## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Hofkirche: “Missa sancta (Nr. 2) G-Dur” von Carl Maria von Weber am 17. Januar 1819 ## Author: Anonymus ## Version: 4.12.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032909 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ *)*) Eine auch von diesem Correspondenten über die Aufführung der Oper: Aschenbrödel mitgetheilte Nachricht, lassen wir hinweg, da sie mit dem frühern Berichte eines andern Referenten (in No. 6 dieser Zeitung) im Wesentlichen übereinstimmte. d. Red. Dresden. Am 17ten, als dem Vermählungs-Jubiläum ihrer königlichen Majestäten, wurde in der katholischen Kirche Vormittags das Te Deum von Hasse unter Abfeuerung von Kanonen und Musketen gesungen, und Hr. Kapellmeister v. Weber liess uns eine für diese Feyer von ihm componirte Missa hören, von welcher wir nachher sprechen werden. Das Te Deum dirigirte Hr. Kapellm. Morlacchi; das Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Agnus Dei Hr. v. Weber, als seine eigene für den merkwürdigen Tag geschriebene Musik. Es begann mit einem Adagio in Es dur in einer Melodie von Blasinstrumenten, die mit sehr guter Wirkung die Worte: Sit nomen Domini benedictum ausdrückten, so wie das darauf folgende glänzende Allegro das Hallelujah schön ausdrückte. Dieses war für eine Tenorstimme mit Chorbegleitung gesetzt und wurde von Hrn. Cantù, einem jungen, in die italienische Gesellschaft eingetretenen Mayländer, gesungen, welcher in dieser Missa zum erstenmale in unserer Kirche gehört wurde. Er ist, wie man uns gesagt hat, ein Schüler des Tenoristen Gentili und des Balderari, des ersten Klaviermeisters am Orchester des Theaters della Scala in Mayland. Ueber seine Stimme und seinen Gesang wollen wir noch kein Urtheil fällen; wir konnten sie wegen des Geräusches nicht genau genug hören, welches bey der grossen, zu dieser Feyer in der Kirche versammelten Volksmenge unvermeidlich war. Jenes Stück gefiel, die Melodie und Harmonie desselben brachten eine schöne Wirkung hervor. Wir gehen nun zu der Missa des Hrn. v. Weber über, welche am 24sten mit Hinzusetzung des neuen dazu gehörigen Offertoriums wiederholt wurde. Wenn seine erste ein Meisterstück der Kunst war, wie sie unser erster Tenorist, Hr. Benelli, in No. 18 des vorigen Jahrganges dieser Zeitung beschrieben hat, so ist diese, wiewol in ganz verschiedenem Style geschrieben, ein nicht minder vollendetes Werk, von wundervoller und herrlicher Wirkung. Sie ist voll origineller Ideen und die musikalischen Perioden sind den Worten trefflich angepasst. Das unschuldsvolle Motiv, mit welchem das Kyrie beginnt, drückt das fromme Gebet eines schuldlosen Volks aus. Es geht in gleichem Rhythmus bis zum Ende mit gleichförmigem Gange der Harmonie und Melodie und ist in G dur vierstimmig für den vollen Chor geschrieben. Das schöne Gloria in excelsis, ein Allegro in D dur mit einem Rhythmus von 3/4 ist, wie das Kyrie, in einem einzigen Rhythmus bis ans Ende aus genialen Ideen gewebt. In Minore ist das Qui tollis peccata mundi für eine Tenorstimme mit schönen Accorden und schöner Melodie für die Blasinstrumente geschrieben und mit derselben tief durchdachten Idee das Miserere nobis mit Pathos ausgedrückt. Noch origineller war die Idee der Fuge des Cum sancto spiritu, in deren Mitte die fünfte Sopranstimme solo eintrat und Bravour-Passagen sang, um die Worte: in gloria Dei patris, Amen auszudrücken. Hier möchten wir Hrn. v. Weber fragen, ob die Antwort des Thema im Tenore in der Dominante in der Authenticität des Tones richtig sey und ob sie die Alten auch jemals gebraucht haben? Das Credo, ebenfalls ein schönes, wenn auch minder kraftvolles Stück, als beyde erstern, geht aus B dur; aber zu den Worten: et incarnatus est, hat der Tonsetzer imponirende Accorde und Gänge des Basses zu finden gewusst, um sowol den erstern, als den folgenden Worten: crucifixus | etiam pro nobis durch die Melodie einen klagenden Ausdruck su geben, und in einer schwebenden Cadenz erstirbt die Stimme gleichsam bey den Worten: sepultus est. Dieses Stück macht dem Verfasser hohe Ehre; und auch der Sänger, unser Sopranist Hr. Sassaroli, der den schwierigen Gesang trefflich durchführte, verdiente ausgezeichnetes Lob. Das Offertorium in C dur fing mit einem anmuthigen Motiv für Hoboe und Fagott an, die Sopranstimme a solo führte es aus, das Chor fiel mit einem crescendo der Harmonie, Hallelujah, Hallelujah declamirend ein und die fünfte Stimme des Sopran erhob sich in kräftigen Tönen über alle übrigen Stimmen. Diese durch eine feuríge Instrumentalbegleitung gehobene Idee, welche in unserer Kirche von vortrefflicher Wirkung war, entzückte alle Zuhörer. Der imponirende Eingang eines melodischen, den Hörnern gegebenen Forte, durchbebte, wie durch electrische Schläge, alle Zuhörer und begeisterte auch die Künstler, welche dieses Stück ausführten. Es war in D dur. Hierauf folgte ein Allegro mit einem Unisono für die vier Stimmen, mit fremdartigen Tönen der Saiten-Instrumente colorirt, um das Osanna in excelsis auszudrücken. Jeder dieser neuen und schönen Gedanken wurde in seiner Eigenthümlichkeit vorgetragen. Das Benedictus war ein Andante in A dur für vier Stimmen allein, mit Andacht erweckender Melodie; der Sopran trat mit dem Tenor a Canone in der Terzie ein, die Antworten folgten bald in der Dominante, bald in Fis u. s. w., und hierdurch zeigte der Componist, wie gross seine Kenntniss der Kunst und ihrer Wirkung ist. Er wiederholte von neuem das erste Tempo der Osanna mit dem nämlichen Gange der Stimme und Rhythmus. Das Agnus Dei, ein Largo in Es dur mit dem Rhythmus 6/8 , begann mit einem andächtigen Motiv a solo für den Fagott in hohen Tönen; die Altstimme a solo fiel ein, die zweyte vereinigte sich mit der ersten, eine schöne Melodie rührte jedes Herz, die Worte von einer unschuldsvollen Harmonie begleitet, waren wohl ausgedrückt, und mit einem einfachen Motive voll Grazie fiel der Sopran mit den Worten: dona nobis pacem ein, während der nachahmende Chor ein Volk darzustellen schien, das den Herrn um Frieden bittet. Es gereicht uns zu grossem Vergnügen, in diesen Andeutungen dem wahren Verdienste Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wie wenig wir dagegen auch geneigt sind, diejenigen zu loben, welche es nicht verdienen. (Les louanges exagérées deviennent autant de critiques aux yeux des gens d'esprit). Hr. Sassaroli, der durch seine Stimme und schönen Vortrag jenes Meisterwerk schmückte, verdient gerühmt zu werden. Die Herren Buccolini, als Altist, Benelli als Tenorist und Benincasa als Bassist, zeichneten sich gleichfalls in ihren Solo's aus. Das Orchester bewies in der Ausführung eine seltene Genauigkeit und Kunst. Auch die Symphonie, vom Hrn. Concertmeister Polledro componirt, war ein sehr achtungwerthes Werk. […]