## Title: Briefe aus Prag und Wien (Teil 1 von 3) ## Author: J. ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A031269 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Briefe aus Prag und Wien.#lb#I.Prag, 11. Oktober 1816. […] | […] […] Wenn ich dir sage, daß ich gestern um 6 1/2 Uhr angekommen bin, so bist du auch schon überzeugt, daß ich sogleich das Theater besuchte; ich darf dir nur hinzufügen, welchen Eindruck es auf mich hervorgebracht hat. Das Haus ist ziemlich geräumig, hat 4 Reihen Logen, und die Dekoration ist einfach und edel. Man gab den „seltenen Ehmann“ von Ziegler, und die Rolle des alten Herrn gab der Theater-Direktor Liebich, von dessen wunderbaren Darstellungsgabe dir Ferdinand schon so viel erzählt hat. – Er trat nach einer mehrmonatlichen gefährlichen Krankheit zum ersten Male wieder auf, und wurde mit anhaltenden Beyfallsbezeugungen empfangen, – – hier muß ich dir noch bemerken, daß zu Prag das Pochen mit den Stöcken auch Beyfallsäußerung ist, was mir Anfangs einen kleinen Schreck einjagte, denn ich dachte an Leipzig und die Studenten. – – Wahrlich, man kann nicht zu viel von diesem herrlichen Künstler sagen, den schon einer unsrer ersten Kunstkenner in seinem eigentlichen Rollenkreise über Iffland erhebt. Er ist einer von den wenigen, wo die Kunst sich so innig mit der Natur vermählt hat, daß man, | hingerissen von der Wahrheit der Darstellung, die Grenzlinien von beyden durchaus nicht mehr zu unterscheiden vermag; und was muß er in Fülle der Gesundheit vermögen, da er selbst kaum von einem schmerzlichen Krankenlager erstanden, und sichtlich noch sehr schwach, schon so Großes leistete. Er soll sehr dick gewesen seyn, nun ist er ziemlich mager. Auch ein Poet hat sein Wieder-Erscheinen durch ein Sonett gefeyert, das ich aber nicht zu sehen bekam. Die übrigen Schauspieler unterstützten ihn ziemlich brav, bis auf einen jungen Menschen, der den Studenten durchaus vergriff; auch Fräulein Amalie war in den Scenen, wo sie nicht witzig seyn darf, etwas kalt und trocken. – Es existirt hier ein Pensions-Institut für das Theater, und zu dessen Besten wird morgen das Haus Anglade von Theodor Hell aufgeführt, mit einem Prolog von Gerle, dessen jugendliche Arbeiten dir immer so viel Freude machten, und den wir alle für todt hielten, weil er so lange nichts geliefert hat. Er ist jetzt Professor der italienischen Sprache und der Geschmackslehre an dem hiesigen ständischen Conservatorium der Musik, aber leider so unthätig, wie viele gute Köpfe in den östreichischen Erblanden, und daher für das Ausland wohl fast so schlimm, als todt. Morgen mehr, und auch über dieß Produkt seiner Muse, – ich kann mir wahrlich nicht mehr recht vorstellen, was er wohl in diesem Prolog sagen kann. J. (Die Fortsetzung folgt.)