Franz Kroll an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Berlin, Freitag, 30. Dezember 1864
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Verehrter Herr Musikdirektor!
Wenn Sie mir Verzeihung wegen meines langen Stummbleibens auf Ihren so liebenswürdigen Brief vom 16 d. M. angedeihen laßen wollen, so werde ich in Wahrheit die biblische Metapher begriffen haben, Jemandem feurige Kohlen aufs Haupt sammeln*. Könnte ich Ihnen einen Abglanz von meiner Schamröthe mitsenden, so würden Sie über diese Zeilen einen wundervollen rosigen Schimmer sich breiten sehn. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur den höchst mißlichen Zustand meiner Stimmung anführen, der nun schon seit länger als vier Wochen mich befangen hat. So lange nämlich ist mein jüngstes Kind fast unaufhörlich an Zahnkrämpfen leidend, und diese Krankheit hat meine arme Frau u. auch mich unendlich angegriffen. Nun hätte ich Ihnen allerdings die gewünschte canonische Auskunft so gut geben müßen, als ich es vermochte — doch wollte ich gar zu gern genauere Nachforschungen halten, um Ihrem gütigen Vertrauen doch einigermaßen zu entsprechen. Vor einigen Tagen war ich schon auf dem Wege zu Ihnen, um Ihnen wenigstens die Beruhigung zu geben, daß der von Ihnen erwähnte Canon höchst wahrscheinlich nicht der Stölzelsche sei. Gestern abend endlich habe ich bei Weitzmann das Marpurgsche Werk genau durchstöbert, u. mich überzeugt, daß die früher gehegte Vermuthung richtig war. Ihr Canon findet sich nicht im Marpurg, u. hat mit dem Stölzelschen gar keine Ähnlichkeit. Freilich bleibt nun immer noch der Zweifel bestehn, welchen Zusammenmhang die Gottfried Webersche Veröffentlichung des Canons* mit der Autorschaft Carl Maria v. Webers hat — bei der genauen Angabe in dem qu. grünen Hefte ist indeß doch wohl anzunehmen, daß weder ein Scherz noch ein Plagiat vorliege. Indem ich Sie, hochgeehrter Herr und Freund, nochmals demüthigst um freundliche Entschuldigung bitte, bleibe ich, mich Ihnen und den lieben Ihrigen herzlich empfehlend und mit den aufrichtigsten Glückwünschen
Ihr treu ergebener
F. Kroll
Apparat
Zusammenfassung
es geht um die Autorschaft des dreistimmigen Canons, den Gottfried Weber veröffentlicht hat
Incipit
„Wenn Sie mir Verzeihung wegen meines langen Stummbleibens“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit