Theaterbericht Dresden (Februar 1817)

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Theaternachrichten aus Dresden.

(Februar 1817.)

Den ganzen vorigen Monat von hier abwesend, kann ich Ihnen über unser Theaterwesen nur in aller Kürze mittheilen, was ich vom Hörensagen weiß.

Neu gegeben sind in dieser Zeit: Das Liebespärchen, Lustsp. in 1 Aufzug von Georgi; hat nur durch das sinnige Spiel der Darstellenden gefallen. – Heinrich von Anjou, Trauerspiel in 5 Aufzügen von Zahlhas; wird mittelmäßig genannt. – Consequent, Lustspiel in 4 Aufzügen; ist ausgepocht worden. – Jakob und seine Söhne; musikalisches Drama in 3 Aufzügen, mit Musik von Mehül; der neu angestellte Kapellmeister Hr. Maria v. Weber hat mit dieser Aufführung debütirt und alles geleistet, was man mit einer Gesellschaft, in der nur sehr wenig Sänger und Sängerinnen sind, zu leisten irgend im Stande ist. – Der Rothmantel, Lustspiel in 5 Aufzügen, von Kotzebue, ist dem Auspochen nahe gewesen. – Hr. Wilhelmi vom Casseler Theater ist für das Fach der Liebhaber engagirt worden, und hat in mehrern Rollen gefallen. Auch Hr. Julius, den wir noch als kaum engagirtes Mitglied ansehen, indem wir ihn noch nicht in seinem Umfange kennen, da er so selten Gelegenheit erhält, die Tiefe und die Vielseitigkeit seiner Talente vor uns zu entwickeln, soll einigemale, und unter andern als Beaumarchais im Klavigo, die Achtung ganz vorzüglich bethätiget haben, die der Kunst und dem Publikum gebührt. Leider fürchten wir, ihn nicht lange zu behalten, da er dadurch, daß, Künstler gleicher oder geringerer Fähigkeiten, einen weit höheren Gehalt bewilliget erhalten haben, als seine – dem wahrhaft Verdienstlichen immer eigene Bescheidenheit zu fodern sich erlaubt hat, gekränkt, mit seiner gegenwärtigen Lage nicht recht zufrieden zu seyn scheint.

Die italienische Oper schläft, dem Himmel ¦ sey Dank, ein. Vom Einstudiren neuer Stücke ist selten die Rede, und die alten mag kein Mensch mehr sehen. Ein alter, neu angekommener italienischer Sänger hat eine so leise, heisere Stimme, daß er absichtlich ausgesucht zu seyn scheint, um die einschlummernde Anstalt nicht zu wecken. Die hier seit Anfange d. J. erscheinende Abendzeitung hat der Beurtheilung der hiesigen Schaubühne einen stehenden Artikel gewidmet. Anfänglich ergoß sie sich in ungemessenes Lob; seitdem aber die Leser hiesigen Orts, die denn doch auch Ohren und Augen, Kopf und Herz, Verstand und Empfindung haben, laut äußerten, daß ihr Urtheil mit dem der Abendzeitung nicht überall stimme; daß Weihrauch, Scheffelweise aufgestreut, nicht wohlriechend dufte, sondern unangenehm qualme, und daß Butterwasser, der Stellvertreter der Ipecacuauha sey, seitdem hat sie zuweilen einen ersntern Ton angenommen, und vornehmlich hat sich unser geschätzter Veteran Böttiger erlaubt, mit achtbarer Freimüthigkeit, rundes Urtheil zu wagen. Die hiesigen Leser der Abendzeitung, die Intendantur, die Regie und der Künstlerverein sammt dem Theaterpublikum, werden den Redaktoren gedachter gern gelesener Zeitschrift Dank wissen, wenn sie, mit Hintansetzung ihrer persönlichen Verhältnisse immer nur die Wahrheit vor Augen behalten.

Die erste Darstellung, die ich seit meiner Rückkehr gestern, (am 10ten Februar) beiwohnte, war die die des Brauttages* von H. Clauren. In Ihren auch hier bekannten dramat. Blättern findet sich eine Beurtheilung dieses Stücks, die ich mit vollem Herzen unterschreibe. Unstreitig sind die beiden ersten Aufzüge die gelungensten, und durch die Kürzungen, deren sich der Verfasser, der sich gegenwärtig hier aufhält, nach den ersten Aufführungen, unterzogen, haben auf die drei letzten an Leben und Haltung gewonnen.

Der Requisitenmeister hatte sich dießmal manches zu Schulden kommen lassen; so fehlte die alte silberne Uhr im Pulte des Barons; so fehlte die Pike des kleinen Landsturmmannes. In Cassel und Frankfurth a. M., wo ich vorigen Sommer dieß Stück mit weit größerer Akkuratesse geben sah, hört man das Feuern des Artillerie-Manövers, von dem Fritz spricht, in der Ferne, und während die Rendantin mit Fritz, von der Bühne eilen, um den ankommenden Ernst zu empfangen, füllt dort eine herrliche, sich immer mehr und mehr nährende, und dann wieder weiter sich entfernende Kavallerie-Musik, die Zwischenzeit; auch | wird dort die Schlußpolonaise, wie wohl billig, mit Trompeten und Pauken gegeben. Von allem dem weiß man hier kein Wort; doch das sind dem Requisitenmeister vielleicht Nebensachen, und ehrlich gestanden, sie wurden es uns auch durch das ganz ausgezeichnet gute Spiel, mit dem alle, fast ohne Ausnahme, diesen Abend, das gedrängt volle Haus entzückten. Lieberchen verdient harte Rüge; er hatte kein Wort gelernt, und spielte rein nach dem Soufleur; dadurch dehnte er alle Auftritte, in denen er zu thun hatte, und verdarb zuweilen dem Baron Besser (Hr. Heyer*) sein Spiel. Auch Dorn, der Wachtmeister, den Hr. Burmeister übrigens recht brav gab, hatte seine Rolle nicht ganz vollständig inne; und der Auftritt zwischen Hannchen, dem Baron und dem Lieber, war nicht recht eingeübt, übrigens zeichneten sich die Herren Hellwig, Julius, Geyer und Schirmer aus; letztere beide, wie auch Hr. Burmeister, wurden durch lautes Beifall-Klatschen beehrt. Madame Drewitz spielte die Rendantin mit tiefen Gefühl; Julchen Zucker, eine recht liebenswürdige Anfängerin in der Kunst, gewann ¦ durch die gemühtliche Lebendigkeit, mit der sie uns die ansprechende Rolle des Fritz gab, alle Herzen; das überdrängt volle Haus belohnte ihre Bemühungen auf die verdienteste Weise. Vor allen aber erhob Madame Schirmer, in der Rolle der Adelaide, das Stück zu dem Range eines vollendeteren Kunstwerks. Diese fröhliche Laune, diese weiche Zartheit, diese natürliche Schelmerei, diese himmlische Unschuld. – Jedes Wort der holden Frau drang zum Herzen. Die stillen Thränen der süßesten Rührung im Auge, mußte man lächeln und lachen, bis sich denn das Haus, vom Zauber des Spiels hingerissen, nicht mehr halten konnte, und durch unermeßliches Bravorufen und Händeklatschen, seine Huldigung aussprach.

Die sinnige Anordnung des letzten ganzen Aufzugs, in dem die Baronesse v. Biedenfeld, als Madame Coelestini, die Bravourarie aus Sarginouna voce al cor mi parla,“ mit allgemeinem Beifall vortrug, machte dem Regisseur Hrn. Hellwig, alle Ehre.

Editorial

Creation

Tradition

  • Text Source: Dramaturgisches Wochenblatt in nächster Beziehung auf die königlichen Schauspiele zu Berlin, vol. 2, issue 38 (22. März 1817), pp. 303–304

Text Constitution

  • “Ipecacuauha”sic!
  • “die”sic!

Commentary

  • “… die die des Brauttag es”Lt. Tagebuch der deutschen Bühnen wurde am 10. Februar 1817 „Der Brautschatz“, Original-Lustspiel in 5 Aufzügen von Clauren aufgeführt. Das Allgemeine Theaterlexikon hg. von Herloßsohn/Marggraff verzeichnet es unter dem Namen „Der Brauttag“. Nachgewiesen werden konnte als Druck vom selben Verfasser allerdings nur das Stück „Der Brauttanz oder Der Schwiegersohn von ungefähr“, Dresden, Arnold 1817.
  • “… Baron Besser ( Hr. Heyer”Ein Schauspieler dieses Namens konnte nicht ermittelt werden, evtl. handelt es sich um einen Lesefehler und Ludwig Geyer ist gemeint.

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