Aufführungsbesprechung Wien, Theater in der Josephstadt: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 20. August 1825

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Wien. K. K. priv. Theater in der Josephstadt. Sonnabend, der 20. August, war für dieses Theater ein schöner Tag! Man gab in demselben mit dem besten Erfolge WebersFreyschütz.“ Als es im Publikum verlautbarte, daß man sich in diesem Theater an eine so schwierige Produktion wagen wolle, hörte man häufige ominöse Anmerkungen, allein die Mißgünstigen oder Ueberstrengen wurden selbst überrascht, und schon die Ouvertür machte einen so günstigen Eindruck, daß sie wiederholt werden mußte. Wahr ist es gewiß, daß der Appetit nach Opern bey un¦sern Wienern durch die eingetretene Entbehrung sehr geschärft wurde und man weiß, daß der Hungrige nicht gar heikel zu seyn pflegt, aber auch für die minder Sehnsüchtigen und Ruhigeren war die Aufführung überraschend. Dem. Heckermann sang die Partie der Agathe mit sehr viel Ausdruck und richtigem Vortrage; kaum hätte man ihr die Ausführung dieser Gattung von Gesang in solcher Vollkommenheit zugetraut; die Intonation war rein, der Ton kräftig und klangvoll. Man kann sich von dieser jungen Sängerinn noch sehr viel versprechen, zumahl wenn sie sich | mit Eifer auf den getragenen Gesang verlegt. Sie trug alle ihre Gesangstücke mit großer Anmuth und dem ehrenvollsten Beyfalle vor, der sie mehrmahlen unterbrach. Ganz besonders überraschend sang Mad. Dunst die Partie des Annchen. Der Vortrag der zweyten Stimme ist in dem Weber’schen gearbeiteten Satze in den Ensemble-Stücken schwer, aber gerade hierin zeichnete sich Mad. Dunst besonders aus, wie im Terzett des zweyten Actes. Ihre Intonation war so rein, kräftig und auch in den tiefen Tönen klingend und deutlich, daß sie vielfachen Genuß gewährte. Auch ihre beyden Liedchen sang sie mit dem ihr eigenen neckischen und ansprechenden Vortrag; eben so angemessen und beyfallswürdig war auch ihr Spiel. Hr. Kreiner machte seine angenehme Stimme auf die glücklichste Weise geltend und sang den Max mit lautem Beyfall. Er entwickelte heute eine an ihm noch nicht gekannte Stärke seines Singorganes, und griff in dem keineswegs für Musik vortheilhaft gebauten Theater auch in den Ensemble-Stücken durch. Der Vortrag seiner Arie zeigte besonders in der dritten Vorstellung richtigen Geschmack. Hr. Dunst gab den Kaspar recht brav. Sein Trinklied trug er sehr gut vor, und wenn er auch an mancher Stelle im Ensemble zu wenig Kraft anwenden konnte, so erseztze er durch sein Spiel um so befriedigender, da diese Partie durch kein anderes gegenwärtiges Mitglied dieser Bühne zu besetzen war, dessen Stimmlage für selbe ganz gepaßt hätte. Hr. Huber sang am ersten Abend seinen Oberförster, zwar nicht ganz ohne Fehler, aber er nahm sich um so mehr in den folgenden Productionen zusammen, und seine echte Baß-Stimme machte den besten Effekt. Das Orchester war größten Theils sehr aufmerksam; kleine Mängel sollen vor der Hand unbeachtet bleiben. Bey häufigeren und schneller auf einander folgenden Opern-Productionen wird es auch noch reicher, richtiger, sicherer und weicher nuanciren; zwischen dem Forte und Piano gibt es noch unendlich viele Abstufungen, und kleine Drucker, kleine Biegungen von dem ganzen Körper des Orchesters gegeben, machen unendliche Wirkung, werden oft schmerzlich vermißt, wo man sie erwartet; aber die Möglichkeit eines solchen Vortrags geht im Orchester erst aus langer Uebung auch bey gutem Willen und Fähigkeit der einzelnen Glieder hervor. Herr Kapellmeister Gläser hat sich durch fleißiges und genaues Einüber dieser herrlichen Musik ein großes Verdienst um das Publikum erworben, das ihn auch dankbar hervorrief. Der Herr Director Hensler kann mit Benützung des gegenwärtigen Stillstandes in unserm Opernfache Schönes und Erfreuliches leisten, wenn er sich der verwaisten Muse annimmt, die ihm zum reinen Entgelt gewiß immer mehr Musikfreunde als fleißige Besucher zuführen wird, je vollkommner durch Uebungen und einiger Nachhilfe die Vorstellungen werden. Ein glorioses Beginnen einer neuen Aera des Opernfaches in diesem Theater war die heutige Aufführung des Freyschützen. Das Publikum hat Vertrauen zu dem Opernpersonale und ihren Leistungen, und dasselbe auch an Zutrauen gegen sich selbst gewonnen; wenn das in dem Maße vorwärts schritte, so hätten wir das Glänzendste zu erwarten. Hr. Director Hensler hat durch die reiche Ausstattung dieser Oper seine Meinung schon angedeutet, der eifrige Besuch, welcher noch oft im bevorstehenden Winter bey dieser Oper das Haus füllen wird, muß beweisen, daß sie die rechte sey. Die Decorationen sind sehr schön. Die Maschinen des Hrn. Roller vortrefflich; auch er wurde gerufen, und mußte in seiner Arbeits-Jacke erscheinen; sie ist sein schönstes Ehrenkleid.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ran Mo

Überlieferung

  • Textzeuge: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 18, Nr. 104 (30. August 1825), S. 426–427

    Einzelstellenerläuterung

    • Einüberrecte „Einüben“.

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