Aufführungsbesprechung Hannover: “Der Freischütz”, Aufführungsserie ab März 1822, Teil 2/3
(Webers Freischütz in Hannover.)
(Fortsetzung.)
An der Kleidung der Jägerburschen fand man die Besetzung der Kleider, wenn sie auch nicht Gold oder Silber war, unpassend; dem gemeinen Jäger kommt der schlichte grüne Rock zu, solche Besetzung trugen in jener Zeit nur die höhern Stände; ebenfalls schien nicht gut erdacht, daß die Jäger auf den Hüten einzelne weiße Hahuenfedern‡ hatten; der Waidmann schmückt sich eher mit einem Eichenzweige, und da in der Dichtung Caspar dem Max als Auszeichnung einige Adlerfedern auf den Hut pflanzt, Agathe im Mondenscheine diese als etwas ganz besonderes, für einen Blumenstraus ansieht, was sie nicht würde, wenn die Burschen für gewöhnlich Federn trugen, so störet dieser magere Schmuck überdem die Fabel. – Die Figur des Samiels war imposant. Sein reich begoldet Jagdkleid, grün und roth, der große Hut mit dem Federnwalde über dem glühenden Antlitze machte sich trefflich; nur am Schlusse gefiel seine Erscheinung in völliger Naktheit, nur mit einem schwarzen Schutz- und Schaammäntelchen, nicht. Er ist nicht Satan selbst, sondern nur sein Ambassadeur; sollte er als Teufel kommen, dürften Hörner und Flügel nicht fehlen; so hat er etwas Widerliches, Auge und Sinn Verletzendes; im ersten Kostüme wäre auch hier sein Erscheinen sicher eben so wirksam. – Man lese darüber nach: Kinds Muse, Mai 1822, pag. 102. – Vernachlässigt war die Gestaltung des Eremiten, die doch Hauptfigur ist, und welche, da die ersten Scenen fehlen, doppelt hervorgehoben und ausstaffirt seyn müßte. In seiner braunen Kutte sieht unser Eremit aus wie ein Bettelmönch, wie ein junger Kapuziner ohne Würde und Hochstellung. Man gebe ihm das weiße Kleid mit dem schwarzen Skapulier der Zisterzienser oder Hieronymiten oder niederländischen Kleriker, die nach Aufhebung ihrer Klöster häufig als Eremiten lebten, man setze ihm einen großen Prädikantenhut auf, male ihm ein altes, faltenreiches Angesicht, und füge einen schneeweißen Bart hinzu, der bis zum Gürtel niederwallt, und die Figur wird leisten, was sie soll und muß. –
Der Decorateur hatte sich vorzüglich angestrengt; nur hätte er seine eigene Phantasie mehr sollen wirken lassen, und nicht auf Nachahmung eines Nachbartheaters sich beschränken; er würde noch Schöneres und Würdigeres haben erschaffen können. Schon der erste Schießplatz mit dem Wirthshause erschien freundlich gestellt. Die zweite Decoration, der Vorsaal, ist an sich sehr gut erfunden und gemalt in Grün und Goldstukatur, wenn sie auch das Veraltete des wüsten Jagdschlosses erst durch den Gebrauch bekommen muß. Aber der freundliche Eindruck ist verdorben durch die Hinterwand, die man mit bunten Bildern und Portraits, von denen einige recht komisch lassen‡, überladen hat. Statt dessen hätten zwei große gothische Fenster zur Seite der Flügelthür, welche zum Balkon führt, angebracht werden müssen, und zwischen Thür und Fenster hätte man zwei Bilder hinhängen können, das Eine der Urvater Cuno, das Zweite die ehrbare Hausfrau desselben darstellend. Diese Bilder müßten wenigstens acht Fuß vom Boden erhöht hängen, und Cuno’s Portrait müßte wirklich mobil, nicht auf die Wand gemalt, seyn. Annchen spricht davon, wie Agathe an das Fenster lief, und dabei ihr des Ahnherrn herabfallendes Bild die Stirn verwundete. Wir sehen kein Bild im ganzen Saale, und das Bild des alten Cuno hängt so niedrig, daß wir uns die Agathe auf dem Boden niederkauernd und Stecknadeln suchend, denken müssen, sollten wir glaubhaft finden, sie sey vom fallenden Bildrahmen verwundet worden. Freilich würde das Festnageln für Annchen unbequem seyn, doch ein Jägerbursche könnte ihr ja die kleine Leiter halten. So bleibt die ganze Idee des Dichters ohne Wahrscheinlichkeit und drum ohne Eindruck. – In diesem Vorsaale steht auch der Betaltar mit den weißen Rosen, weil man dieselbe Decoration, gegen den Willen des Dichters, im dritten Aufzuge wieder benutzt. Da soll die Scene in Agathens Kämmerlein liegen, wo der Betaltar hingehört, und wo sie die Brautjungfern anputzen, was auch im Vorsaale nicht geziemend ist. Aus welcher Ursache man bei uns von der Vorschrift abwich, ist unbegreiflich, da wir ein schlichtes graues Zimmerchen vorräthig haben, wo wir drum Annchens Rede, wie das Ahnenbild wieder im Vorsaale gespukt, und wie sie über den mit ihm herabgefallenen Wandkalk gestolpert, nicht zu streichen brauchten. –
Editorial
Summary
Aufführungsbesprechung des Freischütz in Hannover, Teil 2/3
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler; Jakob, Charlene
Tradition
-
Text Source: Das Sonntagsblatt, eine vaterländische Zeitschrift zur Belehrung und Unterhaltung, aus dem Gebiete des Schönen und Nützlichen, mit populärer Hinweisung auf deutsche Litteratur und Zeitgeschichte, Jg. 6, Nr. 29 (21. Juli 1822), pp. 232