich Ihrer liebenswürdigen Gattin in’s Gedächtniß, deren Güte und wahrhaft‡ weibliche Erscheinung mir immer unvergeßlich bleiben werden. ‒
Und so leben Sie denn wieder einmal wohl bis auf ein vielleichtiges Wiedersehen im nächsten Jahre. Meiner Bitte nochmals Verzeihung und
Ihrem
herzlich ergebenen Freunde F. W. Jähns
Editorial
Summary
schickt ihm Fragebogen zur Aufführungsstatistik, sonst nur persönliche Mitteilungen
Incipit
“Es ist recht lange her”
Responsibilities
- Übertragung
- Solveig Schreiter; Frank Ziegler
Tradition
Text Constitution
-
“mich”added above
-
“dessen”crossed out
-
“wahrhaft”added above
Commentary
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“… wir nichts von einander gehört”Letzte überlieferte Briefe vom Beginn des Jahres 1876.
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“… heute wieder. Das beiliegende Frageblatt”1878 sammelte Jähns Aufführungsnachweise der Bühnenwerke Webers und versandte zahlreiche diesbezügliche Fragebögen meist direkt an die Theater. Der Frankfurter Fragebogen ist nicht überliefert.
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“… wohl nächstens wieder beginnen werden”Nach dem Theaterbrand vom 10. Juli 1878 (noch vor Beginn der Vorstellung von Grillparzers Ahnfrau mit der Meininger Hoftheatergesellschaft, die seit dem 20. Juni in Frankfurt gastierte) konnte der Vorstellungsbetrieb bereits am 15. September 1878 wieder aufgenommen werden.
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“… Wie alt sind Ihre Kinder?”Johanna Goltermann war 1857 geboren, ihre Brüder Friedrich und Wilhelm 1860 bzw. 1861, Schwester Lydia 1863 und der jüngste Goltermann-Sohn Ludwig 1868.
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“… beiden Söhne sind beide verheirathet”Ehefrau von Max Jähns: Marie, geb. Tannhäuser, Ehefrau von Reinhart Jähns: Martha, geb. Byford.