Weber-Neuerwerbungen der Staatsbibliothek zu Berlin – PK 2016
In Zeiten knapper werdender öffentlicher Kassen und des damit verbundenen “Abschmelzens” der Erwerbungsetats selbst in den großen wissenschaftlichen Bibliotheken ist es um so erfreulicher, dass die Musikabteilung der Berliner Staatsbibliothek ihrem Sammelauftrag zu Weber mit unverminderter Energie nachkommt. Auch 2016 gelangen in Absprache mit den Mitarbeitern der Weber-Gesamtausgabe wieder mehrere erfreuliche Neuerwerbungen, die spektakulärste darunter ein lange verschollenes Noten-Autograph: Weber hatte den Schlusschor seines 1808 entstandenen Deklamatoriums Der erste Ton im Rahmen der Drucklegung 1810 nochmals überarbeitet. Die erste Version des Chores wurde vom Autograph abgetrennt, von Weber allerdings in seinem Werkarchiv verwahrt. Lediglich das Schlussblatt entfernte der Komponist später; da die letzte Seite des Manuskripts ursprünglich leer geblieben war, benutzte er dessen untere Hälfte 1820 für die Notation eines Liedes, das er verschenkte. Was in diesem Zusammenhang mit der oberen Hälfte des Blattes geschah, ist unbekannt – vermutlich landete sie im Papierkorb. Den Torso des autographen Schlusschores in der ersten Fassung von 1808 (ohne die auf der recto-Seite des letzten Blattes notierten Schlusstakte) erhielt Friedrich Wilhelm Jähns 1829 von der Witwe des Komponisten zum Geschenk, diese tauschte es allerdings 1836 gegen ein anderes (komplettes) Weber-Autograph zurück und gab das Fragment anschließend an den Geiger und Komponisten Henri Vieuxtemps, der es seiner Autographensammlung einverleibte. Jahre später (um 1870) gelangte die untere Hälfte des Schlussblattes mit der zusätzlichen Lied-Notation in die Jähns-Sammlung und mit dieser schließlich 1881 in die Weberiana-Kollektion der Berliner Bibliothek. Den letzten Hinweis zum Verbleib des Hauptteils des Autographs gab das Jähns’sche Weber-Werkverzeichnis: Demnach befanden sich die Seiten 1–12 des Chores noch 1865/66 in der Sammlung Vieuxtemps; danach verlor sich ihre Spur.
Umso erstaunlicher war es, dass sich 2016 eine in Frankreich lebende Vieuxtemps-Nachfahrin bei der Weber-Gesamtausgabe meldete und das verschollen geglaubte Autograph offerierte. Dank der Verhandlungsbereitschaft aller Seiten konnte es für die Berliner Sammlung gesichert und somit – erstmals seit 1820 – wieder mit dem Schlussblatt (besser: dessen unterer Hälfte) vereint werden.
Doch die Erwerbungen der Musikabteilung beschränken sich keineswegs auf solche “Sahnehäubchen”; auch der systematische Ausbau der Sammlung bezüglich Neuerscheinungen von Weber-Literatur, -Editionen und -Einspielungen wird konsequent betrieben, wobei ein besonderes Augenmerk auf Antiquaria gelegt wird, die der Bibliothek bislang noch fehlten: So konnte 2016 beispielsweise der seltene erste Librettodruck zur Oper Abu Hassan, erschienen als Textheft zur Uraufführung 1811 in München, angekauft werden. Und auch die große Kollektion der Briefautographe Webers wurde weiter ergänzt: zuletzt um ein kurzes Begleitschreiben des Komponisten vom 16. März 1826 an den Londonder Verlag Welsh & Hawes, das er bei Übersendung des ersten Akts des Oberon-Klavierauszuges verfasste.
Die Partnerschaft zwischen Musikabteilung und Weber-Gesamtausgabe hat sich in diesem Sinne auch 2016 – wie in all den Jahren zuvor – bestens bewährt; allen Beteiligten, besonders der Abteilungsleiterin Frau Dr. Rebmann, sei an dieser Stelle herzlich für die unkomplizierte und fruchtbare Zusammenarbeit gedankt.
Editorial
Tradition
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