## Title: Aufführungsbesprechung Dresden, Königl. Schaubühne: “Preciosa” von Carl Maria von Weber im Juni/Juli 1822 ## Author: Anonymus ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A030602 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Correspondenz-Nachrichten.Dresden, Ende July 1822. Die interessanteste Neuigkeit des deutschen Theaters war die Vorstellung der Preciosa, welche nicht allein mit vielem Beyfalle aufgenommen, sondern auch jedes Mal bey sehr vollem Hause wiederholt wurde. Schwerlich kann man sich eine glücklichere Vereinigung denken von einem sehr interessanten Sujet, schöner, echt poetischer Diction, genialer, reizender Musik, lieblichem Tanz und hübschen Decorationen. Es muß einzig an den Künstlern liegen, wenn dieß Stück nicht ausgezeichnet gefällt. Es war hier trefflich einstudiert, die originelle Musik, welche gerade in ihrer Eigenthümlichkeit und Nationalität so poetisch und trefflich erfunden ist, wurde von dem Meister selbst, C. M. v. Weber geleitet; die Tänze waren das Reizendste, was wir noch in dieser Art hier gesehen haben. Es ist unglaublich, was der Fleiß und der geschickte Unterricht des Hrn. Gärtner in so kurzer Zeit geleistet haben; dieser Mann hat lauter Individuen bilden müssen, welche alle schon erwachsen waren und von denen der größere Theil nie ein großes Ballet gesehen hatte. Es ist schon ein artiges Ganzes geschaffen, so daß nun in Opern, zu welchen eingeflochtne Tänze gehören, keine störenden Lücken mehr werden bemerkt werden. Unsere Preciosa war die neuerlich bey uns engagirte Fr. v. d. Klogen. Sie gab diese Rolle mit Gefühl; ihre Stimme hat etwas Herzgewinnendes, wo sie die ihr natürlichen tiefern Töne voll und schön benutzen kann. Leider hat sie aber oft einen angenommenen naiven Ton, der manierirt und kindisch klingt. Diese Rolle macht viele Forderungen an die Künstlerinn, da sie Tanz, Gesang und sogar ein Erscheinen zu Pferde verlangt; Fr. v. d. Klogen löste diese Aufgaben ziemlich glücklich, ihr Gesang war einfach und natürlich; nur wäre eine deutlichere Aussprache zu wünschen, wie fast bey allen deutschen Sängerinnen. Ihr Anzug war nicht vortheilhaft gewählt, weder für ihren Kopf, noch für ihre Gestalt; die andern Zigeunermädchen sahen reizender aus, als sie. Mad. Hartwig gab die Wiarda vortrefflich; das Selbstopfer ist sehr zu rühmen, mit welchem sich diese brave Künstlerinn dem Fache der karikirten alten Rollen widmet, da es allen ihren Zeitgenossen im frischen Andenken ist, wie sie vor noch nicht langer Zeit in dem ganz ähnlichen Stück von Kotzebue die jugendliche Lasrilla reizender darstellte, als wir sie seitdem gesehen haben. Hr. Pauli gab die komische Rolle des Schloßvogtes Pedro vortrefflich. Dieser denkende Künstler zeichnet sich immer mehr in Charakterrollen aus. […]