Friedrich Wilhelm Jähns an Georg Goltermann in Frankfurt am Main
Berlin, Donnerstag, 4. Mai 1865
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- 1865-05-30: from Goltermann
Mein theurer Freund und werther Herr College.
Welche Arbeit mache ich Ihnen und wie unermüdlich sind Sie! Es ist wahrlich etwas seltenes, so eine reine Mitfreude an der Arbeit eines Andern!
Wenn ich sonst so Ihre Compositionen singen ließ, so wußte ich wohl, dass ich es mit einem tüchtigen Musiker, keinem Zerrbilde von heut, einem feinfühlenden, sich in den Gränzen edlen Maaßes bewegenden Künstler zu thun hatte. Daß er aber ein so liebenswürdiger, aufopfernder Helfer und Freund für mich sein würde, das konnte ich nun freilich nicht aus seinen lieben Arbeiten damals herauslesen. Also Dank u. immer wieder auf’s Neue Dank!! ‒
Wie würde mich’s aber nun freuen könnte ich als einigermaaßen Ihnen etwas geltenden Lohn melden: „Die Arien-Sache ist erledigt und | das Räthsel gelöst.[“] So kann ich Ihnen aber die Freude noch nicht machen, denn noch immer ist nicht geklärt: Von wem ist die Ihnen in Abschrift gesendete Arie, die Weber (vorläufig kann man eben weiter nichts sagen) instrumentirte? ‒ Das Rondo, von dem die Bass-Stimme deutlich sagt, dass es in „die Verwandlungen“ eingelegt war und was Sie mir so sehr gütiger Weise sendeten, ist das bei André in Stimmen und ClavirAuszug gestochene, einer Mad. Frankh dedicirt und 1810 am 19. Mai in Mannheim componirt und am 29. Mai instrumentirt. Als im Sept. desseben Jahres die Silvana zum 1. Male in Frankfurt gegeben wurde, wobei Weber daselbst anwesend war, hat die Direction (so viel ich weiß) unter Ihlée auf Weber’s | Veranlassung wahrscheinlich dies Rondo in die Verwandlungen einlegen wollen; es scheint aber nicht benutzt zu sein, denn auf der mir übersendeten Sopran Stimme sind noch die Worte zu lesen: „Nicht g‡ebraucht“ obwohl sie mit Gummi überfahren sind. Vielleicht hat die Lang es nicht singen mögen und so kam jene (später wahrscheinlich für die Brandt um-instrumentirte) räthselhafte Bdur Arie an die Reihe. ‒ Aber von wem‡ ist diese Arie? Hat sie Weber nur instrumentirt, hat er sie theilweis oder ganz componirt? Ich möchte mich für ein theilweise entscheiden namentlich den sehr Weberschen Schluß, obwohl das Hauptthema auch Webersch erscheint, denn er liebte seine Thematen in den Tonica-‡Accord-Noten zu halten, mit der Antworten‡ im Dominant Accord u. s. w. ‒ So ist denn noch kein Licht auf die Betheiligung Weber’s an der Arie in Bezug auf ihre Composition erwiesen und | darum dreht sich doch alles! Wenn man den Componisten auffände, und wärs ein Kamtschadale, so wärs d‡och klar, was mich 3 Jahre hetzt und behext. Wie gern spräche ich das liebe Ding unserm Weber wenigstens zur Hälfte, zu, so muß man’s in alle Winde streuen u. das ist doch jämmerlich. Vielleicht geht doch noch ein Licht auf. ‒ Was meinen Sie zu Weigl, von dem doch‡ notorisch das Duett ist‡, von dem ich Ihnen das Thema sandte! Ich denke ein Glücksstern öffnet noch den Felsen u. Sie finden das richtige „Sesam!“ Sollte unter „einzelnen‡ Arien“ in Ihren Archiven nichts zu finden sein? ‒
Wegen des Clarinettisten und Flötisten habe ich noch keine Nachrichten, aber die Angel ist ausgeworfen und ich denke nicht umsonst. Ein guter Clarinettist ist da, doch hat er sich noch nicht bei mir gemeldet*. | Seine Zeugnisse u. Sonstiges wird er dann natürlich direct einsenden.
Gelegentlich erfragen Sie wohl von Kapellmeister Hn: Lachner, in welcher Gegend der Stadt der Antiquar* wohnte, denn ich glaube, dass ich im Sommer noch anderer fraglichen Weberianorum wegen nach Stuttgart gehen werde.
Und nun Gott befohlen und nochmals innigsten besten Dank! Das Rondo schicke ich mit dem Schmoll zurück*, was jedoch noch eine Weile dauern dürfte, wenn H: K. Mster.‡ L. es nemlich gestattet. Empfehlen Sie mich auch ihm auf das Angelegentlichste.
In treuer Ergebenheit
Ihr
F.W. Jähns.
Editorial
Summary
Kommentar zum übersandten Rondo als Einlage in Fischers Verwandlungen; bittet Lachner zu fragen, in welcher Gegend von Stuttgart der Antiquar Meyer sein Geschäft hatte, da er im Sommer hinfahren möchte
Incipit
“Welche Arbeit mache ich Ihnen und wie unermüdlich sind Sie!”
Responsibilities
- Übertragung
- Solveig Schreiter; Frank Ziegler
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. Jähns, F. W. 12Physical Description
- 1 DBl., 1 Bl. (5 b. S. o. Adr.)
Corresponding sources
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Schreiter, Solveig, “Geben Sie mir nur öfters Auftrege, dieselben werden jederzeit gern und prompt besorgt werden”. Der Briefwechsel zwischen Friedrich Wilhelm Jähns und Georg Eduard Goltermann, in: Weberiana 15 (2005), S. 76f. (Auszug)
Text Constitution
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“g”“G” overwritten with “g”
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“… Reihe. ‒ Aber von wem”dreifach unterstrichen
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“den Tonica-”added above
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“en”crossed out
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“… ein Kamtschadale, so wärs d”d überschrieben aus s
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“doch”added above
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“ist”sic!
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“n”crossed out
Commentary
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“… Gegend der Stadt der Antiquar”Jähns interessierte der Antiquar, bei dem I. Lachner das Teilautograph des Peter Schmoll erworben hatte.
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“K. Mster.”abbreviation of “Kapellmeister”.