Notiz über Giacomo Meyerbeers Vollendung von Carl Maria von Webers Opernfragment Die drei Pintos vom 4. Februar 1834
Aus der Musikwelt.
– Jacomo‡ Meyerbeer. Dieser ausgezeichnete Compositeur, meldet der „Freimüthige,“ wurde zu Berlin im Jahre 1794 geboren*. Da seine Eltern, deren wolthätige Wirksamkeit in Berlin bekannt ist, nichts an der Erziehung ihres Sohnes sparten und ihr Haus stets der angenehmste und geistreichste Sammelplatz alles dessen war, was es Ausgezeichnetes in der Berliner Kunst-Welt, gab, so konnte es nicht fehlen, daß sich die glücklichen Anlagen des Knaben für die Tonkunst zeitig entwickelten, und schon in einem Alter von sieben Jahren erwarb er sich durch seine Fertigkeit auf dem Pianoforte in Gesellschaften und Concerten den Beifall der Zuhörer. Inzwischen begann er erst in einem Alter von 15 Jahren seine umfassenderen musikalischen Studien. Abt Vogler bekanntlich einer der speculativsten und scharfsinnigsten Tongelehrten und der größte Contrapunctist seines Jahrhunderts, hatte eine Erziehungsanstalt eröffnet, worin er Jünglinge von Wahl aufnahm. Gelehrte Kritiker und rühmlichst bekannte Tonsetzer, von denen wir zunächst Knecht, Ritter, Winter nennen, gingen aus dieser Schule hervor. Nicht minder berühmt gewordene Namen wie Gänsbacher, C. M. v. Weber, Gottfried Weber waren Meyerbeer’s Commilitonen und genossen mit ihm den zweckmäßigen und lehrreichen Unterricht ihres gelehrten Meisters. Ein vertrauliches und brüderliches Verhältnis entspann sich hier zwischen Meyerbeer und C. M. v. Weber, die zwei Jahre hindurch dasselbe Zimmer theilten*. Dies innige Freundschaftsband zerriß nur erst der Tod Webers im Jahre 1826. Der unsterbliche Tondichter des „Freischütz“ und der „Euryanthe“ vermachte seinem Freund ein begonnenes Tonwerk, eine dreiactige Oper „die drei Pinto“ mit der Bitte es zu vollenden*. Ein einziger Act, der vortreffliche, besonders muntere Stücke enthalten soll, war von der Hand Weber’s, jedoch nicht instrumentirt*. Nach einem zweijährigen Aufenthalt Meyerbeer’s bei Vogler gab dieser seine Anstalt auf, und Lehrer und Schüler machten mit einander eine Reise durch Deutschland. Unter diesen Auspicien förderte der junge Tondichter, damals 18 Jahre alt, „die Tochter der Jephta,“ große Oper in drei Aufzügen in München zu Tage. Mit diesem seinem ersten Werke, worin alle rauhe Formen der Scholastik gewissenhaft aufbewahrt waren, und das bei seiner Darstellung einen mäßigen Erfolg hatte, beschloß er zugleich seine Lehrjahre bei Vogler; der Meister ertheilte mit der ihm eigenthümlichen Bonhommie seinem Schüler ein Brevet di Maestro, dem er mit einem Federstrich seinen Segen hinzufügte, und Lehrer und Schüler nahmen von einander Abschied.
(Die Fortsetzung folgt.)*
Editorial
Summary
Notiz über Giacomo Meyerbeers Vollendung von Carl Maria von Webers Opernfragment “Die drei Pintos”
Creation
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Responsibilities
- Übertragung und Kommentierung
- Obert, Salome
Tradition
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Text Source: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 27, Nr. 25 (4. Februar 1834), pp. 99
Text Constitution
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“Jacomo”sic!
Commentary
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“… Jahre hindurch dasselbe Zimmer theilten”Die beiden wohnten nicht im selben Zimmer, sondern in verschiedenen Häusern. Meyerbeer wohnte mit seinem Bruder Heinrich erst in dem Gasthof „In der Traube“ bzw. ab 1. Mai 1810 bei Vogler (Am Birngarten 4, spätere Alexanderstraße) (vgl. Meyerbeer, Briefwechsel und Tagebücher, Bd. 1, S. 54). Weber wohnte zunächst bei Vogler (vgl. Tagebucheintrag vom 4. April 1810), ab dem 21. April 1810 teilte sich Weber ein Zimmer mit Johann Gänsbacher in der Ochsengasse (vgl. Tagebuch).
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“… der Bitte es zu vollenden”Für diese Behauptung finden sich keinerlei Belege.
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“… 's , jedoch nicht instrumentirt”Die Entwürfe befinden sich heute in dem Konvolut Mus. ms. autogr. C. M. v. Weber WFN 3 in der Staatsbibliothek zu Berlin. Darin findet sich ein Verzeichnis der insgesamt 17 Nummern inklusive der Ouvertüre mit entsprechenden Satzbezeichnungen, Angaben der jeweiligen Tonarten und Dauer. Von diesen 17 Stücken hat Weber lediglich die Nummern eins bis sieben bzw. bis zum Beginn des zweiten Akts skizziert, häufig auf zwei Systemen, meist Singstimmen mit den wichtigsten instrumentalen Motiven und teilweise unvollständig.
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“… (Die Fortsetzung folgt.)”Der Artikel wird in drei weiteren Ausgaben fortgeführt. Da sie keine weiteren Informationen zu Meyerbeers Arbeiten an den Pintos enthalten, wurden sie in die WeGA nicht aufgenommen. Digitalisate der Artikel sind online verfügbar: Teil 2 vom 5. Februar 1834, Teil 3 vom 6. Februar 1834 und Teil 4 vom 10. Februar 1834.