## Title: Aufführungsbesprechung Wien, Hofoper: “Oberon” von Carl Maria von Weber am 4. Februar 1829 (Teil 1 von 2) ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032221 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ "Oberon, König der Elfen." – Die Kritik hat bereits so viel für und gegen dieses letzte Werk des genialen, uns leider nur allzufrüh entrissenen Meistersängers zur Sprache gebracht, dass die Erwartung bei dessen endlichem Erscheinen nicht anders als auf das allerhöchste gespannt sein musste. – Eine zahlreiche, ausgewählte Versammlung hatte sich eingefunden, um den Manen des verewigten Tondichters ein erhfurchtsvolles Dankopfer darzubringen; enthusiastische Vorliebe prophezeite Seltnes, ja Unerhörtes, und siehe da! – der grosse Geist erschien im schlichten, einfachen Gewand; was Wunder nun, wenn er nicht begriffen, nicht erfasst, vielmehr von der getäuschten Menge sogar missverstanden wurde! – Ref. übt eine traurige Pflicht, indem er seine innige Verehrung für den unsterblichen Weber im Trauerflor des Leichenbitters abzustatten kömmt, und was an ihm liegt, soll redlich gesehen, dieser allzurasch vorgenommenen Function Einhalt zu thun, und, nach aufgestellter Thatsache hofft er zu beweisen, wie dieses Werk nicht minder, unbeschadet des ersten ungünstigen Impulses, die gerechtesten, vollgülltigsten Ansprüche auf die allgemeine Achtung und Würdigung habe. – Es ist kein Zweifel, Webers Schwanengesang war keine fröhliche, im offenen Glanze freundlicher Himmelslüfte entblühlte Blume, er ist die Frucht eines herben, männlichen Geistes. Schon darum ist er minder fasslich, als manches, was geradezu gefällt. Eben, weil die Melodien im höchsten Grade karakteristisch sind, können sie nur bei ganz vorzüglich karakteristischem Gesang, der auch die feinsten Nüancen aufzufassen weiss, bei Stimmen nur, für welche sie berechnet sind, in ihrer vollen Strahlen-Glorie hervortreten. Die Ausführung mag allerwege gut sein, und das Werk immerhin noch unverstanden bleiben; denn es verlangt nicht allein schöne Stimme, Koloraturen-Fertigkeit, und das Verständnis im Allgemeinen, sondern auch die zarteste, bis in das letzte, subtilste Detail getreu, in Herz und Seele übergegangene Auffassung, und – wie die grossen Werke der Dichtkunst – wahre Reproduktion. Wie haben nicht Schillers grosse, zum National-Interesse gewordenen, und Göthe's, die ganze weite Welt mit warmer Kunstliebe anwehenden Tragödien die bittersten Urtheile erdulden müssen? In Webers Oberon zuckt ein Funke der heiligen Lebens-Sonne also glänzend, dass er sogleich als herrliches Gestirn auftaucht, sobald die Nebel, welche der Morgendämmerung vorangehen, schwinden. Das Publikum lasse nur erst dieses Kunstprodukt zu verschiedenen Malen und unter verschiedener Besetzung an sich vorübergehen, und – wahrlich! – es wird gewiss sein voreilig strenges Urtheil mit Schaamröthe zurücknehmen. – (Schluss folgt.)