Carl Maria von Weber an Franz Siebert in Leipzig (Entwurf)
Dresden, Donnerstag, 9. April 1818

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An H: Siebert in Leipzig.

Wohlgebohrner Herr!

Meines Wißens hatte ich persönlich Ihnen nichts zu verzeihen*, und wenn es wäre, würde ich es längst gethan haben. Wenn Sie aber mich verkannt zu haben bekennen, so lag und liegt dieß in Ihrem hypochondrischen schwarzsehenden und argwöhnischen Gemüthe vermöge deßen Sie in Jedem Menschen Ihren Feind und Neider sehen, und am allerwenigsten denen trauen die Ihnen dieß offen genug zu sagen die Wahrheitsliebe haben.      Wie sehr Sie dadurch sich und Ihren Umgebungen das Leben verbittern und kaum erträglich finden laßen, muß Sie nun wohl bald die Erfahrung gelehrt haben, und ich wünsche aus vollem Herzen zu Ihrem und der Sie Umgebenden Wohle, daß Sie endlich heiter und ohne mißtrauischen Sinn ins Leben sehen mögen.      Deuten Sie diese schriftliche Widerholung deß Ihnen so oft mündlich gesagten freundlich, herbeygeführt durch Ihre Äußerung und von der besten Willens Meinung eingegeben.

Was Ihren Wunsch Gastrollen hier zu geben betrifft, so habe ich selbigen unserm verehrten Cheff vorgetragen; Es ist und bedaure daß wir ihn nicht erfüllen können. Erstlich ist | zu gleichem Zwekk und darauf folgendem Engage[ment] schon mit einem BaßSänger abgeschloßen*, 2tens ist es stehender Grundsaz hiesiger Bühne geworden, außerordentliche Fälle ausgenomen – keine Gastrollen ohne unmittelbar daraus erfolgender Anstellung zu bewilligen.

3tens sind Ihre Leistungen hier schon sattsam bekannt* und Sie wißen es ja selbst daß Ihre schöne Stimme gewiß vollen Beyfall erhalten hat. und sollte einmal der obige Fall eintreten      Sollten Sie übrigens einmal geradezu Engagement wünschen, so würde sich dann das weiter besprechen laßen.

Mit aller Achtung Ihr
bereitwilliger
[ohne Unterschrift]

Apparat

Zusammenfassung

betrifft Unstimmigkeiten mit Siebert; wünscht ihm, dass er sein Misstrauen endlich ablegen könne; Gastrollen könne er ihm leider keine anbieten, falls er jedoch ein Engagement suche, ließe sich darüber verhandeln

Incipit

Meines Wißens hatte ich persönlich Ihnen nichts

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (VII), Bl. 56a/v u. 56b/r

Textkonstitution

  • gethan„vergeßen“ durchgestrichen und ersetzt mit „gethan
  • „Willens“durchgestrichen
  • „Es ist“durchgestrichen
  • „und Sie wißen … Beyfall erhalten hat.“am Rand hinzugefügt
  • „und sollte einmal der obige Fall eintreten“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… persönlich Ihnen nichts zu verzeihen“Wegen Sieberts vertragsbrüchigem Abgang vom Prager Ständetheater (er war von einer Gastspielreise im Frühjahr/Sommer 1816 nicht ins Engagement zurückgekehrt).
  • „… schon mit einem BaßSänger abgeschloßen“Vermutlich Eduard Delcher gemeint, der im Mai 1818 in Dresden gastierte (allerdings ohne nachfolgendes Engagement); vgl. dazu auch Webers Brief an den Grafen Vitzthum vom 3. Dezember 1817. Carl Beral, der ab Mai 1818 kurzzeitig Aushilfsrollen in Dresden gab, kommt dagegen eher nicht in Betracht.
  • „… Leistungen hier schon sattsam bekannt“Siebert war 1811/12 mit der Gesellschaft von J. Seconda in Dresden aufgetreten und hatte im April 1816 nochmals dort konzertiert; vgl. u. a. AmZ, Jg. 18, Nr. 23 (5. Juni 1816), Sp. 387f.

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