Die Klopstock-Säkularfeier in Quedlinburg 1824

Friedrich Gottlieb Klopstock galt im frühen 19. Jahrhundert unbestritten als „einer der größten Dichter der Deutschen“1; sein 100. Geburtstag 1824 wurde daher im gesamten deutschen Sprachraum gefeiert. Die beiden aufwändigsten Gedenk-Festlichkeiten fanden in seiner Geburtsstadt Quedlinburg sowie seinem Sterbeort Hamburg statt2. In Quedlinburg hatten einflussreiche Bürger, darunter Landrat Weyhe, Bürgermeister Donndorf und Superintendent Fritsch, zur Vorbereitung des Festakts (sowie zur Beförderung der Errichtung eines Klopstock-Denkmals in der Vaterstadt des Dichters) einen Verein gegründet, der per Kabinettsordre vom 11. Mai 1820 die Erlaubnis des preußischen Königs zur Durchführung der Feierlichkeiten erhielt und daraufhin in regionalen wie überregionalen Zeitschriften Anzeigen publizieren ließ, die für das Ereignis warben.

Die Leitung der musikalischen Veranstaltungen sollten zunächst Weber und Friedrich Schneider gemeinschaftlich übernehmen, allerdings hatte Letzterer bereits die musikalische Leitung des Niederrheinischen Musikfestes in Köln (6./7. Juni 1824) zugesagt, so dass er nicht nach Quedlinburg kommen konnte. Die eigentliche Organisation der musikalischen Beiträge, d. h. die Auswahl der Musikstücke3, das Anwerben der beteiligten Musiker und Chorsänger sowie der Großteil der Einstudierung, lagen in den Händen des mit der Vorbereitung und Durchführung von Musikfesten bestens vertrauten Georg Friedrich Bischoff sowie des Quedlinburger Musikdirektors Johann David Rose, unterstützt durch den Magdeburger Musikdirektor Johann Joachim Wachsmann.

Die Einladung nach Quedlinburg erhielt Weber laut Tagebuch am 21. Mai 1824 und sandte dem Verein bereits drei Tage später seine Zusage; zudem organisierte er die Teilnahme zweier weiterer Künstler aus Dresden: Friederike Funk und Anton Bernhard Fürstenau4.

Weber hielt sich in Quedlinburg vom 28. Juni bis 4. Juli 1824 auf und wohnte in dieser Zeit bei Christoph August Gottfried Ziegler, der ebenfalls Mitglied des Klopstock-Vereins war.

Der eigentliche Festakt fand am Geburtstag des Dichters, dem 2. Juli, in der Quedlinburger Stifts- bzw. Schlosskirche St. Servatius statt, in der Klopstock am 4. Juli 1724 getauft worden war, umrahmt durch eine Vorfeier am 1. Juli in der Servatiuskirche sowie eine Nachfeier am 3. Juli im Theater.

Über die musikalischen Darbietungen und die Ausführenden gibt das gedruckte Festprogramm5 Auskunft:

Vorfeier 1. Juli 1824, St. Servatius
Teil I
- L. van Beethoven: Sinfonie Nr. 3
- C. M. von Weber: Szene und Arie „Misera me“ / „Ho spavento d’ogn’aura“
Solistin: Friederike Funk
- L. Maurer: Violinkonzert
Solist: Carl Müller
Teil II
- C. M. von Weber: Jubel-Ouvertüre
- F. Dotzauer: Flötenkonzert
Solist: A. B. Fürstenau
- A. B. Fürstenau: Preciosa-Variationen
Solist: A. B. Fürstenau
- W. A. Mozart: Hymne „Gottheit dir sey Preiss und Ehre“
Solisten: Friederike Funk, Adelheid Müller, Hr. Reuter (Tenor, Student aus Halle), Carl Edmund Alberti
(Endproben unter Weber laut Tagebuch am 30. Juni und 1. Juli)

Hauptfeier 2. Juli 1824, St. Servatius
- J. G. Naumann: Vater-Unser
Solisten: Dem. Kayser, Adelheid Müller, Ernst Wilhelm Pechmann, Carl Happich
- F. Schneider: Kantate „Den Fürsten des Lebens haben sie getödtet“
Solisten: Dem. Kayser, Adelheid Müller, Hr. Franke (Tenor, aus Bründel), Gustav Reichardt
- G. F. Händel: Messias (3. Teil und Hallelujah)
Solisten: Friederike Funk, Adelheid Müller, Ernst Wilhelm Pechmann, Gustav Reichardt
(Endproben unter Weber laut Tagebuch am 30. Juni und 1. Juli)

Nachfeier 3. Juli, Theater
(nur Teil I unter Webers Leitung)
I.
- L. van Beethoven: Ouvertüre C-Dur
- G. Rossini: Cavatine aus dem Barbier von Sevilla
Solistin: Friederike Funk
- L. Spohr: Konzert für Klarinette und Orchester c-Moll
Solist: Johann Simon Hermstedt
II.
- B. Romberg: Streichquartett
Ausführende: Carl Müller, Georg Müller, August Barthel, Theodor Müller
- C. M. von Weber: zwei Lieder für vier Männerstimmen
Ausführende: Ernst Wilhelm Pechmann, Johann David Rose, Johann Joachim Wachsmann, Carl Happich
- C. Kreutzer: Lied für vier Männerstimmen
Ausführende: Ernst Wilhelm Pechmann, Johann David Rose, Johann Joachim Wachsmann, Carl Happich
- A. B. Fürstenau: Variationen über „O cara memoria“
Solist: A. B. Fürstenau
(Endprobe unter Weber laut Tagebuch am 2. Juli)

Das publizistische Echo der Quedlinburger Festlichkeiten war groß; Berichte erschienen u. a. in folgenden Zeitschriften:
- Zeitung für die elegante Welt
- Allgemeine Zeitung (verfasst von Böttiger, wohl nach Berichten Webers, u. a. seinem Brief vom 7. Juli 1824; nachgedruckt in: Wiener Musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat)
- Abend-Zeitung
- Allgemeine musikalische Zeitung
- Magdeburgische Zeitung
- Literarisches Conversations-Blatt („Briefe“ von Wilhelm Müller, der den Festlichkeiten, an denen seine Frau als Sängerin beteiligt war, beiwohnte)
- Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode
- Hallisches patriotisches Wochenblatt
Eine weitere „Erinnerung“ ist handschriftlich überliefert. Die umfangreichste Dokumentation zu den Ereignissen legte Gottfried Basse mit dem von ihm herausgegebenen Gedenkbuch Klopstock᾽s hundertjähriges Ehrengedächtniß, gefeiert in seiner Vaterstadt am zweiten Julius 1824 (Quedlinburg, Leipzig 1824) vor. Der Verleger hatte bereits das in Vorbereitung des Festakts von Carl Nicolai verfasste Bändchen Klopstock. Ein Denkmahl. Zur Säcularfeier seines Geburtstages am zweiten Julius 1824 publiziert. Im Gedenkbuch werden auch zahlreiche Ereignisse am Rande der Festlichkeiten beschrieben, die Weber in seinen Tagebuchnotizen nur kurz erwähnt.

Als Dank für sein Engagement und seinen Beitrag zum Gelingen des Fests erhielt Weber laut Tagebuch am 11. Oktober 1824 einen silbernen Pokal übersandt, für den er sich per Brief vom 11. November bedankte.

Endnotes

  1. 1Real-Encyclopädie oder Conversations-Lexicon, 5. Auflage, Bd. 5, Leipzig: Brockhaus, 1820, S. 434.
  2. 2Auf eine mögliche Rivalität zwischen den Veranstaltern dieser beiden Feiern deuten Bemerkungen von Ernst Kratz in seiner Kunstreise durch Nord-Deutschland (Bd. 2, S. 363f.) hin.
  3. 3Weber war in die Auswahl der Musikwerke zunächst nicht eingebunden; vgl. seinen Brief vom 24. Juni 1824 an Hinrich Lichtenstein. Einige nachträgliche Ergänzungen gingen allerdings auf seine Vorschläge zurück; vgl. dazu seinen Brief vom 30. Mai.
  4. 4Vgl. dazu auch Webers Briefe vom 30. Mai, 13. Juni sowie 20. Juni 1824.
  5. 5Ein Exemplar ist überliefert in D-B, Weberiana Cl. V [Mappe XVIII], Abt. 4B, Nr. 41E.

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