## Title: Reaktion im Literarischen Merkur auf Webers dramatisch-musikalische Notizen zu “Emma di Resburgo” und “Alimelek” ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030971 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Bemerkungen über den Artikel des Herrn Carl Maria von Weber, Königl. Sächs. Kapellmeisters und Direktors der Deutschen Oper, in No. 17 und 18 der Abendzeitung**) Wie wenig wir auch den Inhalt obstehenden Aufsatzes zu vertreten geneigt sein möchten, sind wir doch zu sehr unsers Versprechens der strengsten Unparteilichkeit eingedenk, um als Laie einer mindestens Sachkenntnis verratenden Rüge bloß deshalb die Aufnahme zu versagen, weil der darin angegriffene, von uns hochgeachtete Mann in unserer Mitte lebt. Eben so wenig hielten wir uns selbst durch den Ton des Ganzen zu einer Weigerung befugt, da der Einsender sich bereit erklärt, seine Meinung auch von Angesicht zu Angesicht zu verteidigen, und endlich der Mann von Geist, dem es nur um Wahrheit zu tun ist, über persönliche Ausfälle gewiß am ersten wegzusehen weiß.#lb#Die Redaktion..Sobald Herr Kapellmeister C. M. v. W. nach Dresden kam, begann er auch, unzufrieden mit dem musikalischen Geschmacke des dasigen Publikums (obschon Dresden seit langen Jahren der Sitz wahrer Musikkenner und ausgezeichneter Tonkünstler und Tonsetzer gewesen), wie früher in Prag, das Kunsturteil zu lenken und jeden im voraus zu überzeugen, daß nur die Kompositionen, welche er empfahl und beschützte, Lob und Bewunderung verdienten. Seinen Lieblingen nur sollte man huldigen. Darum unterließ er auch nicht, jetzt, wo Meyerbeers "Emma di Resburgo" nach dem Wunsche des Komponisten die erste seiner hier aufzuführenden Opern sein sollte, das Urteil des Publikums auch über diesen Tonsetzer im voraus bestimmen zu wollen. Augenscheinlich war die Verlegenheit, in welche er hierbei geriet. Denn Herrn. M. als deutsches Originalgenie so himmelhoch zu erheben, wie es der Herr M. v. W. für diesen Freund wünschte, schien um so schwieriger, da es unmöglich war, Ohr und Sinn aller Zuhörer dergestalt zu fesseln, daß sie rechtmäßiges Eigentum vom erborgten Schmucke nicht zu unterscheiden vermocht haben sollten. Wir wollen sehn, wie sich Herr M. v. W. hier zu helfen wußte. Emma, mochte er sich selbst sagen, wurde in Italien geschrieben, da ist es ja leicht, dem Dresdener Publikum glauben zu machen, daß Meyerbeers erhabenes Genie nur den Italern zu Gefallen und um sich als Meister zu bewähren, der in allen Formen zu herrschen wisse, sich jenem entarteten Geschmacke unterwarf. Allein hierauf läßt sich manches entgegnen. Einmal kann es mit jenem entarteten Geschmack doch wohl nicht so tief hinein böse sein, wie Herr C. M. v. W. es schildert, es sei denn, daß die deutschen Kunstmagen an derselben Krankheit litten, da ähnliche Musikformen auch hier mit dem allgemeinsten Enthusiasmus aufgenommen worden sind, wofür der lebhafte Beifall, welchen diese Oper Emma selbst hier erhielt, am bündigsten zeugt. Teilte aber Meyerbeer die Ansichten des Herrn C. M. v. W. und schrieb er aus Ehrgeiz, so hätte er doch nicht mit so entschiedener Gleichgültigkeit seine reinen Perlen chamäleontisch färben sollen. Wollte ein schöpferischer Genius sich herabwürdigen zu Italiens Geschmack, welcher feine Gewürze der kräftigeren Kost vorzieht, so könnte er ja, wenn auch leichte Speisen, doch neue und originell zubereitete auftischen. Dies tat aber Meyerbeers hochgepriesenes Genie keinesweges. Er raubte Rossinis glücklichste Gedanken, die sicher überall gefallen, vereinte sie mit glänzenden und reizenden Ideen älterer und neuerer Meister und gab die unstreitig geistvolle Zusammensetzung für neue Erfindung. Emma wurde in Venedig mit großem Enthusiasmus aufgenommen, teils aus der den Italienern so eignen Billigkeit und Freundlichkeit gegen Ausländer, teils weil es dort Grundsatz ist, alle jugendlichen Talente liebevoll aufzumuntern und auch die fremden Künstler, welche nach höherer Vervollkommnung streben, durch Wärme und Anerkennung anzufeuern. Doch hätte Herr C. M. v. W. nicht jene originelle Ausflucht erfunden, es als die Kraft eines höheren Genies geltend zu machen, daß Meyerbeer, wenn er wolle, auch in den jetzt in Italien herrschenden zuckersüßen Modeformen schreiben könne, so würde es ihm wohl schwer geworden sein, jene allbekannten musikalischen Wendungen zu entschuldigen, welche so treu und trefflich kopiert sind, daß man sie mit den Originalen verwechseln könnte. Wohl uns, daß Haydn, Mozart, Gluck, Piccini, Cimarosa, Paesiello, Naumann, Schuster usw. diese Vielseitigkeit nicht besaßen, sondern jeder in seinem eigenen Stil groß und originell waren; ihre Werke wurden von allen Nationen als klassisch anerkannt und werden es ewig bleiben. Hätten diese wahrhaft leuchtenden Kunstgenien einander nachgeahmt, so besäßen wir jetzt eine einzige Gattung von Musik, deren Erfinder noch bestritten werden würde. Der wahre Genius arbeitet nicht aus Gefallsucht, er künstelt nicht und ahmt nicht nach, er fühlt und schafft und liebt den verwandten Kunstbruder jeder Zone. In der Musik der Emma sind nur die Ansprüche originell, womit der Verfasser glaubt, das Publikum täuschen zu können. Die gehäuften Modulationen würden wirkungsreich sein, wenn Meyerbeer der erste wäre, der sie anwendete. Die zu öftern Fermaten und das fast immerwährende piccicato (welches den eigentlichen Ton der Instrumente stört) sind tadelnswerte Hilfsmittel, zu gefallen, die man weder neu noch schön nennen kann. Aber es war auch gar nicht die Absicht des Herrn C. M. v. W., die Musik dieser Oper zu loben, er wollte bei ihr nur auf die Fehler aufmerksam machen, welche das hohe Genie Meyerbeers aus willkürlicher Herablassung beging. Weit mehr lag ihm am Herzen, zum voraus die deutsche Oper: Alimelek von Meyerbeer als ein Meisterwerk erster Größe zu preisen. Die Musik derselben ist uns nur erst durch einen ähnlichen Aufsatz bekannt, welchen Herr C. M. v. W. früher in die Prager Zeitung rücken ließ, wir enthalten uns darum für jetzt jedes Urteils darüber. Indes erinnern wir uns bei dieser Gelegenheit in der Leipziger Musikalischen Zeitung 1814 von der Aufführung einer Meyerbeerschen Oper in Wien, "Die zwei Califen" betitelt, gelesen zu haben, deren Stoff gleichfalls aus Tausend und eine Nacht genommen und von Herrn Wohlbrück gedichtet war. Sie hatte (wie aus dem folgenden Aufsatze zu ersehen) dasselbe Schicksal wie in Stuttgart gehabt, wo sie kurz zuvor wieder unter einem andern Titel gegeben worden war. Den Andeutungen des Herrn C. M. v. W. nach ist wahrscheinlich Alimelek nur ein dritter Name derselben Oper. Dem sei wie ihm wolle, so erlauben wir uns den Wunsch, daß Herr C. M. v. W. doch den großen Vorbildern eines Haydn, Mozart, Cimarosa, Paesiello usw. folgen möge, welche von ganz Europa anerkannt und geehrt, gleichzeitig in der größten Harmonie untereinander lebten, sich achtend und anerkennend; möchte er ihre großen Eigenschaften und ihrem reinen, unparteiischen Kunsteifer nachahmen, ohne sich bittere Ausfälle auf andere Völker zu erlauben und ohne sich Recht anzumaßen, ein durch treffliche Musik jeder Art gebildetes Publikum zurechtweisen und lenken zu wollen. Er schadet hier selbst seinem Freunde bei den Kennern, denn übermäßiges Lob von einer Seite, neben gehässiger Ironie gegen andere, fordert zu desto größerer Strenge auf. Will man behaupten, daß Italien jetzt einen Rossini habe, so muß man wenigstens gestehen, daß Mozarts Stelle für Deutschland noch ganz unbesetzt blieb! – Die alten klassischen Tonsetzer bildeten den Geschmack der Völker durch Werke, nicht durch Worte. Möge der Herr C. M. v. W. ein Gleiches tun. Er mache sich auch als Opernkomponist dem Vaterlande sowohl, als dem Auslande, teuer und wert, er bemeistre sich des Gehöres und der Herzen des Publikums, er lenke dessen Geschmack durch Werke, dann wird man ihn gern als Aristarchen erkennen. Da es hier nur um eine freimütige Äußerung dessen zu tun war, was viele so wie wir empfanden, keineswegs aber um persönliche Anfeindung eines Mannes, dessen Geist und Talente wir schätzen, so ist es nicht nötig, daß wir uns nennen. Sollte jedoch Herr C. M. v. W. unsere nähere Bekanntschaft wünschen, so sind wir bereit, mit ihm über jede Zeile, die wir hier schrieben, auch mündlich zu sprechen.