Wichtige Bereicherung für die Personendatenbank
Auch die Personendatenbank der Weber-Gesamtausgabe ist im zurückliegenden Halbjahr weiter gepflegt worden, wobei in den seltensten Fällen die Möglichkeit zu intensiveren eigenen Recherchen in Primärquellen besteht; vielmehr steht die Auswertung der Sekundärliteratur an erster Stelle, und die hat 2023 bezüglich der Dresdner Hofkapelle einen wesentlichen Zuwachs erhalten: Ortrun Landmann hat als Teil IV einer geplanten Orchestergeschichte der Staatskapelle Dresden von 1710 bis 1918 eine Dokumentation zu ausgewählten Künstlern vorgelegt: die Lebensläufe einzelnder Musiker, vorwiegend böhmischer Herkunft. Publiziert wurde die fast 700 Seiten starke Studie ausschließlich digital von der Sächsischen Landesbibliothek auf deren Qucosa-Server (DOI: 10.25366/2023.101). An derselben Stelle ist bereits seit 2019 eine vollständige Personalzusammenstellung des Orchesters von derselben Autorin verfügbar: Kapelle historisch. Namensverzeichnisse zur Geschichte der Sächsischen Staatskapelle Dresden seit 1548 (URN Qucosa: urn:nbn:de:bsz:14-qucosa2-343149), die sich freilich aufgrund der Materialfülle nur auf die wichtigsten Rahmendaten beschränken musste: Name des jeweiligen Musikers, Instrument und Dienstjahre, ergänzt durch wenige zusätzliche Kommentare. Bereits seit 2009 existiert daneben eine Studie Landmanns zu den der Kapelle angehörenden Dresdner Hofnotisten von ca. 1720 bis ca. 1850 (Teil III der Arbeit Über das Musikerbe der Sächsischen Staatskapelle; URN Qucosa: urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-25559). Die neue, nun erschienene Zusammenstellung bildet dazu eine wesentliche Ergänzung, indem sie die Biographien ausgewählter Musiker genauer beleuchtet.
Der thematische Fokus liegt auf Musikern, die aus Böhmen nach Dresden migrierten, und deren Nachfahren. Grund für diese Wahl war eine Vorarbeit von Zdeňka Pilková (1931–1999); deren Studie Musiker aus den böhmischen Ländern des 18. Jahrhunderts im Ausland – Legende und Wirklichkeit von 1998/99 steht (in leicht überarbeiteter und durch Landmann annotierter Form) am Beginn der Publikation. Leider konnte die Musikwissenschaftlerin ihre akribischen Recherchen vor allem in tschechischen, teils auch in Dresdner Archiven nicht mehr zu Ende führen. Ihre Familie übergab die Vorarbeiten nach deren Tod an Ortrun Landmann mit der Bitte um Publikation, die entschloss sich allerdings zu ergänzenden Untersuchungen anhand der Dresdner Primärquellen. Durch viele andere Projekte unterbrochen, konnte die langjährige Arbeit nun zum Abschluss gebracht werden und vereint die herausragende Expertise der beiden Autorinnen auf dem Gebiet der böhmischen bzw. der Dresdner Musikgeschichte zu einem einzigartigen Kosmos (die Reverenz an die verstorbene Kollegin war auch der Grund, den Bd. IV der geplanten Kapellgeschichte in der Erscheinungsfolge an den Beginn zu setzen; die inhaltliche Gliederung der insgesamt fünf projektierten Teile ist am Ende des vorgelegten Textes nachzulesen).
Die ausgebreitete Materialfülle ist bezüglich der vorgestellten Musiker singulär; zu vielen von ihnen konnten erstmals überhaupt in tschechischen Kirchenbüchern die Geburts- bzw. Taufdaten und die familiären Zusammenhänge ermittelt werden. Die Artikel (zu Einzelpersonen bzw. zu den im Sinne der besonderen Traditionspflege so substantiellen Musikerfamilien) beschränken sich nicht auf die für Lexika üblichen biographischen Texte, sondern ergänzen diese um umfangreiche Aktenauszüge, die das eigentliche Herzstück der Publikation bilden: Passagen aus den Hofkapellakten beleuchten die künstlerische Tätigkeit und die einzelnen Karrierestufen sowie die Besoldungsentwicklung, aber auch soziale Probleme. Genealogische Informationen sind den Kirchenbüchern (zu Hochzeiten, Taufen und Todesfällen) der Katholischen Hofkirche entnommen und beschränken sich nicht auf die genannte Person, sondern geben Auskunft über deren Familien (inkl. Nachweise zu Patenschaften). Aus den Dresdner Jesuiten-Diarien sind wichtige Informationen zur Ausbildung (Schulbesuch, Tätigkeit als Kapellknabe) entnommen. Ergänzt wurden nach Möglichkeit Zeitzeugenberichte. Am Ende steht ein Überblick über die für die Dresdner Kirchenmusik so bedeutsame Tätigkeit der katholischen Kapellknaben im 18. und 19. Jahrhundert. Die Zusammenstellung der benutzten Primärquellen und Sekundärliteratur bietet für weitere quellenbasierte Forschungen zur Dresdner Musikgeschichte einen verlässlichen Wegweiser.
Auch wenn der zeitliche Horizont der Zusammenstellung weit über Webers Dresdner Dienstjahre hinausreicht, konnten dieser achtunggebietenden Zusammenstellung wichtige Informationen zu Personen aus dem Umfeld Webers entnommen werden, beispielsweise zu den Familien Dietze, Eisert, Löbel, Mi(e)ksch und Tietz. Die Personen-Biogramme zu allen während der Weber-Dienstzeit (1817–1826) tätigen Musikern wurden mit der neuen Studie verglichen und bei Bedarf angepasst, so dass auch die Datenbank der WeGA auf dem neuesten Stand bleibt, freilich weit entfernt von der Erschließungstiefe der Pilková/Landmann-Arbeit, orientiert an der Anlage der Datenbank als Kommentierungsinstrument.
Ortrun Landmann sei ein herzliches Wort des Dankes für diese neue Quellenstudie gesagt und viel Energie für die Weiterführung des ehrgeizigen Projekts der Kapellgeschichte gewünscht.
Editorial
Tradition
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