Aufführungsbesprechung Dresden: Festspiel zur Nachfeier der Vermählung des Prinzen Johann am 28. November 1822 (Teil 2 von 3)
Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden.
Festspiel.(Fortsetzung.)
In Aristophanes noch vorhandener Friedens-Komödie kommen alle drei Stände auf die Bühne. Warum also nicht die drei Chorführer auch griechisch benennen, etwa Didaskalos, Georgos, Hoplites? Und wie soll man sich’s erklären, daß hinter der idealischen Säulenstellung eines antiken Apollotempels Dresden mit seiner Brücke und Pallästen im hellsten Festglanz hervorschimmert? – Wir begreifen wohl, daß nach unserm verfeinerten Geschmack bei einem allegorischen Festspiel der Art die Personifikationen aus dem Theuerdank oder aus Kaiser Max Triumphzug von Albrecht Dürer (da hätte es z. B. statt der sprechenden Musen nur des Herolds bedurft) eine schlechte Figur gespielt haben würden, und daß hier nur die alte, nie ganz entschiedene Frage über die Schicklichkeit der Musenanrufung in unsern Heldengedichten oder des antiken Costüms bei unsern Königs- und Helden-Statüen wieder in Anregung kommt, und daß die Vermischung rein-symbolischer Gottheiten des Alterthums mit bloß allegorischen Namenswesen vom Dichter selbst in ihren Reden mannigfach motivirt worden ist. Indeß bleibt doch mancher Zweifel übrig, den der alles wohlberechnende Verfasser uns wohl am lehrreichsten selbst lösen könnte, wobei wir auch erfahren würden, ob nicht der antike Peripteros mit dem Altare, hinter welchem Dresden zu sehen ist, nur für unser Komödienhaus selbst gelten sollte, welches, so wohl es jedem im Innern seyn mag, doch gewiß keine malerische Aussenseite darbietet. Wir hörten auch wohl noch andere Zweifel und Wünsche über einzelne Attribute aussprechen. Warum, fragte man, den drei Fackeln des Lehrstandes, die sehr sinnig durch die Farbe der Flamme unterschieden wurden, nicht noch deutendere Auslegung? Wo bleiben beim Lehrstand die Künstler, Kaufleute u. s. w., die wohl auch zu sprechen wissen würden? Der Wehrstand bringt nur Schutzwaffen; Helm, Panzer, Schild schützen freilich den Körper, daß er lange lebe, aber auch das Vaterland? Dessen Schutz ist und bleibt das Schwert! Wir zweifeln nicht, daß auch hierauf der besonnene Dichter zu antworten und eine Hauptregel der Allegorie, daß sie durch die Häufung verschiedenartiger Attribute nie barock werden dürfe, und daß, Alles repräsentiren zu wollen, zur lächerlichsten Maskerade führen würde, wohl geltend zu machen wissen werde. Aber der Meister kann doch am beßten die Intention aussprechen bei dem, was er darstellen wollte.
Von dem Vortrag und der Declamation, womit das Gedicht seine geistige Gestaltung erhielt, kann nur mit inniger Anerkennung gesprochen werden. Die drei ersten, wechselsweise anordnenden Schauspieler unserer Bühne hatten die drei Chorführer übernommen. Sie mußten ja also auch als Muster und Vorbilder da stehen. Daß die zwei Hauptpersonen, Melpomene und Thalia, von zwei unserer ersten Künstlerinnen würdig dargestellt und gesprochen wurden, bedarf kaum der Erwähnung. Aber auch die drei jüngern Schauspielerinnen waren in ¦ Ton und Klang ihrer Rede alles, was sie seyn sollten. Vorzüglich hatte die Zukunft einige schöne Momente. Den Chorgesängen hatte unser tieffühlender, plastisch gestaltender Mar. v. Weber seine Seele eingehaucht. Hocherhebend war der Schlußchor gesetzt, der, im Vorbeigehen erinnert, von Knieenden vorgetragen, wenn anders solche Huldigung genehm gewesen wäre, und vom Dichter selbst durch irgend eine Opferscene am Altar, worauf auch die letzte Rede Melpomene’s vorzubereiten scheint, noch lebendiger versinnlicht werden, jetzt aber bloß durch die Macht der Tonkunst sein volles Recht erhalten konnte. Auch entzückte der Tonsatz, womit die Mädchen, den Chor des Wehrstandes fortleitend, zum allgemeinen Chor einstimmen mit den Worten:
Gedenkt auch der Waffen der Liebe,Gedenket Amors Pfeil!alle, die so etwas zu würdigen vermögen. Es ist zu wünschen, daß einige Tonweisen, die ganz das Siegel des Meisters tragen, nicht ganz verklungen seyn möchten. Die Anordnung der Scenerei und des Rahmens, in welchem dieß bewegliche, allegorische Gemälde aufgestellt werden sollte, war durch das Eingreifen aller dadurch in Bewegung gesetzten Bühnenkünste ganz untadelhaft. Wir rechnen es dem Dichter hoch an, daß er für sein Festspiel keine Flugwerke und Maschinerieen in Requisition setzte. Wir erinnerten uns dabei an manchen Wolkenwagen, der wohl bei frühern Festlichkeiten in ziemlich festen Massen vorüberschwebte; und wenn auch so etwas bei unserm jetzigen wackern Maschinenmeister kaum vorkommen könnte, so ist’s doch immer gerathener, bei dergleichen Aufstrebungen an Ikarus zu denken. Darum war Alles, was sonst vom Himmel herabsteigt, beim aufrollen des Vorhanges schon da, und die Art, wie Aurora von rosenfarbenen Genien umgeben, sich nach und nach entschleierte, würde, wenn später zum Vorschein kommende Decorationen nicht hemmend eingetreten wären, durch ein sich abstufendes Morgenroth-Transparent nichts zu wünschen übrig gelassen haben. Aber die Gruppirung gefiel. Und so war auf Abgang oder Eintritt der verschiedenen Genien und Chöre und auf gehöriges Abheben und Zusammenstellen der einzelnen Massen mit ihren Wortführern ein musterhafter Fleiß gewendet worden. Die malerische Beleuchtung, besonders des Prospektes von Dresden im Hintergrunde, war durch Vermehrung des Lichteffekts überraschend, und wir tragen kein Bedenken, die Scene, wo nun alle Weihgeschenke durch die drei vereinten Fackelflammen über den Altar, die zwei Frucht- und Blumenhörner am Altar und die aufgehangenen Glanzwaffen vor dem Altar pyramidalisch sich gestalten und am Schluß sich Alles um und hinter dem Tempel gruppirt, für ein so gelungenes Tableau zu erklären, daß es wohl selbst einen Theater-Vorhang zieren würde, wenn nicht aus anderen Gründen Figurenanhäufung bei unsern Gardinen, die sich nicht, wie in den Theatern der Alten, bei Eröffnung des Bühnenraums herabsenken, sondern emporfliegen, sehr unstatthaft wäre. Die Costüms und Attribute waren mit möglichster Strenge – das Kleidsame behauptet dabei stets sein Recht – der Antike nahe gebracht.
(Der Beschluß folgt.)
Editorial
Summary
Aufführungsbesprechung Dresden: “Festspiel” von Carl Maria von Weber am 28. November 1822 (Teil 2 von 3)
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Mo, Ran
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 6, Nr. 291 (5. Dezember 1822), pp. 1164