Aufführungsbesprechung der Oper Euryanthe von Carl Maria von Weber in Wien, Kärntnertortheater, 25.–30. Oktober 1823 (Teil 2)

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Correspondenz.

(Fortsetzung.)

Der Inhalt der Euryanthe ist kurz folgender: Bei einem Friedenfeste, das König Ludwig VI. feierte, besingt Adolar, Graf zu Nevers, als Held und als Sänger gleich geehrt, Euryanthen als den höchsten Preis der Schönheit und Treue, welches Lysiart, Graf zu Forest und Beaujolois, mit Neid und Eifersucht erfüllt, nur mit Mühe duldet, gegen die Treue der Frauen zweideutige Reden anbringt, und endlich vermeßner Weise das Erbtheil seiner Väter daran setzt, er werde die gepriesene Euryanthe die seinige nennen. Adolar, welcher gleich anfangs die Treue seiner Schönen mit dem Schwerte vertheidigen will, geht endlich die Wette ein, setzt sein Vermögen daran, und der König erlaubt sie. Lysiart würde in derselben gleichwohl unterlegen haben, wenn ihm nicht glücklicher Weise Eglantine, eine von Adolar verschmähte Schöne, welche sich das Zutrauen Euryanthens zu verschaffen, und sich in den Besitz eines nur Adolar und Euryanthen bekannten Geheimnisses zu versetzen weiß, zu Hülfe gekommen wäre, und durch den Raub eines in der Gruft Emmas (einer unglücklichen Schwester Adolars) befindlichen Kleinodes, das sie Lysiart übergibt, diesem die Möglichkeit verschafft hätte, Adolar den Glauben an Euryanthens Untreue, diese selbst aber zum Geständnisse eines verrathnen Geheimnisses zu bringen, wodurch ¦ dann Allen, selbst dem Könige Euryanthens Schuld gegründet scheint. Während man inzwischen die verrathene und verstossene Euryanthe in dem Forste verunglückt glaubt, und Lysiart im Besitze der durch die gewonnene Wette zum Lehen erhaltenen Güter Adolars den Lohn seines Verraths mit Eglantine durch die Vermählung mit dieser zu theilen, und seinem Werke die Krone aufzusetzen glaubt, erwacht die Stimme des Gewissens in Eglantinen, und im Gefühle der Zufriedenheit über die an Adolar geübte Rache für seine Verschmähung entdeckt sie das ganze Geheimniß des an Euryanthen begangenen Verraths und ihrer Unschuld, wodurch dann die Wiedervereinigung dieser mit Adolar und der frohe Schluß der Oper herbeigeführt wird. Es muß Jedermann auffallen, daß dieser Stoff zur eigentlichen heroischen Oper nicht besonders geeignet ist, und doch ist dieselbe in diesem Style und ganz nach dem Muster der verschrieenen Nicolinischen und Rossinischen in ihrer Anlage gehalten, und mit der dort gewöhnlichen Mechanik und Bühnenkunst, Zügen, Märschen, Donnerwettern, Höhlen und Waldungen ausgestattet. Hierdurch aber verfällt die Oper in einen mehr düstern dunkeln Ton, als es der Gegenstand nothwendig erfordert hätte, der Gang derselben wird gedehnt, und kann durch die eingewirkten Episoden und die geschaffenen Contraste zu keinem rasch vorschreitenden harmonischen Ganzen erhoben werden, weshalb es dann in der That nicht befremden kann, wenn unsre Wiener den Namen der Oper: Euryanthe, scherzhaft in Ennuyante verwandelt haben. Sieht man z. B., daß Lysiart, der im ersten Akte so keck sein Vermögen daran verwettet hatte, Euryanthe zu verführen, schon anfangs des zweiten Aktes bei gewitterlichem Himmel und späterer Dunkelheit gleich verzweifelnd erscheint, und Eglantine als Deus ex Machina hervortreten muß, um das gelingen seiner Plane zu befördern, so kann man den Mangel seines Motivs nicht verkennen, und eben so ist die im dritten Akte statt findende Entdeckung von Euryanthens Unschuld durch Eglantinens Gewissensbisse, ihren Mord und die Bestrafung des letzten zu tragisch für den Stoff herbeigeführt, und das fröhliche Ende zu grell überspringend. In der Dichtung des Textes kömmt überdies, besonders bei den Arien, viel Kling-klang-Reimerei vor, wogegen die Verse für die Recitative, wie in den meisten deutschen Operntexten, zu lang und gedehnt sind, wodurch der in der deutschen Sprache schon an und für sich nicht leichte Vortrag des reinen Recitativs oder das sogenannte Recitativo parlante nur noch gedehnter und ungefälliger wird.

(Fortsetzung folgt.)

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bandur, Markus

Tradition

  • Text Source: Flora. Ein Unterhaltungs-Blatt, Jg. 1823, Nr. 179 (13. November), pp. 714

Text Constitution

  • “Plane”sic!

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