Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 7. bis 12. Oktober 1817
Am 4.‡ October. Der Jude. Schauspiel in 5 Aufzügen. Nach dem englischen des Rich. Cumberland. Wiederholung.
Am 5.‡ October. Da wegen eingetretner Krankheit Herrn Benincasa die angekündigte Oper nicht statt finden konnte: Das St[r]andrecht, Schauspiel in 1 Akt, von Kotzebue; die Onkelei, Lustspiel in 1 Akt, von Müllner, beide schon früher angezeigt, und Männertreue, oder so sind sie alle, Lustspiel in 1 Akt in Versen, ohne Namen des Verfassers. Wir erinnern uns gehört zu haben, daß diese sehr artige Kleinigkeit, welche von Herrn Schirmer und Mad. Hartwig in den Hauptrollen recht verdienstlich gegeben ward, von Albrecht sey.
Am 7. October. Die Ahnenfrau s. No. 252.
Am 8. October. Le lagrime d’una vedova, von Generali. Diese liebliche kleine Oper wurde heute mit weniger Wärme aufgenommen als neulich und dies hat gewöhnlich einige Rückwirkung auf die Ausführung. Dießmal erschien aber Signor Ricci vortheilhafter, die freiere Stirn gab ihm mehr physiognomischen Ausdruck, auch war mehr Gefühl in seinem Gesang und er trug die große Arie im zweiten Akt recht gut vor. Signora Sandrini spielte und sang wieder ganz reizend, als besonders schön gelungen zeichnete sich der Anfang ihres köstlichen Terzetts im zweiten Akt aus, dies: „Nò caro sposo, nò!“ war meisterhaft. Signor Benincasa trug seine schöne Arie: „un bel raggio risplendente“ noch treffender und launiger vor als das erstemal, die Stelle, wo das pizzicato der Violinen, die außer der Scene spielende Flöte begleitet, ist ganz allerliebst. Ein heiterer Scherz ist diese ganze Oper, der unterhält ohne zu spannen und zu erschüttern. Das neue Meublement des Zimmers nimmt sich recht hübsch aus. In dem Zwischenakt hörten wir sehr passend einige liebliche Variationen auf der Flöte, von unseren rühmlich bekannten Kammermusikus Prinz vorgetragen.
Am 9. October. Welche ist die Braut? Lustspiel in 5 Akten, von Frau von Weißenthurn.
Wir verweilen bei diesem in den Hauptrollen sehr brav gegebenen Stücke diesesmal nur bei dem Gaste vom Prager Theater, Herrn Wilhelmi, welcher den Herrn von Blümlein als dritte Gastrolle spielte. Er hatte seine Characteraufgabe aus sehr richtigem Gesichtspunkte ins Auge gefaßt, und gab diesen flachen Jedermannsfreund mit ungemeiner Wahrheit wieder. Weder in Kleidung noch sonst entfernte er sich, wie billig, da er in der großen Welt lebt, von Art und Mode derselben, suchte sich nur geschmeidig überall einzudrängen, an jeden von dem er etwas für sich erwarten konnte, sey es auch nur eine Mahlzeit, sich anzuschließen, und über alles zu sprechen, so entfernt es auch von seinem kargen Wissen liegen möge. Eigentliche Beschämung kennt ¦ er nicht, weil er ja eben kein Gemüth hat, und so gleitet alles an der glatten Oberfläche ab, ohne eine Spur zurückzulassen. Die Ergötzlichkeit und Wahrheit dieser Schilderung belohnte die Versammlung mit Beifall.
Am 11. October. Le lagrime d’una vedova. Die heutige Ausführung dieser Oper war wärmer und ging mit mehr Rundung als die vorige. Unserer Sandrini seelenvolles Spiel und treffliche Gesang und unsers Benincasa komische Laune und schöne Stimme wetteiferten rühmlich. Es ist Schade, daß durch die zur Verlängerung eingelegten Arien die Musik dieser Operette länger wurde als die Handlung und der eigentliche Inhalt; dies allein steht der Wirkung derselben im Wege. Während des Zwischenaktes erfreuete uns Herr Kammermusikus Kummer durch sein herrliches Spiel auf dem Violoncelle. Er trug ein Adagio und Rondo aus einem Concert von seiner eignen Composition vor. Die Leichtigkeit, Sicherheit und Anmuth, womit dieser junge Künstler die größten Schwierigkeiten überwindet, ist bewundernswürdig, sein Ton ist äußerst lieblich und gerundet, sein Vortrag scheint den gebildetsten Sängern abgelauscht. Das Adagio war innige rührende Sprache des Gemüthes, wozu das Violoncelle sich eben so ganz eignet wie die Altstimme bei dem Gesang; in dem Rondo entfaltete sich glänzende Fertigkeit und reiche Laune; heitere Scherze schienen sich auf den Luftwellen zu wiegen, phantastisch kühn vibrirten beim zweiten Solo die Saiten, doch bald kehrten die freundlichen Melodien zurück bis in einer unabsehlichen, rasch verketteten Reihe von Doppelgriffen das Ganze so ächt humoristisch schloß, wie es der eigenthümlichste Character dieses Instrumentes fodert. Lauter Beifall lohnte dem genialen jungen Künstler.
Am 12. October. Graf Benjowsky. Histor. Schauspiel in 5 Akten, von Kotzebue. Herr Wilhelmi gab als letzte Gastrolle den Stepanoff. Es schien uns, wenn wir einen Vergleich unter seinen wackern Leistungen anstellen, als ob er in Characterisirung dieses Russen hie und da zu nahe an das Gebilde streife, das er uns in seiner ersten Darstellung des Italieners Rudolph aufstellte, und mehrere wirklich gelungene Stellen verloren dadurch den Eindruck, den sie außerdem gewiß gemacht haben würden, obgleich auf der andern Seite für den Künstler diese Rolle des Stepanoff, dem gewaltigen Benjowsky gegenüber, immer schwerlich zu den dankbaren wird gesteigert werden können. Herr Wilhelmi hat in seinen Gastdarstellungen sich als einen denkenden, von der Natur mit Gestalt und Organ begünstigten sehr braven Künstler bewährt, und wir hätten nur gewünscht ihn in Rollen höherer Potenz seines eigentlichen Faches, z. B. Franz Moor, Marinelli, (für welchen er besonders geeignet scheint), Gesler u. s. w. zu sehen, um mit Vergnügen ausführlicher in die Entwicklung seiner Verdienste eingehen zu können.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbericht Dresden: 4. bis 12. Oktober 1817
Entstehung
vor 22. Oktober 1817
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 253 (22. Oktober 1817), Bl. 2v